[FSFE PR][DE] Saarland - Nur wenige deutliche Aussagen zu Freier Software / Piraten: Abhängigkeit und restriktive Lizenzen sind "gutes Recht"

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Do Mär 22 06:19:11 UTC 2012


= Saarland - Nur wenige deutliche Aussagen zu Freier Software =

== Piraten: Abhängigkeit und restriktive Lizenzen sind "gutes Recht" ==

[Online lesen: http://fsfe.org/news/2012/news-20120322-01.html ]

Die Free Software Foundation Europe veröffentlicht heute ihre
Freien-Software-Wahlprüfsteine für die Wahl zum Landtag des Saarlandes
am 25. März. Die Parteien konnten Stellung nehmen zu Fragen über die
generelle Förderung von Freier Software, dem Problem der
Herstellerabhängigkeit bei unfreier Software, Offenen Standards, dem
Einsatz von Freier Software in der Bildung, Werbung für unfreie Software
auf Webseiten der öffentlichen Verwaltung sowie zu Softwarepatenten.

Verglichen mit den vielen positiven Antworten auf unsere Wahlprüfsteine
vor der letzten Landtagswahl in Berlin, sind die Positionen der meisten
Parteien im Saarland eine Enttäuschung. Sie reichen zumeist von seicht
bis unverbindlich. Geradezu schockierend wirkt jedoch die Position der
Saarländer Piratenpartei. In ihrer Antwort bezeichnet sie die Schaffung
von Abhängigkeiten und restriktiven Lizensierungen als "das gute Recht"
proprietärer Softwareunternehmen. 

== Einige Ergebnisse der Befragung ==

Die *CDU* Saarland hebt sich positiv von anderen Landesverbänden der
eigenen Partei ab. Zwar sind die meisten Antworten leider abweisend,
doch immerhin bleiben sie - im Gegensatz zu anderen Landesverbände der
CDU - beim Thema und lässt erkennen, dass sie sich mit den Fragen
beschäftigt hat. Die Aufzählung von Unix und AIX in einem Zug mit
GNU/Linux als Antwort auf eine Frage nach offenen Standards zeigt
allerdings, dass noch viel Nachholbedarf besteht. Aber zumindest scheint
im Saarland ein Landesverband der CDU im digitalen Zeitalter angekommen
zu sein.

Die Aussagen der *FDP* wirken sind insgesamt unverbindlich und reichen
von verhalten positiv bis vorsichtig negativ. Bestehende Monopole sind
"grundsätzlich nicht im Interesse der FDP" und sie wollen zudem
Marktbeschränkungen für Freie Software beseitigen. Wie dies insbesondere
mit ihrer verhaltenen Position zu Offenen Standards in Einklang zu
bringen ist, bleibt allerdings unklar.

Im Vergleich zu anderen Landesverbänden der *Grünen* ist die Position
der saarländischen Grünen eher durchschnittlich: Zwar sind die Antworten
fast durchgehend positiv zu bewerten - sie sind aber leider auch
unkonkret. Es entsteht der Eindruck, als wüssten die Grünen im Saarland
zwar, dass Freie Software etwas Gutes und Unterstützenswertes ist. Doch
tatsächlich scheinen sie sich nur oberflächlich, mit dem Thema
auseinandergesetzt zu haben.

Die Positionen der *Linken* sind ebenfalls durchgehend positiv und
lassen auch erkennen, dass sie sich mit dem Thema Freie Software
beschäftigt haben. Beispielsweise verweist die Linke explizit auf "die
soziale Komponente" Freier Software. Manche Antworten bleiben dennoch
oberflächlich und im Allgemeinen wird der Kostenaspekt Freier Software
an erster Stelle genannt - ohne auf die anderen wirtschaftlichen,
politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge weiter einzugehen. Im
Vergleich zu ihren anderen Landesverbänden schneiden die Linken im
Saarland daher eher mittelmäßig ab.

Die große Überraschung im Saarland ist die *Piratenpartei*, deren
Antworten bei der FSFE starkes Kopfschütteln ausgelöst haben. Bisher
hatten die Landesverbände der Piratenpartei meist mit einer starken
Befürwortung Freier Software geglänzt. Dieses Ziel wurde sogar im
Grundsatzprogramm der Partei [1] beschlossen: "Wir setzen uns für die
Förderung von Software ein, die von allen uneingeschränkt benutzt,
untersucht, verbreitet und verändert werden kann."

Bei der ersten Frage unserer Wahlprüfsteine möchte auch die
Piratenpartei des Saarlandes noch feststellen, dass die "Piratenpartei
DIE politische Kraft darstellt, die das Konzept „freier Software“ am
meisten vorantreiben möchte." Doch auf die Frage, ob die Piratenpartei
etwas gegen die Dienstleistungsmonopole unfreier Software zu tun
gedenkt, antwortet sie:

  "Es ist das gute Recht, dass bei unfreier Software der Hersteller das
  Monopol besitzen darf, das eigene Produkt vor Manipulation zu
  schützen. [...] Es kann nicht das Ziel sein, unfreie Software komplett
  abzuschaffen, indem man politisch darauf Druck ausübt." 

Diese Antwort stellt selbst frühere Aussagen von CDU und FDP in den
Schatten und erweckt den Anschein, dass die Saarländer Piraten auch im
Widerspruch zu anderen Punkten ihres eigenen Grundsatzprogramms Politik
machen wollen. "Das klingt gerade so, als ob die Piratenpartei im
Saarland Formulierungen von Verwertungsgesellschaften und großen
IT-Konzernen übernommen hat", so Matthias Kirschner,
Deutschlandkoordinator der FSFE. Dabei sind die "Piraten" seinerzeit mit
dem Ziel angetreten, das Urheberrecht zu reformieren. Die Piratenpartei
Saarland hingegen scheint sich für das "Recht" von Rechtverwertern stark
zu machen, Nutzern restriktive Lizenzen aufzudrücken. Deshalb fragt sich
Kirschner weiter: "Haben sich die Piraten um eine Woche vertan und das
ist ein schlechter Aprilscherz, oder ist die Lobby von Microsoft, SAP
und anderen jetzt auch bei der Piratenpartei angekommen?"

Positiv hebt sich schließlich im Saarland noch die *SPD* hervor: Wie
auch in vielen anderen Bundesländern, sind die Aussagen durchgehend
positiv; doch mehr als die anderen Parteikollegen noch, zeigt die
saarländische SPD, dass sie sich mit dem Thema beschäftigt hat und kann
darauf ihre Positionen aufbauen. Leider verbleiben die Zusagen jedoch
äußerst unspezifisch und damit auch unverbindlich.

  1. https://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Freie_demokratisch_kontrollierte_technische_Infrastruktur


== Verweise ==

- Die FSFE Wahlprüfsteine der Wahl zum Landtag des Saarlandes
  https://fsfe.org/campaigns/ayc/201203-germany-saarland.de.html
  - Wahlprüfsteine vergangener Wahlen: 
  - Berlin https://fsfe.org/campaigns/ayc/201109-germany-berlin.de.html
  - Bremen https://fsfe.org/campaigns/ayc/201105-germany-bremen.de.html
  - Rheinland Pfalz
    https://fsfe.org/campaigns/ayc/201103-germany-rheinland-pfalz.de.html
  - Baden Württemberg
    https://fsfe.org/campaigns/ayc/201103-germany-baden-wuerttemberg.de.html
  - Sachsen Anhalt
    https://fsfe.org/campaigns/ayc/201103-germany-sachsen-anhalt.de.html


== Über die Free Software Foundation Europe ==

  Die Free Software Foundation Europe (FSFE) ist eine gemeinnützige,
  regierungsunabhängige Organisation, die in vielen Ländern Europas
  aktiv und in vielen globalen Aktionen involviert ist. Der Zugang zu
  Software entscheidet über die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft.
  Um Chancengleichheit im Informationszeitalter und die Freiheit des
  Wettbewerbs sicherzustellen, widmet sich die Free Software Foundation
  Europe (FSFE) der Förderung Freier Software, welche dadurch definiert
  wird, dass sie von jedem Menschen uneingeschränkt benutzt, untersucht,
  verändert und weitergegeben werden kann.  Dies ins öffentliche
  Bewusstsein zu rücken und der Freien Software politische und
  rechtliche Sicherheit zu verschaffen, sind die wichtigsten Ziele der
  FSFE, die 2001 gegründet wurde.

  Weitere Informationen über die Arbeit der FSFE finden Sie auf
  http://fsfe.org/

  Kontakt: Matthias Kirschner, Free Software Foundation Europe,
  Linienstr. 141, 10115 Berlin, t +49-30-27595290, m +49-1577-1780003
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