Koalitionsvertrag - Entwurf Analyse

Max Mehl max.mehl at fsfe.org
Fr Dez 6 12:36:57 UTC 2013


# Fabian Keil <freebsd-listen at fabiankeil.de> [ 06. Dez 2013 @ 12:53 +0100]:
> I cannot read your documents:
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Viele Grüße
Max

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Max Mehl - Free Software Foundation Europe (FSFE)  -  fsfe.org
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-------------- nächster Teil --------------
= Analyse Koalitionsvertrag =

== Einleitung ==
Besser als der alte Entwurf des Koalitionsvertrags
	(TODO: Tatsächlich? Ein Entwurf davor war aber besser als jetzt die finale Version...)
Leider an vielen Stellen nur vage, wenig stark verbindliches, teilweise unklare
Formulierungen. Hier sollte die neue Bundesregierung etwas wagen und sich klar
für offenen Wettbewerb, Sicherheit und Interkompatibilität aussprechen.


== Anschaffung und Implementation ==
    "Bei der Anschaffung von IT-Technologie durch die öffentliche Hand müssen im
    Rahmen des Wirtschaftlichkeitsprinzips Innovationspotenziale und
    Nachhaltigkeit als mitentscheidende Kriterien bedacht werden. Bei
    Ausschreibungen sollen Sicherheitsstandards vorgegeben und wenn möglich
    Open-Source-Lösungen erwogen werden." (S. 152)

Der Koalitionsvertrag möchte Ausschreibungen stärker auf Sicherheitsstandards
und Nachhaltigkeit fokussieren. Es sollen "wenn möglich Open Source Lösungen
erwogen werden".

- Wieso nur wenn möglich? Hier fordern wir die Definition von klaren Regeln, wie
  die Anschaffungen von öffentlich finanzierter Software begründet wird. Wenn
  keine Freie Software ausgewählt wird, muss das klar begründet werden. 
- Es gibt keine eindeutigen Regelungen, wie öffentliche Institutionen auf die
  Forderung, Freie Software zu erwägen, reagieren sollen
- Unsere Forderung: Es muss ein freier Wettbewerb ermöglicht werden,
  Ausschreibungen dürfen keine Bevorzugung für proprietäre enthalten. Sollte
  keine Freie Software verwendet werden, muss klar begründet werden, warum das
  nicht möglich war
- Ausschreibungen müssen klarer definiert werden, mit Steuermitteln bezahlte
  Software muss Freie Software sein [Ist das die Haltung der FSFE? Halte ich für etwas extrem. Kann man vielleicht das "muss" durch "sollte in der Regel" ersetzen und vielleicht noch anfügen - "mit Steuermitteln entwickelte Software muss Freie Software sein"? Oder war mit dem Wort "bezahlte" gemeint, dass die Entwicklung damit bezahlt wird? -  Ja, damit war die Neuentwicklung gemeint, wenn ich das richtig verstanden habe. TODO: Sollte in diesem Fall geändert werden]

== Apps ==
    "Wir fördern die Entwicklung und den Einsatz von bundesweiten Warn- und
    Informationssystemen, mit denen Bürgerinnen und Bürger per SMS, E-Mail oder
    über eine App über Unfälle, Gefahren und Katastrophen informiert werden
    können." (S. 144)

Die Große Koalition möchte die Entwicklung von bundesweiten Warn- und
Informationssystemen vorantreiben, die Bürgerinnen und Bürger per SMS, E-Mail
oder App im Bedarfsfall informiert

- Begrüßenwert, aber wieder zu vage: Da alle Bürgerinnen und Bürger damit
  erreicht werden sollen, muss auch hier festgeschrieben sein, dass es sich bei
  den Systemen um Freie Software handelt, da sonst Inkompatibilitäten mit
  Systemen auftreten können, welche Offene Standards verwenden.
- Eventuelle Apps müssen auch außerhalb der kommerziellen Softwaremärkte wie dem
  Google Play Store oder Apples App Store verfügbar sein, etwa in freien
  Alternativen wie F-Droid. Damit ist niemand gezwungen, sich ein Google- oder
  Apple-Konto anzulegen und Datenschutz ist gewährleistet


== Routerzwang ==
    "Wir wollen eine gesetzliche Klarstellung für den Netzzugang von
    Telekommunikationsanbietern. Nutzerinnen und Nutzer müssen die freie Auswahl
    an Routern behalten. Daher lehnen wir den Routerzwang ab. Die zur Anmeldung
    der Router (TK- Endeinrichtungen) am Netz erforderlichen Zugangsdaten sind
    den Kundinnen und Kunden unaufgefordert mitzuteilen." (S. 49)

CDU, CSU und SPD wollen eine klare gesetzliche Klarstellung für die
Netzzugangsschnittstelle und dabei die freie Auswahl an Routern
gewährleisten. Alle Kunden sollen unaufgefordert ihre Netzzugangsdaten erhalten.
Der Routerzwang wird offen abgelehnt.

- Sehr klare Äußerung in diesem Punkt. Die Koalitionspartner sprechen sich
  deutlich für die Gerätehoheit des Nutzers über seine eigene IT-Infrastruktur
  aus.
- Die Formulierung der Herausgabe der Anmeldedaten beinhaltet nicht explizit
  auch VoIP-Daten. Hier sollte bei der Definition der gesetzlichen Klarstellung
  darauf geachtet werden, alle Verbindungsdaten, die der Provider nutzt, in die
  Herausgabepflicht mit einzuschließen
- Abgeleitet aus dieser Äußerung erwarten wir uns eine ebenso deutliche Stellung
  gegenüber Secure Boot, da es auch hier um freie Auswahl der IT-Geräte und des
  vollen Zugangs darauf geht. CDU und CSU haben in der vorherigen Koalition auch
  Anteil am Eckpunktepapier des Innenministeriums gehabt, in dem dem Verbraucher
  die "vollständige Kontrolle" über seine Infrastruktur zugesprochen wird


== Offene Standards ==

Keine Erwähnung mehr von Offenen Standards (wie in einem Entwurf davor), obwohl
viele Punkte nur durch die Verwendung derselben ermöglicht werden können


== Softwarepatente == 
Verwunderlicherweise werden Softwarepatente nirgendwo erwähnt, obwohl es einen
überparteilichen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE gegen diese gab. Zudem
haben alle Parteien sich in unseren Wahlprüfsteinen gegen diese ausgesprochen.

- Wir erwarten eine klare Linie gegen Softwarepatente, da dies
  Grundvoraussetzung für eine langfristige Strategie für bundesweite Freie Open
  Source Software-Lösungen ist


== Bildung ==
    "Die digitale Lehrmittelfreiheit muss gemeinsam mit den Ländern gestärkt
    werden. Grundlage hierfür ist ein bildungs- und forschungsfreundliches
    Urheberrecht und eine umfassende Open-Access-Politik. Schulbücher und
    Lehrmaterial auch an Hochschulen sollen, soweit möglich, frei zugänglich
    sein, die Verwendung freier Lizenzen und Formate ausgebaut werden." (S. 30)

Die Koalition möchte jeder Schülerin und jedem Schüler ein mobiles Endgerät zur
Verfügung stellen. Dabei soll die Digitalisierung von Lehrinhalten
vorangetrieben werden sowie technische Unabhängigkeit gewährleistet werden.
Zudem soll Lehrmaterial frei verfügbar sein.

- Begrüßenswert. Diese Forderungen können jeweils ausschließlich mit Freier
  Software und unter der Verwendung freier Lizenzen gewährleistet werden.
- Im Gegensatz zu früheren Entwürfen ist nichts mehr vom Angebot von mobilen
  Endgeräten für jede Schülerin und jeden Schüler zu lesen.
- Bei der Bereitstellung von Lehrmaterial muss auf Offene Standards geachtet
  werden, ansonsten findet eine Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern
  statt, welche Freie Systeme einsetzen.


== Datenschutz und Sicherheit ==
    "Voraussetzung für die Akzeptanz elektronischer Behördendienste sind
    Datenschutz und Sicherheit der Kommunikation und Angebote. Die
    Identifizierungsfunktion des neuen Personalausweises und die Nutzung von
    Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen sind grundsätzlich anzuwenden." (S. 152)

    "Die Weiterentwicklung und Verbreitung von Chipkartenlesegeräten,
    Kryptographie, DE-Mail und sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen sowie
    vertrauenswürdiger Hard- und Software gilt es erheblich auszubauen." (S.
    148)

    "Die Bundesbehörden werden verpflichtet, zehn Prozent ihrer IT-Budgets für
    die Sicherheit ihrer Systeme zu verwenden." (S. 148)

Die Koalition spricht sich flächendeckend für Datenschutz und IT-Sicherheit aus

- Auch hier fehlt die logische Schlussfolgerung, dass dies nur unter Verwendung
  Freier Software zu realisieren ist. Proprietäre Lizenzen ermöglichen keinen
  Einblick in die Funktionsweise der verwendeten Programme und Systeme und
  hebeln dadurch jede Sicherheitsstrategie aus.


== Zentralisierung == 
    "Der Bund wird den Ländern vorschlagen, die Programme des E-Governments
    unter Verantwortung des IT-Planungsrates zu konsolidieren und zu
    koordinieren. Dabei sind Technologien nach Möglichkeit langfristig so zu
    planen, dass keine Abhängigkeiten zu intransparenten Protokollen, Software,
    Hardware oder Herstellern entstehen." (S. 152)

    "Um Bürgerdaten besser zu schützen und zu sichern, werden wir die Bündelung
    der IT-Netze des Bundes in einer einheitlichen Plattform „Netze des Bundes“
    anstreben. IT- und TK-Sicherheit wollen wir zusammenführen." (S. 148)


Die Koalition möchte die IT-Netze des Bundes bündeln und zudem die Länder in die
Planung von E-Government-Programmen mit einzubeziehen.

- Das ist für Durchsetzung von Standards förderlich, erfordert aber auch hier
  den flächendeckenden Einsatz von Freier Software und Offenen Standards, damit
  Herstellerabhängigkeit und leichtere Migration ermöglicht wird .

- Jedoch dürfen innovative Pilotprojekte einzelner Behörden dadurch nicht
  verhindert werden. Jede Verwaltung soll die Möglichkeit haben, selbst auf
  alternative, Freie Lösungen umzusteigen.


= Deutschland im internationalen Vergleich =

    "In den nächsten vier Jahren können die Weichen gestellt werden, damit
    Deutschland und Europa eine Führungsrolle bei der konsequenten,
    sozialverträglichen, vertrauenswürdigen und sicheren Digitalisierung der
    Gesellschaft und Wirtschaft einnehmen. Mit einer ausgewogenen
    Digitalisierungspolitik können Zukunftschancen unseres Landes, Potenziale
    für Demokratie und Teilhabe sowie Innovations- und Wettbewerbsfähig
    langfristig gesichert werden. Deutschland wird zu einer echten digitalen
    Gesellschaft." (S. 143)

    "Unser Ziel ist, bei Schlüsseltechnologien und IT-Kernkompetenzen
    (IT-Sicherheit, Netzwerktechnik, Embedded Systems, Prozess- und
    Unternehmenssoftware, Kryptographie, Machine-to-Machine-Kommunikation etc.)
    eigene Technologieplattformen und Produktionslinien in Deutschland bzw. im
    europäischen Verbund zu halten. Als Alternative zu den geschlossenen
    digitalen Ökosystemen unterstützt und fördert der Bund im Software-Bereich
    gerade auch die Entwicklung von offenen Plattformen und Open-Source-Lösungen
    und setzt sich dafür auch auf europäischer Ebene ein. Wir wollen im globalen
    Wettbewerb „Software made in Germany“ als Qualitätsversprechen bzgl.
    Sicherheit, Datenschutz, Design und Nutzerfreundlichkeit stärken. Wir
    unterstützen Prozesse der Standardisierung, Interoperabilität und
    Zertifizierung als wichtige Parameter für den Markterfolg deutscher
    Produkte." (S. 20)


Der Koalitionsvertrag ist eine Steigerung, aber hinkt noch weit im europäischen
Vergleich hinterher mit konsequenten Fortschritten. Die Niederlande, Frankreich,
Schweden, Italien und Spanien passen ihre IT-Strategie mit Erfolg an aktuelle
Entwicklungen an, indem die Verwaltungen auf Freie Software umstellen und in
öffentlichen Ausschreibungen Freie Software und Offene Standards voraussetzen.
Damit fördern diese Staaten auch die lokale Wirtschaft, den Binnenmarkt sowie
heimische Innovationen.

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag dieses klare Bekenntnis
versäumt und läuft mit schwammigen Formulierungen und inkonsequenter Umsetzung
Gefahr, weiter abgehängt zu werden. Daher sollten sich CDU, CSU und SPD in den
nächsten vier Jahren diesem Thema deutlich annehmen und von europäischen
Vorbildern lernen, um Deutschlands Effizienz in der Verwaltung und seinen
IT-Bereich wieder wettbewerbsfähig zu machen.

-------------- nächster Teil --------------
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