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theo.schmidt at wilhelmtux.ch theo.schmidt at wilhelmtux.ch
Mo Mai 23 09:22:18 UTC 2011


Am 19.05.2011 13:45, schrieb olafBuddenhagen at gmx.net:
...
> Nun, ich persönlich finde alle grafischen Oberflächen, mit denen ich es
> bisher zu tun hatte, absolut gesehen ziemlich Scheiße.
>
> (Weshalb ich überwiegend Kommandozeilen- und Konsolen-Programme
> verwende...)

Ich denke das stimmt, aber die meisten Leute inklusive mir haben immer 
noch den Anspruch, irgend etwas noch so komplexes verwenden zu können, 
ohne "die Betriebsanleitung zu lesen" geschweige denn einen Kurs zu 
besuchen. Sie erwarten also ein intuitiv benutzbares UI, auch wenn es 
das nicht wirklich gibt.

...
> Damit sind wir auch schon bei einem weiteren wesentlichen Punkt: Die
> Umstellung auf einen freien Desktop ist objektiv gar nicht schwerer, als
> die Umstellung auf eine neuere Windows-Version. (Auch das wurde vor
> Jahren in einer Studie gezeigt.) Die Gründe, wieso Nutzer sich
> wesentlich mehr dagegen wehren, sind rein psychologischer Natur.
> (Solange das System genauso heißt, nehmen sie implizit an, dass es
> weniger Änderungen gibt. Außerdem sehen sie es als etwas
> Unausweichliches -- während ein Umstieg auf freie Software eine bewusste
> Entscheidung ist.)

Einverstanden. Jedoch tun sich die Leute genau deshalb offenbar weniger 
schwer mit einem Umstieg z.B. WindowsXP zu Vista oder MS Office 2003 zu 
2010, als bei kleineren Änderungen bei einem freien Programme.

...
> Das stimmt zwar grundsätzlich; aber die Ursachen liegen in den
> allermeisten Fällen nicht bei der Qualität der Software (und deren UIs),
> sondern sind ganz wo anders zu suchen: Wenn man von der Umgewöhnung (und
> den damit verbundenen Ängsten) absieht, liegen die Hauptprobleme bei
> mangelnder Unterstützung für undokumentierte Hardware und unfreie
> Dateiformate; sowie einer geringeren Anzahl von Leuten, die Support
> leisten können.

Stimmt. Jedoch auch ohne dies: Ich mache gerade selber einen 
Upgrade/Crossgrade von Kubuntu 8.04/KDE3.5/LTSP4.2 auf einem alten PC 
auf OpenSuse 11.4/KDE4/LTSP5 auf einem performanten Server mit, 
durchgeführt von einem verständnisvollen kompetenten Profi. Es ist 
abgesehen vom Multimedia-Zeug ein Rückschritt, Bugs auf allen Ebenen, 
weniger Perfomance, gravierende Usability Fehler, ein ziemlicher Verlust 
von Arbeitszeit mit hoher Kostenfolge, wenn man jede Stunde bewerten 
würde. Ich nehme an bei Win oder Mac wäre es noch schlimmer, aber da hat 
man eben weniger Wahl. Jetzt stehe ich z.B. vor Entscheidungen wie: soll 
ich die Langsamkeit von KDE4 und LTSP5 erdulden, oder zu Gnome und/oder 
LTSP4 wechslen? Einerseits ist es schön, diese Freiheit zu haben, aber 
sie kostet eben mehr, als wenn der Supporter einfach sagt: "Sie bekommen 
Windows7 plus Programme XY und etwas anderes gibt es hier nicht!"


>> Nur solche die sich aus politischer Überzeugen oder technischem
>> Interesse die Mühe nehmen.
>
> Das stimmt nicht wirklich: Es ist nach meiner Erfahrung (leider) immer
> noch so, dass ein Großteil den Umstieg wagt, um den Stabilitäts- und
> Malware-Problemen von Windows zu entkommen....

Ich kann hier nur für mich selbst sprechen. Ich hatte abgesehen von Spam 
noch nie (bewusst) irgendein Security Problem und beschäftige mich 
praktisch nie damit. Die Stabiltät und Malware-Resistenz von Linux ist 
für mich deshalb selbstverständlich, bis etwas passiert. Hingegen sind 
die Usability-Probleme insebesondere der GUIs und Anwendungen (vor allem 
bei Upgrades) für mich dermassen nervend, dass ich sie ohne eine 
politische/philosophische Motivation wohl nicht erdulden würde und mir 
von Win oder Mac subjektiv Besserung versprechen würde - ob das nun 
objektiv stimmt oder nicht. Ich kann deshalb jetzt etwas besser 
verstehen, weshalb Projekte in diversen öffentlichen Stellen schief 
gingen: die kleinen Probleme werden viel wichtiger genommen als die 
grundlegende Funktionalität, die als selbstverständlich gilt.

Viele Grüsse, Theo Schmidt







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