Schutz von Geschäftsmodellen (war: Re: Quiz: Wer sagt was - Wahlprüfsteine zu Freier Software)

Thomas Leske thomas.leske at ssv-oeschelbronn.de
Do Mär 22 16:44:17 UTC 2012


Hallo Bernd,

Am 22.03.2012 13:59, schrieb Bernd Wurst:
> Am 22.03.2012 12:27, schrieb Thomas Leske:
>> Der Staat hat nicht die Aufgabe sicherzustellen, dass ein
>> Geschäftsmodell funktioniert.
> 
> Wir leben in einer Marktwirtschaft. Dass der Staat aktiv ein
> Geschäftsmodell am Leben hält ist eigentlich die Ausnahme.

Vielleicht hast du wegen meiner Überschrift das Wörtchen "nicht"
überlesen. Ich bin *gegen* den Schutz Geschäftsmodellen. (Freie Software
ist für sich genommen noch kein Geschäftsmodell.)

Der Staat setzt einen Ordnungsrahmen für die Marktwirtschaft. Er legt z.
B. fest, dass für Produkte eine zweijährige Gewährleistungsfrist gilt.
Darin erkenne ich keine staatliche Bevormundung, weil ich als Käufer im
Laden schlecht ein Gerät zerlegen kann, um nachzusehen, ob dort
minderwertige Kondensatoren verbaut sind.

Eine andere Vorschrift besagt, dass ein Käufer Anspruch auf eine
Bedienungsanleitung hat. Das ist auch sinnvoll, weil der Hersteller
einem sonst später weiß machen würde, seine Bugs wären Features.
Wenn zu Software ebenfalls zwingend der Quelltext angeboten werden
müsste, wäre das eine Vorschrift im selben Geist.

> Die Aufgabe
> des Staates ist es, die Praktiken zu unterbinden die in besonderem Maße
> schädlich für die Gesellschaft sind.
> Und so lange niemand gezwungen wird, bestimmte Produkte einzusetzen sehe
> ich da nicht die erforderlichen Gründe für ein Verbot.

Unfreie Software ist vor allem für die Gesellschaft schädlich und
weniger für den einzelnen Käufer. Ein Nutzer freier Software ändert nur
den geringsten Teil seiner verwendeten Software. Seine persönliche
kurzfristige Freiheit wäre also kaum eingeschränkt, wenn er das meiste
davon durch unfreie Gratis-Software ersetzen würde.

> Ein Unternehmen (spätestens als Aktiengesellschaft) hat eine
> Verantwortung seinen Eigentümern gegenüber. Und die wirtschaftliche
> Pflicht besteht darin mit möglichst geringem Einsatz möglichst hohen
> Gewinn zu erzielen.
> 
> Das hat überhaupt nichts mit staatlich auferlegten Pflichten zu tun
> sondern macht nur deutlich dass es ganz klar diese Bestrebung gibt und
> (in einer Marktwirtschaft) immer geben wird.

Natürlich darf jedes Unternehmen mit freier Software soviel Geld
verdienen, wie es kann.

>> Genaugenommen hat natürlich kein Softwarehersteller ein Monopol. Nur die
>> Markteintrittsschranken liegen sehr hoch. Statt "study and adapt to your
>> needs" heißt es dann "start from scratch".
> 
> Genau. Aber das ist keine Besonderheit der Software-Sparte und
> funktioniert doch in den meisten Wirtschaftsbereichen so. Willst du ein
> Wörterbuch schreiben? Dann musst du vermutlich bei Null anfangen weil du
> nicht auf dem Duden aufbauen darfst.

Ein Autobastler muss beim Tuning aber nicht bei Null anfangen sondern
braucht nur einzelne Bauteile ersetzen. Das GNU-Projekt wäre vielleicht
sogar gescheitert, wenn es nicht die Kommandozeilenprogramme von Unix
eines nach dem anderen, hätte ersetzen können.

> Der Vorteil bei Software gegenüber z.B. dem Maschinenbau ist doch, dass
> du an die elementaren Grundlagen (Programmierkenntnisse) frei
> herankommen kannst und die benötigten Geräte einen überschaubaren Preis
> kosten. Es sind eine große Zahl von Compilern, Programmierumgebungen und
> auch fertige Software-Biliotheken frei verfügbar. Es kann dich niemand
> effektiv daran hindern eine freie Alternative zu jedem gewünschten Stück
> Software zu schreiben.

Im Maschinenbau ist dafür das Reverseengineering viel einfacher. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass es dort Firmen mit einem Marktanteil
vergleichbar zu Apple oder Microsoft gibt; oder ein Anbieter ein
vergleichbares Märchen auftischt, wie das der Integration des Browsers
in das Betriebssystem.

> Gut, ein staatliches Verbot unfreier Software geht für meine Überzeugung
> zu sehr in den Bereich "unrealistischer Kommunismus".

Kommunismus bedeutet, dass der Staat Zwang auf alle Menschen ausübt.
Ein Rechtsstaat nutzt sein Gewaltmonopol nur um zu verhindern, dass ein
Mensch Zwang auf einen anderen ausübt.

Gruß
 Thomas




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