"Warum ich keine Linux-PCs verkaufe" auf heise.de

Bernd Wurst bernd at bwurst.org
Do Feb 23 16:21:33 UTC 2012


Hallo.

Am 23.02.2012 16:11, schrieb Michael Kesper:
> Auf http://heise.de/-1436957 macht sich Thorsten Leemhuis Gedanken, warum
> es so wenig Anbieter von PCs mit vorinstalliertem GNU/Linux gibt.
> Ich muss leider sagen, dass mir viele von ihm genannte Punkte einleuchten
> und würde gerne von jemandem hören, der solche PCs verreibt, wieso Herr
> Leemhuis doch falsch liegt. :)

Ich vertreibe keine solchen PCs, habe aber mit dem Anwendersupport zu
tun und ich denke Herr Leemhuis steigert sich da in ein nebensächliches
Problem hinein.


Im Prinzip läuft es ja so:
Als 08/15-Händler lege ich Windows bei, das ist "das normale". Niemand
wird mir als Händler Fehler in Windows vorwerfen. Der Kunde weiß, dass
er spätestens 4 Wochen nach Kauf gleich noch einen Korb voll
buntbebilderter "Fach"zeitschriften kaufen muss um die ganzen
Windows-Nervigkeiten in den Griff zu bekommen. Das alles lastet niemand
dem Händler an. Denn der hat sich ja "normal" verhalten.
Auch bei der (mitgelieferten) Hardware leuchtet im System-Tray das
Realtek-Icon neben dem ATI-Icon und damit ist der Händler aus der Nummer
draußen.

Zumindest in meinem Umfeld gibt es niemanden, der jemals eine
Händler-Hotline wegen eines Software-Problems angerufen hätte.


Andersrum ist die Welt allerdings eine andere: Liefert der Händler Linux
mit, dann muss er das gut begründen und mit allen Konsequenzen dazu
stehen. Da wird eine Vielzahl von Kunden plötzlich hellhörig. Da ist
"was anderes" installiert. Da wird geprüft und gesucht. Das andere ist
ja zunächst immer erstmal schlechter und wenn man sucht findet man
schnell Nachteile oder Dinge die nicht so sind wie man es seöbst
erwartet hätte.
Dann sitzt man schon fluchend zu Hause, der Gedanke lautet "warum macht
der Händler dieses Sch$"!-System drauf wenn das doch diese und jede
Fehler hat. Der Griff zum Telefon um den Händler damit zu konfrontieren
ist nicht weit. Das sind dann auch Probleme die sich nicht über eine
Support-Hotline lösen lassen. Der Kunde ist verärgert.


Das alles hat nicht primär etwas mit der Qualität von Software zu tun.
Auch die Support-Zyklen und Treiber-Verfügbarkeit ist bestimmt nicht der
ausschlaggebende Grund, wir reden ja nicht von Gamer-PCs sondern von
08/15-Bürorechnern bzw. Heim-Surfstationen. (Auf gefühlten 95% aller
derartigen Neurechner kann man ein aktuelles Ubuntu installieren und
ohne manuelle Korrekturen nutzen.)

Das Problem liegt meiner Einschätzung nach zum allergrößten Teil in der
Erwartungshaltung von Kunden oder deren "technischen Beratern". Es ist
einfach so dass es keine unvoreingenommenen Leute mehr gibt. Der
überwiegende Teil derer, die sich einen neuen Rechner kaufen haben
entweder eigene (Windows-)Erfahrungen oder nehmen zum Computerkauf den
Sohn des Nachbarn mit weil der da Ahnung hat.


Dieser Aspekt ließe sich nur lösen, wenn eine kritische Masse an Kunden
bereits damit rechnet, dass man die Software aussuchen kann. Wenn also
genügend Leute begreifen dass ein Computer auch ohne Windows
funktionieren kann und dass es wirklich andere Systeme gibt. Denn sobald
jemand aufgeschlossen an das Thema herangeht und bei vermeintlichen
Fehlern wenigstens einen kurzen Moment positiv gestimmt bleibt
("vielleicht kann man das ja anders machen"), dann werden auch einige
positive Dinge auffallen. Momentan ist das aber nicht so, einen
einfachen Anwender mit einem Linux-System auszurüsten erfordert lange
Vorträge, Diskussionen, manchmal sogar Schwarzmalerei was proprietäre
Software bzw. ein Software-Monopol für Gefahren birgt.
Ich biete Linux-Systeme gerne an, habe auch sehr zufriedene Kunden
damit, würde aber niemanden dazu raten das anonym "in a box" zu
verkaufen, da das nicht klappen kann. Man braucht für diese Aktion einen
persönlichen Dialog.


Davon ab: Die Leute, die ein vorinstalliertes Linux-System akzeptieren
würden, auf die das geschilderte Problem also nicht zutrifft, die
überstehen auch ein Upgrade. Aber die brauchen auch gar kein
vorinstalliertes Linux sondern deren erster Schritt mit dem neuen
Rechner ist es, die Install-CD in das Laufwerk zu schieben. Von daher
ist es herzlich egal was genau darauf läuft und die manchmal angebotenen
FreeDOS-Rechner bedienen diese Anforderung.

Gruß, Bernd


-------------- nächster Teil --------------
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