Nachhaltige Geräte müssen unattraktive sein.

Theo Schmidt sus2006 at bluewin.ch
Fr Jul 15 08:03:08 UTC 2016


Am 14.07.2016 um 21:04 schrieb Wolfgang Romey (woro):
> Wer es nicht glaubt, findet meine Begründung hier:
> 
> 
http://blogs.fsfe.org/wromey/2016/07/14/warum-sind-nachhaltige-gerate-immer-so-wenig-attraktiv/

Guter Ansatz. Es geht aber noch weiter. Dass die Hersteller bemüht
sind, Geräte zu produzieren, die möglichst schnelllebig sind (aber
nicht so scheinen) entspricht schon lange der inhärenten
kapitalistischen Logik und dem Wachstumsgedanken. Dass es ihnen
gelungen ist, die geplante Obsoleszenz vor allem auf die
psychologische Ebene zu verschieben, ist etwas neuer: die meisten
Menschen ersetzen ihre Geräte nach Mode-Kriterien, die ihnen von der
Werbung suggeriert werden, obwohl sie meistens noch perfekt funktionieren.

Leider werden sie dabei tatkräftig unterstützt von Verwaltungen,
Behörden und sogar Politik, indem die Rahmenbedingungen zu schnell
gewechselt werden, z.B. behördlich verordnete Protokolle. Hier ein
Beispiel von behördlich geplanter Obsoleszenz aus der Schweiz, die
wohl auch in wenigen Jahren andere Länder heimsuchen wird:

Vor wenigen Monaten wurde hier die Satellitennorm DVB mit dem dazu
inkompatiblen DVB2 ersetzt, d.h. DVB ausgeschaltet. Das hängt nicht
nur mit der Ausstrahlung von TV-Sendungen in HD-Auflösung zusammen,
sondern es wurden gleich alle Radiosendungen umgestellt, anders als
z.B. in Deutschland, wo die Radiokanäle nach wie vor mit DVB arbeiten
und bei den TV-Kanälen DVB2 optional zusätzlich gesendet wird. Als
einziges Land in Europa sendet die Schweiz nicht mehr in den Formaten,
welche die grosse Mehrheit der noch vorhandenen, nur wenige Jahre
alten Empfänger empfangen können. Viele Tausende Geräte in der Schweiz
wurden auf einen Schlag  nutzlos, ausser man verzichtet auf die
schweizerischen Sender. Wohlgemerkt *digitale* Geräte; die analogen
Sender wurden vor einiger Zeit überall ausgeschaltet. Und vor wenigen
Jahren gab es eine ähnliches Beispiel, als die Verschlüsselungstechnik
der TV-Kanäle geändert wurde (sowie ein Skandal, aber Deutsche
verpassen nicht viel und das beste kommt später offen auf 3sat).

Ein noch krasseres Beispiel war die voreilige Einführung von DAB
(Digital-Radio), das kaum vorhanden, vom nicht kompatiblen DAB+
ersetzt wurde. Viele Sender hier sind nicht mehr auf DAB, wer
klassische oder alternative Musik oder Jazz mag, kann sein DAB-Gerät
also auch gleich entsorgen.

Es geht hier also nicht um die Offenheit der Normen oder um deren
"Attraktivität", sondern um mangelnde politische Kontrolle der
Grundversorgung, und das sogar in der Schweiz, wo man prinzipiell über
alles mögliche abstimmen kann. Aber diese technischen
Rahmenbedingungen interessieren niemanden und so können die Behörden
und Regierungen schalten und walten. Und sie scheinen hauptsächlich
die Industrien zu vertreten, wie auch beim bekannteren TTIP, welches
für die Menschen wohl auch weitreichende negative Folgen haben wird,
falls es durchkommt.

Liebe Grüsse, Theo



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