[FSFE PR][DE] München bleibt bei Freier Software

press at fsfeurope.org press at fsfeurope.org
Do Okt 16 08:38:57 UTC 2014


 = München bleibt bei Freier Software =

[ Online lesen: https://fsfe.org/news/2014/news-20141016-01.de.html ]

Am letzten Dienstag reagierte der Münchner Oberbürgermeister mit fast
dreiwöchiger Verspätung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen[1],
in der die Zukunft von GNU/Linux in der Stadt München thematisiert wird.
In den Antworten zeigt sich, dass der Oberbürgermeister und der zweite
Bürgermeister Münchens ihre Kritik an Freier Software nicht mit Fakten
belegen können. Stattdessen sollen alle IT-Strukturen und Prozesse
geprüft werden. Die FSFE fordert die Stadtverwaltung auf, auch die beim
ursprünglichen Beschluss als zentral betrachteten Aspekte
Herstellerunabhängigkeit- und Interoperabilität in diese Prüfung mit
einzubeziehen.

In den vergangenen Monaten haben Äußerungen der neuen Münchner
Bürgermeister Reiter und Schmid wiederholt Verwirrung über den künftigen
IT-Kurs der Stadt ausgelöst. Ihre Äußerungen deuteten, entgegen der
Haltung der dritten Bürgermeisterin Christine Strobl, der städtischen IT
sowie des Stadtrats, auf ein mögliches Ende des beispielhaften Freien-
Software-Kurses der Stadt hin. Fakten dazu waren, trotz Bemühungen von
Seiten der FSFE, nur schwer zu ermitteln. Die Antwort der Stadtspitze
auf die Anfrage der Grünen im Stadtrat klärt nun einige Punkte.

 == Bisherige Kritik wurde nicht belegt ==

So bezog sich die Mitarbeiterumfrage "Great Place to Work" von Ende 2013
-- auf die sich Reiter und Schmid in ihrer Kritik berufen hatten -- laut
Reiters neuen Aussagen auf diverse Facetten der IT-Struktur, wie z.B.
Hardware, Support, oder Telearbeit. Die Umfrage lässt aber ungeklärt, ob
und wie die Probleme der Nutzer überhaupt etwas mit Freier Software zu
tun haben: Dies sei "zum aktuellen Zeitpunkt nicht erhoben", so Reiter.

Die oft zitierte Wartezeit auf die dienstlichen Mobiltelefone stehe "in
keinem Zusammenhang" mit dem "Betriebssystem LiMux", erklärt Reiter.
Stattdessen sei der Hauptgrund, dass "bislang keine Smartphones mit iOS-
Betriebssystem in der Verwaltung eingesetzt wurden".

Bezüglich der laut Schmid fehlenden einheitlichen Software zur E-Mail-
und Kalender-Verwaltung stellte sich ferner heraus, dass die Einführung
der Freie-Software-Lösung Kolab überhaupt erst Anfang 2014 in Auftrag
gegeben wurde und diese frühestens 2015 in den produktiven Betrieb gehen
soll.

 == Breite Unterstützung für Freie Software in München ==

Sowohl die städtische IT-Verwaltung, als auch der Stadtrat[2] und die
dritte Bürgermeisterin Christine Strobl stellen sich in ihren Äußerungen
hinter die Münchner Freie Software-Strategie und distanzieren sich damit
von den vorherigen Äußerungen von Reiter und Schmid. Bürgermeisterin
Strobl ist "nach gründlicher Prüfung" weiterhin der Ansicht, dass die
Umstellung auf Freie Software richtig war.

Wirtschaftlich gesehen ist dies nachvollziehbar: Reiter beziffert die
durch wegfallende Lizenzkosten entstandenen Einsparungen auf 11
Millionen Euro. Allein die Hardware-Kosten bei einer Migration zu
Windows 7 würden sich laut der Antwort auf ca. 3,15 Millionen Euro
belaufen, und bei "einem Umstieg auf Windows 8 wären die Kosten noch
wesentlich höher". Dazu würden noch weitere Kosten anfallen, die derzeit
nicht bezifferbar seien. Neben dem Kostenargument werden in der Antwort
die Erfolge bei der Unterstützung Offener Standards durch die Umstellung
erwähnt.

 == Herstellerunabhängigkeit und Interoperabilität mit einbeziehen ==

In München soll nun eine Arbeitsgruppe die städtische IT-Strukturen und
-Prozesse evaluieren und Vorschläge für deren Verbesserung erarbeiten.
Die Kriterien hierfür sind aufgrund ihrer allgemein gehaltenen
Formulierung schwer einzuschätzen. Für eine umfassende Bewertung muss
München bei der anstehenden Überprüfungen der IT neben
Benutzerfreundlichkeit und Kosten auch Herstellerunabhängigkeit- und
Interoperabilitäts-Aspekte einbeziehen, letztendlich waren dies zentrale
Argumente für die Entscheidung zugunsten Freie Software im jahr 2002.
Dies ermöglicht der Stadt die Hoheit über die eigenen Daten und stellt
den diskriminierungsfreien Zugang zu städtischen IT-Diensten sicher.

    "Andere europäische Länder haben Freie Software und Offene Standards
    in den vergangenen Jahren zum Kernbestandteil ihrer IT-Strategien
    für den öffentlichen Sektor gemacht, so etwa Großbritannien,
    Frankreich, Italien und Schweden. In Deutschland hinkt der
    öffentliche Sektor in dieser Hinsicht hinterher. In Deutschland
    müssen Bund und Länder nachbessern, damit öffentliche Einrichtungen
    auch hier endlich in den Genuss der Vorteile Freier Software
    kommen", sagt Karsten Gerloff, Präsident der Free Software
    Foundation Europe.

 1. http://www.ris-muenchen.de/RII2/RII/DOK/ANTRAG/3456728.pdf
 2. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Linux-in-Muenchen-Stadtrat-verteidigt-LiMux-gegen-Buergermeister-2262506.html

  == Über die Free Software Foundation Europe ==

  Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige,
  regierungsunabhängige Organisation, die in vielen Ländern Europas
  aktiv und in vielen globalen Aktionen involviert ist. Der Zugang zu
  Software entscheidet über die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft.
  Um Chancengleichheit im Informationszeitalter und die Freiheit des
  Wettbewerbs sicherzustellen, widmet sich die Free Software Foundation
  Europe (FSFE) der Förderung Freier Software, welche dadurch definiert
  wird, dass sie von jedem Menschen uneingeschränkt benutzt, untersucht,
  verändert und weitergegeben werden kann.  Dies ins öffentliche
  Bewusstsein zu rücken und der Freien Software politische und
  rechtliche Sicherheit zu verschaffen, sind die wichtigsten Ziele der
  FSFE, die 2001 gegründet wurde.

  Weitere Informationen über die Arbeit der FSFE finden Sie auf
  http://fsfe.org/
  
  == Presse Kontakt ==

  Matthias Kirschner <press at fsfeurope.org>
  Free Software Foundation Europe
  Schönhauser Allee 6/7, 10119 Berlin
  Telefon: +49-30-275 95 290

_______________________________________________
Press-release-de mailing list
Press-release-de at fsfeurope.org
https://mail.fsfeurope.org/mailman/listinfo/press-release-de



Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de