Web-Anwendungen unter welcher GNU-Lizenz?

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Di Sep 20 00:22:45 UTC 2011


Torsten Grote schrieb:
> On Monday 19 September 2011 22:14:39 Roland Häder wrote:
> > Ist es mit der GNU Affero GPL vereinbar, dass ein freies Script per
> > HTTP-Anfrage (GET/POST) auf eine API zugreift, die ihrerselbst ein
> > prorpritaeres Script ist? Und wie sieht das bei der GPL aus?

Ich verstehe nicht ganz, wieso der Client (das "freie Script")
unter AGPL stehen sollte. Da reicht auch die GPL. Die AGPL wäre
eher für die serverseitige Software interessant, aber die wurde
hier ja als proprietär beschrieben.

Wie auch immer, das ganze ist eine reine GPL-Frage, die AGPL
ist in diesem Punkt identisch mit der GPL. Für die Entscheidung
GPL vs. AGPL spielt das somit keine Rolle.

> Ich bin kein Anwalt, aber ich denke, das ist in beiden Faellen kein Problem.

Vorsicht! Das hängt sehr stark von den Umständen ab.

Positiv-Beispiel: Auf dem Server läuft eine proprietäre
Web-Applikation, und der Client ist ein Browser, der eine
GPL-Library verwendet. Dann muss der Browser selbstverständlich
unter GPL stehen, aber die Web-Applikation ist davon nicht
betroffen.

Negativ-Beispiel: Der Client ist eine Software, die eine
GPL-Library verwendet, aber zugleich auch aus proprietärem
Code bestehen soll. Die GPL verbietet das natürlich, genau
sowas will sie ja verhindern! Also versucht man das zu
umgehen, indem man den proprietären Code hinter einem
Netzwerkdienst "versteckt". Dessen API ist in keiner Weise
standardisiert, und dient lediglich zur "Legalisierung" des
proprietäeren Bestandteils. In diesem Fall sollten wir
hoffen, dass ein Richter diesen plumpen Versuch durchschaut
und entsprechend zugunsten der GPL-Software urteilt.

Anders gesagt: Diese Frage kann man nicht technisch beantworten.
Es geht nicht darum, ob der proprietäre Code als Library,
Kommandozeilentool oder Netzwerkdienst angesprochen wird.
Es geht nur darum, ob Client und Server zusammen eine Einheit
bilden oder nicht. Muss man sie als eine Software betrachten?
Oder gibt es eine klare Trennung zwischen beiden? Ist die
Trennung nur technisch, oder auch inhaltlich vorhanden?

Falls du wirklich auf solch einen solchen Grenzfall stößt,
würde ich dir empfehlen, dich an die FTF (Freedom Task Force)
der FSFE zu wenden. Ich hatte vor einiger Zeit ein ganz
ähnliches Problem und habe dort eine sehr nützliche und
gut verständliche Antwort erhalten. [1]


Gruß
Volker


[1] Wichtiger Hinweis: Du solltest die Leute auf jeden Fall
    in englischer Sprache anschreiben! Das erhöht sowohl die
    Geschwindigkeit als auch die Qualität der Antwort.

    Webseite: http://fsfe.org/projects/ftf/ftf.de.html
    E-Mail:   legal at fsfeurope.org

-- 
Volker Grabsch
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