Repost: Pro/Contra Routerzwang

Michael Tremer michael.tremer at ipfire.org
Mi Jul 23 09:39:49 UTC 2014


Hallo,

Matthias bat mich die unten stehende Email nochmals auf dieser Liste zu
reposten, um diese zur Diskussion zu stellen.

Kontext ist der Routerzwang und eine Liste mit einigen hunderten
extrahierten Argumenten für und gegen den Routerzwang, die ich versucht
habe kurz und knapp aus technischer Sicht zu beleuchten und ggf. zu
widerlegen.

Beste Grüße,
-Michael

----

Hallo,

großartiger Artikel. Finde ich überhaupt nicht verkehrt, dass der
Geheimhaltungsstrategie der BNetzA entgegengekommen wird.

Ich habe ich mal durch die Argumente gelesen und konnte dabei nicht
feststellen, dass hier auf dieser Mailingliste etwas wichtiges davon
nicht genannt wurde. Außerdem möchte ich nochmal festhalten, dass die
überwiegende Anzahl der Statements gegen den Routerzwang ist. Bleibt
abzuwarten, ob das die BNetzA beeinflusst.

Ich möchte noch ein paar Worte zu den technischen Argumenten *pro*
Routerzwang verlieren. Möglicherweise kann man das nutzen um diese
zu entkräften.


"Reduzierter Supportaufwand: - ein Zwangsrouter ermöglicht es den ISPs
durch einheitliche Geräte und Oberflächen den Supportaufwand zu
minimieren. Der Support kann sich auf wenige Gerätetypen einrichten
weniger Schulung geringere Kosten für das Supportpersonal. (Seite 77)

Das finde ich als Argument sehr schwach. Das Supportpersonal sollte auch
so in der Lage sein zu erkennen ob der Router eingeschaltet ist und ob
er reagiert.


"Schnelle Hilfe durch den ISP Support möglich, max. Kompatibilität
zwischen Endgerät und. Providerhardware sollte gewährleistet sein.
(Seite 77)

Das ist bisher nie ein Problem gewesen. DSL-Modems sind alle nach einem
Standard gebaut und mir ist noch nie ein inkompatibles Modem in die
Hände gefallen.


"Würde künftig den Kunden vermittelt, der Einsatz jedes x~ beljebigen
Routers wäre möglich, müssten die Anbieter extra Prozesse für die Kunden
vorsehen, die ihren eigenen Router mitbringen (Seite 500)

Höchstens beim Support. Bei den DSL-Netzen bedarf es keinerlei
technischen Änderungen. Bei Kabelnetzen schon.


"Die Anzahl·der Geräte, die zur Bereitstellung des Dienstes erforderlich
sind, steigt ggf. (Seite 511)

Das ist Sinn der Sache. Man möchte seinen Router aus Sicherheitsgründen
eigentlich keine Telefonie und Filesharingdienste usw. mit erledigen
lassen.


"Einsatz vom Netzbetreiber geprüften CPE's dadurch funktionelle
Sicherstellung. (Seite 172)

Nichts in der Verordnung hindert die Netzbetreiber bestimmte Geräte zu
empfehlen und ein Sternchen drauf zu kleben.


"Die von den Netzbetreibern eingesetzten Router sind direkt auf die
eigenen Netze abgestimmt und stellen den Netzabschlusspunkt dar (Seite
374)

Abgesehen davon, dass man für einen VDSL-Anschluss ein VDSL-Modem
liefert, ist da keine weitere Abstimmung nötig. Alle auf dem Markt
käuflichen Modems sind standardisiert - und diese Standards sind auf der
ganzen Welt gleich.


"Die Erfahrung zeigt dass-viele der am Markt verfügbaren IADs/Router
nicht den Anforderungen und Spezifikationen der Netz.betreiber
entsprechen. (Seite 500)

Was sind die? Und sind die überhaupt ausschlaggebend?


"Der Einsatz beliebiger kundeneigener Endgeräte kann die Netzintegrität
gefährden, was zu Flächenstörungen führen kann. (Seite 500)

Da man ja aktuell seinen eigenen Router/Modem einsetzen darf und das
Internet immer noch geht, kann es also kein ernst zu nehmendes Problem
sein.
Wenn ein Gerät z.B. durch einen Blitzeinschlag die DSL-Leitung
kurzschließt, dann passiert das auch mit dem Zwangsrouter.
Möchte ich eine DSL-Leitung mutwillig (zer-)stören, dann brauch ich da
keinen Router für, sondern kann da einfach mal 230V aus der Steckdose
drauf geben und die Vermittlungsstelle ist aus.


"Modell B3 Sie führt zu einer hohen Kundenzufriedenheit durch die
Einfachheit  des "Plug-and-Play-Ansatzes" (Seite 528)

Ich finde, dass auch nichts dagegen spricht dem Kunden auf Wunsch eine
solche Lösung anzubieten. Sie sollte natürlich nur diskriminierungsfrei
sein und nicht preislich günstiger um den Kunden dort hin zu locken.


"Modell A ist problematisch, da der Anbieter hier für eine Vielzahl von
sicherheitsrelevanten Aspekten im Zusammenhang mit dem Internetzugang
nicht verantwortlich ist und der Teilnehmer ihm obliegende Aufgaben
nicht wahrnimmt (Seite 529)

Das ist in dem Fall ja nicht unbedingt Problem des Providers. Wie sehr
ihr das? Man ist ja auch im Straßenverkehr dazu verpflichtet gewisse
Dinge zu tun oder nicht zu tun, wie es eben auch nötig ist sein WLAN
korrekt abzusichern.


"Modell B3 hat den Vorteil hoher Sicherheitsstandards für den Kunden
(Provider alleine kann das durch zentral verwaltete Updates sicher
stellen) (Seite 531)

Das hat in der Vergangenheit nicht zur Erhöhung der Sicherheit
beigetragen.


"Aus Sicht von Vodafone ist eine Nutzung der vertraglich mit dem Kunden
vereinbarten Telekommunikationsdienste an der TAE überhaupt nicht
möglich. (Seite 648)

Das hier ist ein sehr seltsames Argument. Ich vermute, dass das darauf
ausgerichtet ist, dass man kein normales Telefon mehr an die TAE-Dose
anklemmen kann, sondern ein VoIP-Endgerät braucht und dass das für
einige Kunden schwer zu verstehen ist. Das ist in meinen Augen aber
technischer Fortschritt und da kann man nichts dran machen.


"Die Modelle 82 bzw. B3 bieten uns die Möglichkeit, dem Kunden die
bestmögliche Übertragungs- und Sprachqualität, sowie Verfügbarkeit zu
garantieren. Dem Kunden bietet sich die Möglichkeit sein Equipment an
standardisierten Schnittstellen zu betreiben. (Seite 649)

Das ist einfach nicht richtig. Auch andere Geräte können die gleichen
Übertragungsraten und Gesprächsqualität bringen.


"ohne Zwangsrouter kein Vectoring - ineffizientere Nutzung des
verfügbaren Spektrums auf der TAL und potentielle Störung von
Nachbaradern (Seite 212)

"Insbesondere zur aktuellen Diskussion zum Einsatz von Vectoring ist der
Einsatz von kundeneigenen Endgeräten sehr kritisch zu sehen, da sich ein
Nicht-Vectoring fähiges kundeneigenes Endgerät auf die Performance aller
Kunden auswirkt! (Seite 501)

Das ist korrekt. Wenn ein Modem dabei ist, welches kein Vectoring
unterstützt, dann erleiden auch die anderen Teilnehmer Nachteile.
Eigentlich wird das (fast?) komplett in der Vermittlungsstelle
umgesetzt, aber Nebeneffekte sind nicht auszuschließen.

Man könnte nun also als fordern, dass jedes Modem das beherrschen muss
(also eine Schnittstellenspezifikation), oder einfach mal damit aufhören
mit solcher Basteltechnologie versuchen noch ein paar Bits mehr aus der
Kupferleitung herauszudrücken und mit dem Ausbau zukunftsfähiger
Technologien beginnen.

Hier ist dann also abzuwägen, was einem nun wichtiger ist. Man wird aber
immer irgendwo Legacy-Geräte haben, die neue Technologien verhinden.
Genauso könnte man ja fordern, dass alle GSM-Geräte abgeschaltet werden
müssen, da die uns das Spektrum für schnelleres LTE nehmen.


"Das Modell A kann wegen des erheblichen Integrationsaufwands in DOCSIS
basierten Kabelnetzen nicht angewendet werden. (Seite 501)

Wie schon mehrfach erwähnt ist es bei den Kabelnetzen mit mehr Aufwand
verbunden den Kunden seine Router wählen zu lassen. Im DSL-Netz ist da
ja bereits schon der Fall, dass es keinen neuen Aufwand gibt.


"Einschränkungen für die Nutzung des Internetzugangsdienstes durch
kaskadierte Endgeräte bestehen nicht (Seite 547)

Doch. Diese sind z.B. NAT. Bei IPv6 kann man nicht unendlich
kaskadieren, denn irgendwann geht einem der Adressbereich aus. Manche
Provider vergeben nur ein /64 Subnet und somit ist es nicht mehr möglich
dahinter einen weiteren Router zu betreiben.


"gegen Modell A: Nachteilig können sich HF-/EMV-Stör·einstrahlungen und·
Fehlfunktionen (z.B. unablässiges Senden sinnloser Daten) des Gerätes
auf Shared-Medium-Netzwerke auswirken (Seite 631)

Selbe Antwort wie beim DSL. Um das Netz mutwillig zu stören brauche ich
kein Modem. Die Leitung kurzzuschließen reicht und Fernsehen, Internet
und Telefon sind für nen ganzen Straßenzug weg.

Der Artikel von heise über die Öffnung des Kabelnetzes in Belgien belegt
auch, dass das technisch möglich ist.

http://www.heise.de/netze/meldung/Belgien-oeffnet-Kabelnetze-fuer-alternative-Anbieter-und-lockert-die-Zwangsrouter-Regelung-2069455.html


On Tue, 2014-07-15 at 15:29 +0200, Matthias Kirschner wrote:
> http://www.heise.de/newsticker/meldung/Zwangsrouter-fuer-den-Internet-Zugang-Stellungnahmen-zur-Anhoerung-spiegeln-massiven-Widerspruch-2260464.html
> dort gibt es jetzt ein PDF mit allen Stellungnahmen und eine
> Zusammenfassung aller Punkte aus anonymer Quelle. Ich habe ein
> Vermutung, woher das kommt, ist aber eigentlich zweitrangig.
> 
> Viele Grüße
> Matthias
> 






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