Friendica & Co.

Paul Hänsch paul at fsfe.org
Sa Feb 22 01:14:45 UTC 2014


Volker Grabsch <v at njh.eu>, Thu, 20 Feb 2014 13:06:07 +0100
> Robert Kehl schrieb:
> > Am 18.02.2014 15:19, schrieb theo.schmidt at wilhelmtux.ch:
> > > Diaspora ist für mich was Facebook sein sollte. Dadurch ist die 
> > > Lernkurve bedeutend steiler, man muss "Freunde" suchen, sie werden einem 
> > > nicht vom Datenkraken automatisch empfohlen. Technisch ist es anders 
> > > aufgebaut, eher dezentral.
> > 
> > Friendica ("is what Diaspora meant to be") wurde schon genannt, Red
> > Matrix[1] könnte auch noch was sein. Ist aus Friendica entstanden.
> 
> Ich habe mir das aus mal kurz angesehen, um zu schauen, ob
> das vielleicht eine interessante Alternative zu klassischer
> "Groupware" wie Citadel ist. Konkret will ich eventuell eine
> Sport-Gruppe oder einen kleinen Verein damit organisieren.
> 
> 
> Aber beim Überfliegen der Installationsanleitungen für
> Red Matrix und Friendica musste ich staunen:
> [...]

The end is neeeaaaarrrr....

Ich muss dir leider in vielen Punkten zustimmen. Robert übrigens zum
Teil auch.

Ich habe mir mehrere Lösungen von verteilten sozialen Netzwerken
angeguckt aber überzeugt hat mich keins. Und ja, die meisten leiden
unter technischen Problemen. Ich werde natürlich weiterhin nicht
aufgeben, schon weil ich das Thema so unheimlich wichtig finde.

Diaspora hat damit angefangen massiv die richtigen Ideen zu liefern und
ein echt umfangreiches Projekt auf die Beine zu stellen. Einen Pod zu
betreiben suckt in der Praxis aber einfach und die Gründe dafür halte
ich für so fundamental, dass selbst eine größere Entwicklergemeinschaft
schwer daran nagen wird, den Zustand zu verbessern.

https://wiki.diasporafoundation.org/Federation_protocol_overview

^^ Es fängt mit Webfinger an und wird dann tatsächlich noch schlimmer.
Überflüssig zu erwähnen, dass die aktuelle Softwareversion mit dem
spezifizierten Protokoll nicht mehr tatsächlich kompatibel ist. Darauf
kommt man bei der Studie des Dokuments von allein. Alternative
Implementationen werden so von vornherein erstickt.

Willst du einmal ein Softwaresetup auf die Beine stellen das es dir
ermöglicht selbst einen Diaspora-Pod zu betreiben, musst du deine
Distribution mit einer externen Paktverwaltung verschmutzen und führst
dann immer noch Dinge aus, wie:

curl -L dspr.tk/1t | bash

Yeaah, schön übrigens, dass man das mittlerweile nicht mehr als root
machen muss.
Den Pod kannst du dann ein paar Wochen Später umständlich upgraden wenn
du mit den Major-Pods kompatibel bleiben willst. Federation bye bye.

Es scheint allerdings besser geworden zu sein seit ich das letzte mal
nachgeschaut habe.

Friendica verspricht das zu sein, was Diaspora werden sollte. Ist mir
technisch auch tatsächlich nicht so negativ aufgefallen. Leider kann es
in seiner Community noch etliche Stylisten vertragen und mein
eigener Pod ist beim Softwareupgrade gestorben.

Ich muss dazu gestehen, dass mich soziale Netzwerke nie angefixt haben.
Deshalb bin ich als Testperson relativ ungeeignet - ich kann einfach
nicht viel Zeit auf den Seiten verbringen.

Pump.io hat mich herb enttäuscht. Zu Anfang handelte es sich dabei noch
um eine reine Federation-Komponente, die alle Details bezüglich
Darstellung und Content-Typen offen lies. Auch wenn sie leider nicht
ganz so einfach zu installieren und zu warten war, wie ich es mir
gewünscht hätte. Mittlerweile ist die Protokollspezifikation nicht mehr
(!) online und die Software wurde um ein Webinterface erweitert. Die
dadurch eingeführten Vorgaben in Benutzeroberfläche und Anwendungsweise
dürften das Ausschöpfen und Ausbauen der Möglichkeiten von Seiten
externer Entwickler deutlich erschweren. Fazit: ein weiteres Diaspora,
nur weniger verbreitet.

Warum klemmt so etwas? Zum einen natürlich Geld. Für junge Entwickler
die sich als Studenten aus Idealismus in ein solches Projekt stürzen
ist es wirklich schwierig hinterher Gewinn-Modelle zu finden ohne
zentralistische Komponenten einzuführen. Und selbst das Geld aus
Kickstarter-Aktionen ist irgendwann verbraucht, besonders wenn man sich
mit seinen Gehaltsvorstellungen der Peer-Pressure in der Startup-Szene
hingibt.

Zum Anderen klemmt es an der Zerstreuung (sozusagen der *Diaspora*,
haha) an Federation-Protokollen. Mit all den gescheiterten Konzepten von
verteilten sozialen Netzwerken sehen viele kluge und zugleich
unerfahrene Entwickler eine realistische Chance darin, mit einer
weiteren Implementierung zu glänzen. Schließlich ist die technische
Aufgabe in der Theorie nicht fürchterlich schwer. Bei all dem
um-die-Wette Programmieren hält aber kaum jemand inne, um einmal einen
reinen Protokollstandard zu entwerfen. Ganz ohne die negativen
Einflüsse einer ggf. suboptimalen Implementierung, geschweige denn mit
dem Anspruch sich beim Protokollenwurf von Eigenschaften der
Programmiersprache zu lösen.

Flache, einfach zu implementierende Protokolle wie wir sie als HTTP oder
SMTP kennengelernt haben stehen nicht mehr im Geist der Zeit da es nun
für Java-Programmierer einfacher geworden ist JSON-Strukturen durch die
Gegend zu schicken, während Python-Entwickler ihre Daten bbencoden und
wieder Andere sich berufen fühlen die einfachsten Informationen in XML
zu wrappen.

Ein erfolgreicher Versuch ein Austauschprotokoll für soziale Netzwerke
zu schaffen ist mir bekannt: OAuth. OAuth bietet viele Features, die an
sich genügen würden um eine Föderierung zu ermöglichen. Entwickelt
wurde es unter anderem von .... drum roll .... Google und Facebook.
What!? Ach richtig. Auffällig an Oauth ist das Fehlen eines Mechanismus
zur Peer-Discovery. Auf welcher Site ist mein Buddy jetzt? JohnDoe at ...
at was? Da ist kein @ in der ID, keine Möglichkeit den Dienstanbieter
zu einer Person zu finden oder die URI der Protokollschnittstelle zu
ermitteln. Google+ und Facebook können sich externen Seiten gegenüber
trotzdem als Login-Provider präsentieren, kraft ihres Oligopols
brauchen sie ja nur zu dokumentieren wo sie jeweils *ihre*
OAuth-Schnittstellen verfügbar machen. Alle Facebook-Apps und
unzählige weitere Webseiten implementieren OAuth. Für die Seite auf
meinem Homeserver allerdings besteht die Möglichkeit mangels
Peer-Discovery nicht, Föderation adé.

Wir müssen etwas Tun, und wir müssen es besser tun als hunderte von
studierten Entwicklern vor uns!

.... und ich sollte mir vielleicht doch mal ein Blog auf dem FSFE Planet
zulegen...
-- 
Paul Hänsch                        █▉     Jabber: paul at jabber.fsfe.org
Webmaster                        █▉█▉█▉               Support the FSFE
Free Software Foundation Europe    ▉▉    http://fsfe.org/support/?paul
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : nicht verfügbar
Dateityp    : application/pgp-signature
Dateigröße  : 836 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <http://lists.fsfe.org/pipermail/fsfe-de/attachments/20140222/387ee89a/attachment.sig>


Mehr Informationen über die Mailingliste FSFE-de