Re: Gesucht: die häufigsten Mißverständnisse zu Freier Software

RA Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Fr Feb 26 13:58:27 UTC 2016


On 26.02.2016 13:27, Florian Weimer wrote:

Das Ganze scheint mir etwas enggeführt:
> * Matthias Kirschner:
> 
>> Diese Mißverständnisse habe ich schon angegeben
>> <https://chemnitzer.linux-tage.de/2016/de/programm/beitrag/264>:
>> - Freie Software ist kostenlos. 
>> - Mit Freier Software kann man kein Geld verdienen.
> 
> - Mit Freier Software kann man Geld verdienen.
> 
> Das ist wohl auch nicht so ganz einfach, da es nur wenige Unternehmen
> gibt, bei denen fast alles zumindest im Quellcode zum Selberbauen nach
> draußen gegeben wird.:

Bekanntlich kann man nicht nur durch die Entwicklung Freier Software
Geld verdienen, sondern auch durch Dokumentation derselben (im weitesten
Sinne) und vor allem auch durch Support.

Florian hat hier offenbar Unternehmen im Auge, die auch (aus welchen
Gründen auch immer) "etwas mit Freier Software machen". Es gibt aber
auch Unternehmen und Entwickler, die bevorzugt bis ausschließlich Freie
Software entwickeln.

Keine Frage: Leicht ist das nicht, es muss ein wohldurchdachtes
Geschäftsmodell entwickelt werden, aber es gibt eben auch Menschen und
Unternehmen, die mit Freier Software sehr erfolgreich sind.

Die Aussage, mit Freier Software könne man kein Geld verdienen, ist
jedenfalls definitiv widerlegt.
> 
> - Bei Freier Software kann jeder mitmachen.
> 
> Einige Projekte sind absichtlich oder de facto so aufgestellt, daß nur
> wenige sich daran beteiligen können (z.B. Angestellte einer bestimmten
> Firma). Klar kann jeder für sich Änderungen machen, aber das beleiben
> dann immer Insellösungen.

In der Tat nehmen die meisten Projekte nicht jede Codespende entgegen.
Aber die Ablehnung einer Codespende im Einzelfall ist meist durchaus gut
begründet.

Ansonsten sind die meisten Projekte für jeden Entwickler dankbar. Und
wenn es 'mal "menschelt", gibt es oft einen Fork.
> 
> - Die Entwicklung Freier Software ist transparent.
> 
> Gerade im GNU-Bereich gibt es zahlreiche geheime Mailinglisten, auf
> die gewöhnliche Entwickler keinen Zugriff haben. Das hat sich in den
> letzten zehn, zwanzig Jahren sicherlich gebessert, und die
> undemokratischen Prozesse sind auch zu einem gewissen Grad
> nachvollziehbar: Wir wollen nicht, daß die GPL irgendwann per
> Mehrheitsentscheid den Copyleft-Status endgültig verliert. Trotzdem
> ist es mitunter ärgerlich.

Wie Software durch eine bloße "Mehrheitsentscheidung" den Copyleftstatus
"endgültig" verlieren kann, ist mir nicht klar. Es sind natürliche Wege
denkbar, wie Software gegen den Willen einzelner Entwickler
"umlizenziert" bis hin zu einer proprietären Lizenz werden kann, wobei
das natürlich nur für zukünftige Versionen gelten kann.

Aber da würde ich gerne einmal historische Beispiele analysieren. Klar
kenne ich eins, wo zu einer copyleftlosen Lizenz "umlizenziert" wurde,
aber auch da gibt es ein paar Besonderheiten zu würdigen.

Zur These: "Die Entwicklung Freier Software ist transparent."

Die Frage ist aber auch: Für wen ist die Entwicklung Freier Software
transparent und was bedeutet Transparenz?

Zunächst einmal ist die Entwicklung Freier Software für Außenstehende
sehr transparent, denn sie können meist jeden einzelnen
Entwicklungsschritt, bis hin zu jedem Commit verfolgen.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Entwickler auch jede Codezeile
"anfängerfreundlich" kommentieren.

Transparenz gegenüber den Entwicklern bedeutet auch nicht gleichzeitig
eine Entwicklerdemokratie. Es gibt da als Modell der Projektleitung auch
die Figur des "wohlwollenden Diktators".

Ein Projekt andererseits, welches nicht hinreichend transparent macht
(oder machen kann), was es von seinen Committern erwartet, dürfte in
ernste Schwierigkeiten geraten.

Gruß
Michael


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