Freie Software im Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Mai 1 13:33:45 UTC 2011


Florian Weimer schrieb:
> * RA Stehmann:
> 
> > "Cloud Computing" und "Open-Source Software" als unterstützenswürdig in
> > einem Atemzug
> 
> "Open Source" mag Probleme mit Cloud Computing haben. Bei freier
> Software ist das aber nicht der Fall:

Ähhm, in diesem Kontext sind Freie Software und Open Source gleich-
bedeutend, da sie sich auf die exakt gleichen Lizenzen beziehen.

Außerdem muss man beim Begriff "Cloud Computing" aufpassen, was man
damit meint.

a)  Rein technisch geht es darum, Dienste besser zu virtualisieren
    und leichter zwischen realer Hardware hin- und herschieben zu können.
    Das ist an sich eine sinnvolle Sache. Was hier kritisiert wird, ist
    nicht das Prinzip, sondern die derzeitige Umsetzung: Die Infrastruktur
    besteht zum Großteil aus proprietärer Software, abgesehen von lobenswerten
    Ausnahmen wie OpenStack. [1]  Darüberhinaus gibt es keine Standards,
    sodass man seinen Cloud-Anbieter nicht ohne weiteres wechseln kann
    (vendor lock-in). Und dem Nutzer wird nicht transparent gemacht bzw.
    eine Einflussmöglichkeit darauf gegeben, auf welchen Rechenzentren der
    Welt seine Applikation letztendlich läuft. Das sind aber alles keine
    prinzipiellen Probleme. Man kann es auch "ordentlich" machen, und im
    kleinen Rahmen passiert das auch schon.

b)  Im täglichen Sprachgebrauch hat sich die Bedeutung von "Cloud Computing"
    gewandelt. Da taucht es als einfaches Synonym für "Webdienste statt
    Desktop-Applikationen" auf. Beispiele sind DropBox, Facebook und Twitter. [2]
    Hier geht es nicht um technische Probleme, sondern um die prinzipielle
    Problematik der Webdienste. Selbst wenn die Freie Software sind, hat
    der Anwender keine Möglichkeit, seine Rechte wahrzunehmen. Dieses Problem
    ist sehr alt und lange bekannt (Stichwort Mainframes).

    Nicht umsonst wird den Entwicklern Freier Webapplikationen ständig
    empfohlen, doch bitte die AGPL statt der GPL zu nehmen. Im Zuge der
    GPLv3 wurde auch eine verbesserte AGPLv3 geschaffen, es wurde
    maximal mögliche Kompatibilität gewahrt. Dennoch machen die Freien
    Webapplikationen davon immer noch keinen Gebrauch. Warum das so ist,
    weiß niemand so recht.


> | You may convey covered works to others for the sole purpose of
> | having them [...] provide you with facilities for running those
> | works, provided that you comply with the terms of this License in
> | conveying all material for which you do not control copyright.
> | Those thus [...] running the covered works for you must do so
> | exclusively on your behalf, under your direction and control, on
> | terms that prohibit them from making any copies of your copyrighted
> | material outside their relationship with you.
> 
> Das ist der Passus aus der GPL, Version 3, der ausdrücklich gestattet,
> GPL-Programme "in the cloud" auszuführen, sogar wenn sie mit
> proprietären Änderungen versehen sind. Ich finde diese Klausel
> reichlich überraschend.

Wieso? Das ist doch nur konsequent. Die GPL erlaubt es seit je her,
die Software für eigene Zwecke anzupassen, ohne irgendwelche Bedingungen.
Die Bedingungen greifen erst, wenn man diese angepasste Software an
andere weiter gibt.

Und ja, das ist für Web-Applikationen eigentlich zu wenig. Dafür
gibt es wiegesagt die AGPLv3.


Gruß
Volker


[1] http://www.openstack.org/

[2] Dies ist eigentlich absurd, da gerade diese Dienste ihre eigenen
    Rechenzentren haben und damit nicht wirklich in der "Cloud" im
    ursprünglichen Sinne liegen.

-- 
Volker Grabsch
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