[FSFE PR][DE] Bundestagswahl: Positionen der Parteien zu Freier Software

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Mi Jul 3 05:21:51 UTC 2013


= Bundestagswahl: Positionen der Parteien zu Freier Software =

[Online lesen: http://fsfe.org/news/2013/news-20130703-01.de.html ]

Die Free Software Foundation Europe veröffentlicht heute ihre Freie-
Software-Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 22. September 2013. Alle
darin aufgeführten Parteien bezogen Stellung zu den Fragen ob
öffentlich finanzierte Software als Freie Software bereitgestellt
werden muss, zur ElsterFormular Software, Kontrolle von Mobilen
Geräten, Secure Boot, gebührenfreier Lizenzierung von Standards,
Werbung für unfreie Software auf Webseiten der öffentlichen Verwaltung
und Softwarepatenten. Erfreulicherweise haben die Parteien ihr Wissen
seit der letzten Bundestagswahl bezüglich Freier Software klar
verbessert.

Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung und Bewertung der
vollständigen Antworten[1] durch die FSFE. Des Weiteren ermutigt die
FSFE Freie-Software-Aktivisten, diese Fragen und Antworten als
Inspiration für eigene Fragen an weitere Kandidaten auf Bundes- wie auch
auf Landesebene zu nehmen.

1. http://fsfe.org/campaigns/askyourcandidates/201309-germany-bundestagswahl.de.html

Erfreulich zunächst: SPD, Grüne, Piraten, Linke und die Freien Wähler
wollen, dass von öffentlicher Hand beauftragte und finanzierte Software
als Freie Software veröffentlicht wird. Die SPD schreibt „von der
öffentlichen Hand finanzierte Software soll, soweit es geht, als Freie
Software auch wieder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.“ Die Grünen
fordern die Veröffentlichung als Freie Software bereits in ihrem
Wahlprogramm (siehe FSFEs Übersichtsseite zu Wahl- und Parteiprogrammen
in Deutschland[2]) und begründen in ihrer Antwort die Forderung nach
Veröffentlichung mit Vorteilen „wie größere und nachhaltigere
Innovationspotentiale, Verbreiterung der Kompetenz im Umgang mit
Software, aber auch sicherheitsrelevante Vorteile.“ Weiterhin
kritisieren sie den Rückschritt weg von Freier Software im Auswärtigen
Amt. Die Piraten und die Linke befürworten beide die generelle
Veröffentlichung aller öffentlich finanzierten Inhalte. Die FDP geht
nicht direkt auf die Frage ein sondern fordert generell „sowohl
proprietäre, als auch Freie Software“ bei Ausschreibungen zu
berücksichtigen.

2. https://wiki.fsfe.org/WahlUndParteiprogrammeDeutschland

Dagegen sieht die CDU „haushaltsrechtliche Hürden“ für die
Veröffentlichung und Weiterentwicklung Freier Software durch die
öffentliche Verwaltung. Dazu verweist sie auf einen Absatz der
Bundeshaushaltsordnung (BHO § 63 Abs. 2). Die Bundesregierung schreibt
jedoch im rechtlichen Begleitdokuments zum Migrationsleitfaden[3]:
Dieser Absatz „stellt also keine Begrenzung für die Weitergabe von
Software dar“ (S. 41) und „[i]m praktisch wichtigsten Fall, der
Fortentwicklung von GPL-Software, darf die Behörde die eigenen
Entwicklungsanteile ohne Erhebung von Lizenzgebühren an Private
weitergeben“ (S. 43). Dagegen sieht der Migrationsleitfaden das Problem
der kostenlosen Weitergabe an Private bei vollständiger Neuentwicklungen
sowie bei Fortentwicklungen von Non-Copyleft- Programmen. Unverständlich
ist, warum die Union die BHO in 8 Jahren Regierungsbeteiligung nicht
geändert hat, wenn sie dieses als Problem sieht. Des Weiteren soll laut
CDU/CSU in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Software „mit
naheliegenden Veränderungen so abgewandelt werden kann, dass sie zu
gesetzlich verbotenen Zwecken eingesetzt werden kann", und wenn dies
zutrifft, soll diese nicht veröffentlicht werden.

3. http://www.cio.bund.de/DE/Architekturen-und-Standards/Migrationsleitfaden-und-Migrationshilfen/migrationsleitfaden_node.html

Die Zurückhaltung der ElsterFormular-Software[4] stößt bei den Parteien
auf Unverständnis, Bedauern und Kritik. Die FDP macht auf die
Plattformunabhängigkeit von der geplanten Version von Elsteronline
aufmerksam, die auf Java verzichten soll. Sie bedauert jedoch, dass das
ElsterFormular nicht plattformunabhängig zugänglich ist. Die Freien
Wähler empfinden die gegebene Plattformabhängigkeit im Hinblick auf die
Systemsicherheit unverständlich. Für die SPD ist die Bindung an einen
Betriebssystemhersteller inakzeptabel, und sie will sich dafür
einsetzen, „entsprechende Software auch für alternative Betriebssysteme
bereitzustellen.“ Die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass auch
Nutzerinnen und Nutzer freier Betriebssysteme das ElsterFormular nutzen
können. Deutliche Kritik kommt von den Linken: „Die Bereitstellung des
Elster-Formulars lediglich für Microsoft Windows und das Zurückhalten
von GNU-Linux- und Mac OS X-Versionen durch das für die Entwicklung von
Elster federführende Bayerische Landesamt für Steuern aus vermeintlich
wirtschaftlichen Erwägungen ist inakzeptabel.“ Die Piraten sprechen sich
außerdem für eine Veröffentlichung der Software und Dokumentation unter
einer Freien Lizenz aus, auch wenn diese qualitativ schlecht wäre, um
zumindest anderen die Möglichkeit einzuräumen, die Software
weiterzuentwicklen.

4. https://blogs.fsfe.org/mk/?p=1031

Alle Parteien sind sich einig: Öffentliche Einrichtungen sollten sich
bei der Beauftragung von Softwareentwicklungen sämtliche Nutzungsrechte
(Zugriff auf den Quellcode, das Recht, die Software selbst oder durch
Dritte weitzuentwickeln, das Recht die Software an andere weiterzugeben)
einräumen lassen. Dazu die FDP: „Das macht unabhängig vom Hersteller und
bietet Planungssicherheit und Freiheit bei der Dienstleisterwahl.“ Die
SPD und die Grünen begründen ihre Forderungen vor allem aus Sicht der
IT-Sicherheit. Laut der Linken soll der Staat „seine Verfügungshoheit
sicherstellen und im Sinne der Allgemeinheit nutzen“. Die CDU will
„einen besonderen Wert darauf legen, dass zukünftig
Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Software von Beginn an
berücksichtigt werden.“ Piraten und Grüne verweisen darauf, dass
staatliche Nutzungsrechte Bedingung sind, um - wie von beiden Parteien
gefordert - Software der öffentlichen Verwaltung unter Freien Lizenzen
zu veröffentlichen. Weiterhin wollen die Freien Wähler über eine
Bestrafung für Beamte und Angestellte nachdenken, die für den Staat
Verträge ohne diesen Nutzungsrechte unterschreiben.

Zur Kontrolle mobiler Geräte befragt, gehen die Parteien primär auf
Datenschutzaspekte ein. Die SPD sieht „insbesondere das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung vor besonderen Herausforderungen.“
Grüne, Linke, Piraten und SPD fordern datenschutzfreundliche Technik als
Grundeinstellung („Datenschutz durch Technik“), wohingegen CDU/CSU, FDP
und Freie Wähler auf eine bessere Aufklärung der Bürger abzielen. Zu der
Frage welche Rechte die Anwender über die Software auf diesen Geräten
haben sollten – eine Frage, die von der FSFE z.B. mit ihrer
FreeYourAndroid.org-Kampagne[5] aufgeworfen wird – treffen die Parteien
jedoch keine Aussagen.

5. http://fsfe.org/campaigns/android/android.de.html

Beim Thema"Secure Boot"[6] sind sich zunächst alle Parteien einig: das
Eckpunktepapier der Bundesregierung[7] enthält wichtige Forderungen, die
sie unterstützen und umsetzen wollen. „Mit der Implementierung von
Secure Boot werden die Eigentümer von IT-Geräten in der Möglichkeit
beschränkt, unabhängig und vollständig die Kontrolle über Inhalte und
Anwendungen auszuüben", so die Linke zur Problembeschreibung. Die FDP
will „sicherstellen dass Nutzer eine informierte Entscheidung über ihre
Geräte treffen können“ und die CDU möchte die Arbeit zu dem Thema auf
nationaler und internationaler Ebene weiter verfolgen. In ihrer
ausführlichen Antwort schreiben die Piraten: „Systeme, die den Nutzer
daran hindern, bestimmte Software zu installieren, sind
wirtschaftspolitisch nicht akzeptabel. Dies führt zwangsläufig zur
Förderung von Oligopolen oder Monopolen im Softwaremarkt. Wichtiger noch
ist aber die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kontrolle über
IT-Systeme [...]“ Die Grünen bezweifeln, wie die Bundesregierung „mit
der großflächigen Bindung an Microsoftdienste“ das Eckpunktepapier
umsetzen will und die SPD fordert eine „Initiative auf europäischer
Ebene [...], damit diese Vorgaben nicht nur eine politische
Willenserklärung bleiben, sondern tatsächlich eingehalten werden."

6. http://fsfe.org/campaigns/generalpurposecomputing/secure-boot-analysis.de.html
7. http://fsfe.org/news/2012/news-20121120-01.de.html

Bis auf die CDU und die Freien Wähler befürworten alle Parteien explizit
die gebührenfreie Lizenzierung von Standards. Die Grünen verweisen auf
ihre Forderung aus der Enquete Kommission „Internet und Digitale
Gesellschaft“ (EIDG)[8], bei der sie die öffentliche Verwaltung zur
Förderung der Interoperabilität und Zukunftsfähigkeit ihrer IT-Systeme
konsequent auf den Einsatz offener Standards verpflichtet will, „um bei
der Weiterentwicklung der Systeme nicht von den Interessen einzelner
Marktteilnehmer abhängig zu sein.“ Kritik an SAGA kommt von den Linken
und den Piraten. Die Linken sehen in restriktions- und
lizenzkostenfreien Spezifikationen keinen Automatismus zur vermehrten
Implementierung in Freier Software. „Hierzu sind der aktive politische
Wille und ein initiatives Handeln der Bundesregierung erforderlich“ so
die Linken. Die Piraten kritisieren, dass ODF in SAGA nur ein
empfohlenes Format sei, was dazu führe, „dass in der Verwaltungspraxis
immer noch unfreie Software und nicht-offene Formate eingesetzt werden
können.“ SAGA verkomme so zu einem „Papiertiger“.

8. http://www.bundestag.de/internetenquete/

Bedauerlicherweise sieht die CDU kein Problem mit Werbung auf Webseiten
der öffentlichen Verwaltung[9] für unfreie Software, solange diese der
Benutzerfreundlichkeit dienen. Die anderen Parteien lehnen diese Art der
Werbung klar ab und wollen diese in der Zukunft unterbinden. Die Grünen
verweisen in ihrer Antwort auf ihre Anfrage „Werbung für proprietäre
Software auf Seiten von Bundesministerien und der öffentlichen
Verwaltung“ (Drucksache 17/8951) in der sie dieses Thema aufgegriffen
hatten und auf die darauf folgende Besprechung des Themas im IT-
Planungsrats. Die Freien Wähler bieten ihre Mithilfe für Lösungen im
Kommunalbereich an.

9. http://fsfe.org/campaigns/pdfreaders/pdfreaders.de.html

Die jahrelange Arbeit gegen Softwarepatente zeigt Wirkung: Inzwischen
sind sich alle Parteien auf Bundesebene beim Thema Softwarepatente
einig, dass die Patentierung von Software effektiv begrenzt werden soll.
Dazu verweisen sie auch auf den interfraktionellen Antrag „Wettbewerb
und Innovationsdynamik im Softwarebereich sichern – Patentierung von
Computerprogrammen effektiv begrenzen"[10].

10. http://fsfe.org/news/2013/news-20130612-01.de.html

Allgemein ist die CDU/CSU dafür, „Serious Games“ (Lernspiele, deren
primäres Ziel es ist, Wissen auf unterhaltsame Weise zu vermitteln) in
Schulen und Universitäten einzusetzen, und überlegt, diese unter freie
Lizenzen zu stellen. Auch die FDP hat Vorhaben im Bildungsbereich: Sie
wollen mehr Kinder an das Programmieren heranführen und bei der
„Anschaffung von neuen Lernmitteln darauf [achten], dass diese
plattformunabhängig eingesetzt werden können.“ Die Freien Wähler wollen
Freie Software im kommunalen Bereich fördern. Die Grünen wollen vor
allem eine konsequente Ausschreibepraxis für von öffentlichen Geldern
finanzierte Software, kritisieren weiterhin Rückschritte wie z.B. im
Auswärtigen Amt[11] und wollen durch Veröffentlichung eigener Software
(„betatext“) mit gutem Beispiel vorrangehen. Die Linke sieht Freie
Software im Kontext der Gemeingüterwirtschaft und denkt z.B. daran,
diese mit einem Teil der Rundfunkbeiträge zu fördern. Die SPD will
primär Freie Software in der Verwaltung fördern und, wie bereits bei den
Sondervoten in der EIDG gefordert, „Födermittel für Usability-Analysen
und die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit bei ausgewählten
Projekten bereit [...] stellen."

11. http://fsfe.org/news/2011/news-20110511-01.de.html

- Andere Wahlbefragungen der Free Software Foundation Europe sowie
  Veröffentlichungen zur letzten Bundestagswahl:

  http://fsfe.org/campaigns/askyourcandidates/askyourcandidates.de.html
  http://fsfe.org/campaigns/btw09/btw09.de.html

- Erwähnung von Freier Software in Wahl- und Parteiprogrammen in
  Deutschland:
  
  http://wiki.fsfe.org/WahlUndParteiprogrammeDeutschland


= Über die Free Software Foundation Europe =

  Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige,
  regierungsunabhängige Organisation, die in vielen Ländern Europas
  aktiv und in vielen globalen Aktionen involviert ist. Der Zugang zu
  Software entscheidet über die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft.
  Um Chancengleichheit im Informationszeitalter und die Freiheit des
  Wettbewerbs sicherzustellen, widmet sich die Free Software Foundation
  Europe (FSFE) der Förderung Freier Software, welche dadurch definiert
  wird, dass sie von jedem Menschen uneingeschränkt benutzt, untersucht,
  verändert und weitergegeben werden kann.  Dies ins öffentliche
  Bewusstsein zu rücken und der Freien Software politische und
  rechtliche Sicherheit zu verschaffen, sind die wichtigsten Ziele der
  FSFE, die 2001 gegründet wurde.

  Weitere Informationen über die Arbeit der FSFE finden Sie auf
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