Re: Merchandising/Stände, Entscheidungen und Transparenz

RA Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Fr Apr 15 10:33:36 UTC 2016


Hallo,

ein sehr interessantes Statement. Politisch huldigt es dem
"TINA"-Argument, einer seit Thatcher in der praktischen Politik
etablierten Methode zur Begründung von Zumutungen.


On 14.04.2016 23:59, Matthias Kirschner wrote:
> (Diese Frage kam bei einer Diskussion auf rheinland@ auf, bei der ich im
> CC war und ich denke, dass die Antwort auch für fsfe-de@ hilfreich ist.)
> 
> * Guido Günther <agx at sigxcpu.org> [2016-04-09 23:31:17 +0200]:
> 
>> Wenn die Diskussion auf der Rheinland Mailingliste weitergehen soll dann
>> wäre es gut zu wissen _was_ das neue "Merchandising-Konzept" überhaupt
>> ist.. Ansonsten habe zumindest ich keine Chance der Diskussion auch nur
>> Ansatzweise zu folgen.
> 
> Auch mir fällt es schwer der Diskussion zu folgen, geschweige denn Jonas
> und Alessandro die Kernpunkte der Diskussion zu vermitteln. 
> 
> Zunächst: weder Jonas noch ich selbst haben ein "neues
> Merchandise-Konzept" angekündigt, und ich kann mir nicht erklären, woher
> die Diskussion um ein solches entstanden ist. Es gibt Änderungen in der
> administrativen Abwicklung beim Merchandise, das ist für mich aber noch
> kein "neues Konzept". Ich erkläre mal die Hintergründe von meiner Seite
> aus und hoffe, dass das ein paar Dinge klärt.
> 
> Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir unsere Arbeit zu Merchandise
> (T-Shirts, Kapuzenpullover, Pins, Tassen, Babykleidung, Kugelschreiber)
> auf der Seite unserer bezahlten Mitarbeiter umstrukturieren, um in
> Zukunft weniger finanzielle Ressourcen dafür aufwenden zu müssen. Sowohl
> für Merchandise bei Veranstaltungen selbst, bei der Inventur, der
> Beschaffung und dem Versand.
> 
> Durch den effektiveren Einsatz unseres fest angestellten Personals
> werden wir die Kosten für administrative Aufgaben reduzieren. Es gibt
> weiterhin Merchandise auf unseren Ständen geben, wir werden weiterhin
> Merchandise online verkaufen, aber wir werden weniger Ressourcen dafür
> benötigen.
> 
> Damit haben wir mehr Ressourcen für die Information über unsere Arbeit
> für Freie Software und die Einbindung von Ehrenamtlichen. Was schon
> immer eine Kernaufgabe der Organisation war. Wir müssen selbst Freie
> Software gut erklären können und wir müssen mehr Leute befähigen bei uns
> mitzumachen.
> 
> Weiterhin wollen wir in den nächsten Monaten mehr Leute bei der
> Ideenfindung für neues Merchandise sowie zur kontinuierlichen
> Verbesserung unserer Stände einbinden. Von den Gesprächen mit Jonas
> erwarte ich hier in den nächsten Monaten mehr Teilnahmemöglichkeiten zu
> diesen beiden Themen als in der Vergangenheit. 
> 
> Allerdings wird das wohl primär in Englisch gemacht werden, da wir a)
> mehr Leute in der FSFE die Möglichkeit zur Teilnahme ermöglichen wollen
> und b) Jonas solche Diskussionen nicht auf Deutsch führen kann. Aber je
> nach Thema und Sprache haben wir ein paar Leute die bei der Übersetzung
> bestimmt helfen können, damit Eure Punkte auch berücksichtigt werden
> können. Generell für Deutsch z.B. unsere Länderteams in Deutschland,
> Österreich und der Schweiz. Für das Thema Merchandise hat sich Reinhard
> angeboten Leuten zu helfen, ihre Punkte ins Englische zu übersetzen. Für
> andere Themen unterstützt Euch außerdem bestimmt auch gerne Erik.

Schaut man sich diese Begründung an, dann fragt man sich, warum dies
nicht breiter hätte diskutieren werden können. Da hätte viel Sachkunde
aus dem Fellowship in die Entscheidungsfindung einfließen können. Eine
solche Diskussion erst zu führen, nachdem die Entscheidung gefallen ist,
ist nicht sachgerecht.

> 
> # Wer hat die Entscheidung getroffen?
> 
> Eine Frage, die ich schnell beantworten kann ist: Diese Entscheidung
> wurde im Exekutivrat der FSFE vom Geschäftsführer Jonas und mir selbst
> als Präsidenten mit Konsultation des Vizepräsidenten Alessandro und des
> Finanzleiters Reinhard getroffen. (Dazu könnt ihr auch in der Satzung
> <https://fsfe.org/about/legal/constitution.de.html> den Teil
> "Exekutivrat" und "Geschäftsführer" lesen). 
> 
> Die Verlegung des Merchandise nach Berlin, die Schließung des Büros in
> Düsseldorf und die Kündigung eines Mitarbeiters hängen so unmittelbar
> zusammen, dass wir nicht einen dieser Punkte ohne die anderen beiden
> entscheiden oder überhaupt auch nur diskutieren hätten können. Aber auch
> wenn wir alles zusammen nicht auf einer so breiten Basis diskutieren
> konnten, wie wir unter anderen Umständen vielleicht getan hätten, könnt
> ihr mir glauben, dass das für uns eine sehr harte Entscheidung war (für
> mich persönlich war es die schwierigste, die ich je mit treffen musste).
> 
> Die Entscheidung wurde am 17. März dem betroffenen Mitarbeiter
> mitgeteilt, am gleichen Tag wurden die Mitglieder vom FSFE e.V.
> informiert und am 22. März das europäische Kernteam (die
> dahinterstehenden Personen sind auf der folgenden Webseite gelistet
> <https://fsfe.org/about/team>) 
> 
> Unsere Intention war zunächst uns mit dem Betroffenen abzusprechen, wie
> diese Entscheidung kommuniziert wird und darauf basierend danach andere
> Gruppen in der FSFE zu informieren.

Aha: Statt "aktiver Teilnahme am Entscheidungsfindungsprozess" zu
gewähren, wird nunmehr lediglich die Beratung hinsichtlich der
"Kommunikation" der getroffenen Entscheidung nachgesucht. Demokratischer
Zentralismus: Die Führung entscheidet, und an der Propaganda wird das
Fussvolk beteiligt. (Ich glaube nicht, dass dies mit "fundamental
demokratisch" gemeint ist.)

Sehen wir einmal davon ab, dass der rechtliche Rahmen nur eine
"Auffangstruktur" ist und nach den verlautbarten Prinzipien (oder sind
auch diese "nicht mehr aktuell"?), alle Teile der FSFE -- Mitglieder des
eingetragenen Vereins und Teammitglieder genauso wie Fellows und
Mitglieder der assoziierten Organisationen -- eingeladen sind, aktiv am
Entscheidungsfindungsprozess teilzunehmen, und schauen uns einmal die
Satzung an:

Dort findet sich unter "Der Exekutivrat" in Absatz 3:

"Der Exekutivrat ist verantwortlich für die

1. Freigabe von Ausgaben, deren Gesamtsumme die durch die
Mitgliederversammlung festgelegte Verfügungsgrenze des Geschäftsführers
überschreiten;

2. Beratung des Geschäftsführers in der Umsetzung der durch die
Mitgliederversammlung vorgegebenen Prioritäten und Strategie;

3. Bestätigung von Änderungen am Budget zwischen zwei
Mitgliederversammlungen nach Beratung mit dem Finanzleiter."

Mich würde einmal interessieren, woher ihr die Entscheidungskompetenz
des Exekutivrates im konkreten Falle ableitet. Ich versuche einmal diese
Frage selbst zu beantworten.

Ubrigens:

"Der Exekutivrat der FSFE besteht aus dem Geschäftsführer, Präsidenten
und Vizepräsidenten."

Von einer bloßen "Konsultation des Vizepräsidenten" ist dort keine Rede.

Zur Frage eines Beschlusses über Einsparungen erscheint folgende Norm
aus der Satzung interessant (unter "Die Mitgliederversammlung", Absatz 2):

"Die Mitgliederversammlung hat die alleinige Zuständigkeit für folgende
Angelegenheiten:

1. Budgetierung;

..."

Man beachte das Wort "alleinig".

Man könnte nun daran denken, dass es eine Entscheidung durch den
Geschäftsführer über eine "Änderungen am Budget zwischen zwei
Mitgliederversammlungen" gab, die vom Exekutivrat nach Ziffer 3 betätigt
werden musste.

Es ist allerdings keine Rede davon, dass die in Rede stehenden
Entscheidungen von Jonas gefällt worden sind und der Exekutivrat sie
bloß bestätigt habe.

Der Geschäftsführer ist, wie man unter "Der Geschäftsführer" nachlesen
kann, "zuständig für die Verwaltung und Geschäftsführung des Vereins"
(Abs. 6).

"Änderungen am Budget durch den Geschäftsführer zwischen zwei
Mitgliederversammlungen bedürfen der Zustimmung durch den Exekutivrat."
(Abs. 8)

Der Geschäftsführer kann also "Änderungen am Bugdet" vornehmen, also
auch zur Finanzierung von Ausgaben an einer Stelle, Einsparungen an
anderer Stelle vornehmen.

Allerdings:

"Der Geschäftsführer führt die Finanzen entsprechend dem Budget und den
Prioritäten, die durch die Mitgliederversammlung festgelegt wurden."
(Abs. 7)

Seine diesbezügliche Kompetenz ist also nicht grenzenlos; vorrangig sind
die Entscheidungen der Mitgliederversammlung, deren Budgetrecht und
Prioritätensetzungen nicht ausgehöhlt werden dürfen. (Er kann also
insoweit nicht "machen, was er will".) Daher wird man die
"Budgetänderungskompetenz" des Geschäftsführers auf solche Fälle zu
beschränken haben, in denen eine Budgetänderung unabweisbar notwendig
ist, eine Entscheidung der Mitgliederversammlung (auch einer
außerordentlichen) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder in denen
die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung
unverhältnismäßig wäre.

Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Meinung der Mitglieder
zwischen zwei Versammlungen auch anderweitig eingeholt werden kann. Aber
da sind wir vielleicht schon wieder im Bereich der "Prinzipien".

Auch ist der Geschäftsführer lediglich für die "Koordination und
Aufsicht über die Angestellten" (Abs. 6, Ziffer 1) zuständig, er hat
somit keine Kompetenz bezüglich Entscheidungen über die Einstellung und
die Entlassung von Angestellten.

Gleiches gilt hinsichtlich der "Koordination des Verwaltungsbüros der
FSFE" (Ziff. 5) in Bezug auf deren Eröffnung oder Schließung.

Als Fazit ist festzustellen, dass für die in Rede stehenden
Entscheidungen nach der Satzung keine Kompetenz des "Exekutivrates"
ersichtlich ist.

> 
> # Transparenz
> 
> Ja, ich bin mir bewusst, dass wir an vielen Stellen unsere Strukturen und
> Prozesse sowie Teilnahmemöglichkeiten besser kommunizieren müssen.
> Dadurch, dass unsere Webseite seit 15 Jahren organisch gewachsen ist,
> gibt es leider einige Webseiten, die nicht mehr aktuell sind (nicht nur
> über Strukturen und Mitmachmöglichkeiten, sondern auch inhaltliche
> Seiten wie zu Softwarepantenten, DRM, ...). Wir arbeiten daran und ich
> würde mich freuen wenn ihr uns bei der Verbesserung der Webseiten helft,
> indem ihr bei unserem Web-Team mitmacht
> <https://fsfe.org/contribute/web/>.
> 
> Daneben haben wir die letzten Monate mit Transparency International
> Deutschland gearbeitet, damit wir alle Anforderungen der Initiative
> transparente Zivilgesellschaft erfüllen
> <https://fsfe.org/about/transparency-commitment.en.html>. Ich erwarte,
> dass wir in ein paar Wochen die letzten Details dazu geklärt haben. 

Es ist sicherlich gut und richtig, sich um dieses "Gütesiegel" zu bemühen.

Die Anforderung, die Transparency International stellt, sind allerdings
andere, als die, welche sich aus unseren Prinzipien ergeben.

Aus der Möglichkeit zur "aktiven" Teilnahme "alle Teile der FSFE" am
Entscheidungsfindungsprozess folgen ganz andere Anforderungen an die
Information der  Mitglieder des eingetragenen Vereins, Teammitglieder
und Fellows als sich aus der "Selbstverpflichtung zu Transparenz" (s.
https://fsfe.org/about/transparency-commitment.de.html ) ergeben.

Oder sind die diesbezüglichen Erklärungen auf der Webseite (bezüglich
der Möglichkeit zur "aktiven" Teilnahme "aller Teile der FSFE") auch
nicht mehr aktuell?

Wenn ja, wann und von wem wurde dies beschlossen?

> Wenn irgendetwas dabei unklar ist, ihr weitere Fragen, Kritik oder
> Anregungen habt, dann könnt ihr dazu jederzeit den Exekutivrat
> <council at fsfeurope.org> kontaktieren.
> 
Leider wurden keineswegs alle Unklarheiten beseitigt.

Auch leitet sich aus Deiner Stellungnahme für mich zu meinem Bedauern
die Notwendigkeit ab, dass die rheinische Community sich von der Führung
der FSFE emanzipiert und die Organisation der Ressourcen und
Rahmenbedingungen für ihre Arbeit für Freie Software und Offene
Standards alsbald selbst in die Hand nimmt. Auf die "Präzedenzfälle" ORR
und Freedom Tours erlaube ich mir zu verweisen.

In diesem Zusammenhang würde mich dann lediglich noch interessieren, wie
die Führung der FSFE zu folgenden Aussagen steht:

"Wenn es aber darum geht, die Lücken zu füllen, die die FSFE hinterlässt
oder sogar aufreisst, ist das etwas Anderes. Nach all den Telefonaten
und Mails prognostiziere ich, dass hier irgendetwas Neues entstehen wird
- eben nicht als Konkurrenz zur FSFE, sondern als Ergänzung. Da bin ich
gerne dabei. Mein Appell geht an alle, incl. des Managements der FSFE,
diesen Prozess aktiv und wohlwollend zu begleiten! Er könnte ein Ausweg
aus diesem Dilemma sein, bei dem _alle_ Beteiligten ihr Gesicht wahren
können."

Und:

"Wenn wir etwas Sinnvolles tun wollen, dann
tun wir es - mit oder ohne FSFE. Die Idee, die Arbeitstrukturen dazu
zu systematisieren, gefällt mir immer besser."

Natürlich ist damit mein Senffass nicht leer; aber manchmal ist weniger
mehr.

Gruß
Michael







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