Zensur? Nee (Ist: OpenPGP Zertifikatsserver)

Bernhard Reiter reiter at fsfeurope.org
Fr Mai 27 12:54:59 UTC 2011


Werner, Michael, Martin,

Am Mittwoch, 25. Mai 2011 11:52:39 schrieb Martin Gollowitzer:
> wk> Ursprünglich ging es hier um eine Verbesserung der FSFE Repudation;
> wk> mit Deinem Vorschlag kannst Du die FSFE dann aber auch gleich begraben.
> wk> Sorry, mit Zensur kannst Du mir nicht kommen.  Wenn da Unfug getrieben
> wk> wird, dann ist das eben so; immer noch besser als ein weiteres 
> wk> Zensursystem zu installieren.
>
> Ich kann Dir nur zustimmen.

Eurer vereinfachtes Verständniss von Zensur erschreckt mich!

Ihr würdet tatsächlich einen demokratischen, rechtsstaatlichen Schutz der 
Rechte Einzelner aufgeben, damit Kriminelle stark illegale Inhalte 
weiterverbreiten können?
Nein, klar, würdet Ihr nicht, aber das würde es bedeuten, 
wenn Ihr fordert Inhalte dürften nicht durch Gerichte und Exekutive von 
öffentliche Stellen entfernt werden und die Software nicht so angepasst, dass 
ein Betreiber eines Angebots einem Gerichtsurteil nachkommen könnte.

Es gibt Inhalte, welche menschenverachtend sind und Leib und Leben 
anderer Personen betreffen. Beispielsweise ein konkreter Aufruf zum Verletzen
einer unliebsamen Person mit dessen Adressdaten. Natürlich muss ein moderner 
demokratischer Rechtsstaat die körperliche Unversehrheit schützen und ggf. 
diesen konkreten Aufruf im Einzelfall entfernen, über den nachvollziehbaren 
Rechtsweg. Davon ist bereits jetzt jeder Webseiten- oder Forumsanbieter 
betroffen.

===
http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=KZM09M
Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 4., aktual. Aufl. 
Bonn: Dietz 2006

Zensur
(lat.) Z. bezeichnet die in modernen Demokratien strikt abgelehnte 
(politische) Kontrolle öffentlich geäußerter Meinungen (in Presse, Funk und 
Fernsehen, aber auch im Bereich der Literatur, Kunst etc.). Die Ausübung der 
Z. wird in un- oder vordemokratischen Ländern durch neue Medien 
(Satellitenfunk, -fernsehen, Internet) erschwert. 
...
Meinungsfreiheit
[..] Einschränkungen der M. ergeben sich aus den Vorschriften der allgemeinen 
Gesetze, dem Jugendschutz und dem Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 
GG). 
===

Ein Gericht in einem modernen demokratischen Rechtsstaat wird das Grundrecht 
auf körperliche Unversehrheit im Zweifel höher bewerten, als das Grundrecht 
auf Meinungsfreiheit.

> ms> Also sollte sich die FSFE eher darauf konzentrieren, Strukturen zu
> ms> entwerfen und/oder zu unterstützen bzw. zu fördern, die zensurresistent 
> ms> sind. 

Zensurresistent gern, aber nicht rechtsfrei. :)
Und gern auch mit niedrigem Missbrauchspotential durch Großunternehmen,
also einem effektiven Datenschutz.

Mein Vorschlag war:
Das Einbauen einer technischen Funktion, so dass bestimmte einzelne
Zertifikate nicht mehr auf meinem Server gespeichert oder angeboten werden.
Es geht dabei um die Zusatzinformationen, wie der Text und die Fotos in den 
UIDs. Die Liste bestände vielleicht aus Fingerabdrücken und einer optionalen 
Begründung und die Liste selbst könnte sogar veröffentlich werden, wieder 
optional.

Dann kann jeder Server-Betreiber sich entscheiden, ob er bei seinem eigenen 
Server bestimmte Zertifikate nicht mehr serviert oder nicht Wer möchte, läßt 
dann seine Nazis, harte Pornografie , Warez und persönliche Daten von 
Einzelpersonen drauf. Wer nicht, der nicht und vielleicht auch nicht die von 
katholischen Priestern. Dass jemand die technische Wahl dazu hat, bedeutet 
nicht, dass hier Zensur im obigen gefördert würde.  

> Das sehe ich genauso. Wo Zensur anfängt, hat die Freiheit schon
> verloren. Wenn die FSFE zensurfördernde Maßnahmen unterstützen würde,
> dann hieße sie ja BSA und würde DRM und Co. fördern.

Das Betreiben eines Zertifikatsservers mit der Möglichkeit auf Anfragen
von Gerichten oder Menschen nach Bundesdatenschutz zu reagieren,
scheint mir keine zensurfördernde Maßnahme zu sein. Im Gegenteil, es würde 
wohl mehr Leuten erlauben einen Zertifikatsserver zu betreiben, der wieder zu 
mehr einer verschlüsselten, unzensierten Kommunikation führen kann.
Der Unterschied zwischen öffentlichem Server und persönlicher Kommunikation
ist hier wichtig.

> ms> Auch solche Systeme sind missbrauchbar, durch Spam, Mobbing, üble
> ms> Nachrede, Betrug etc., aber dieser Missbrauch ist nicht mit technischen 
> ms> Maßnahmen beschränkbar (dann wieder Zensur) und darf erst recht nicht 
> ms> als Argument gegen derartige Systeme ins Feld geführt werden, sondern 
> ms> ist ein soziales Phänomen und mit sozialen Mitteln zu bekämpfen.

> Wenn ich alle Systeme, die missbraucht werden können einschränken würde,
> dürfte es keine Demokratie geben. Die kann ja bekanntlich auch dafür
> eingesetzt werden, Menschen an die Macht zu bringen, die Völkermord
> betreiben…

Keiner hat von einer solchen "technischen Maßnahme" oder einer "Einschränkung"
von OpenPGP Zertifikatsservern gesprochen. 

Die Änderung der Zertifikatssoftware, gäbe dem Serverbetreiber die Wahl, ob er 
seinen Software leicht nach den Gesetzen Deutschlands betreiben kann, oder 
nicht. Wer die Gesetze oder Urteile suboptimal findet, kann sich dagegen 
wehren oder seinen Server eben woanders betreiben. Die Möglichkeit eines 
Betriebs aber, der klar illegale Inhalte leicht wegnehmen oder berechtigen 
Anfragen nach dem Bundesdatenschutz nachkommen kann, scheint mir doch recht 
wichtig und sinnvoll zu sein.

Gruß,
Bernhard
-- 
FSFE -- Stellv. Deutschlandkoordinator           (fsfe.org)
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