Definition "Freie-Software-Firma" | war: Re: Freie Software Firmen auf Liste finden

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Jan 23 17:52:22 UTC 2011


micu schrieb:
> Am Montag, 17. Januar 2011, 10:32:18 schrieb Matthias Kirschner:
> > Will hier jemand dabei helfen herauszufinden, welches davon
> > Freie-Software-Unternehmen sind?
[...]
> Allerdings sehe ich bei deiner Aufgabe gerade die Schwierigkeit, 
> halbwegs klare Kriterien zu finden, was man eigentlich unter einer 
> "Freie-Software-Firma" versteht:
[...]
>     * Die Firma einwickelt *ausschließlich* freie Software
>    => Solche Firmen wird es kaum geben bzw. das schränkt den Begriff 
>       imho auch zu weit ein.

Ich denke dennoch, dass diese harte Einschränkung der Idee sehr
nahe kommt. Immerhin ist genau das doch die Grundidee von Stallman.

Dennoch denke ich, dass man den Begriff weiter fassen sollte,
allerdings in eine andere Richtung. Es sollte nicht um Dinge
gehen wie "10% proprietäre SW-Entwicklung ist noch okay",
sondern es sollte darum gehen, wo genau proprietäre Entwicklung
stattfindet.

Zum Beispiel könnte man Spielefirmen außen vor lassen, da es
bei Computerspielen weder eine gesellschaftliche Notwendigkeit,
noch ein funktionierendes Entwicklungsmodell für komplett Freie
Software gibt. Schließlich dienen Spiele der Unterhaltung, sie
sind keine wichtigen Alltags-Werkzeuge.

Doch so absolut kann man das auch nicht sagen, denn es gibt ja
Computerspiele, die zugleich hervorragende Simulationswerkzeuge
darstellen. Allerdings geht gerade bei diesen Kernkomponenten
(den sog. Engines) ja auch ein Trend in Richtung freier Software.

Daher könnte man überlegen, ob es bei Computerspiele-Firmen im
Sinne der Definition okay ist, wenn lediglich die Engine frei
ist, und der Rest proprietär.

Weiterhin gibt es Firmen, die Software nicht als Massenprodukt
sondern als Spezialanfertigung vertreiben. In dem entsprechenden
Werkvertrag ist oft eine Abtretung der Verwertungsrechte der
Software an den Kunden vorgesehen. In solch einem Fall hat die
Softwarefirma gar keinen Einfluss auf die Lizensierung, sondern
es obliegt dem Kunden, was er daraus macht - freie oder proprietäre
Software.

Hier könnte man überlegen, ob es im Sinne der Definition ist,
wenn nur der Teil der produzierten Software frei ist, dessen
Verwertungsrechte voll bei der Softwarefirma liegen.

Umgekehrt gibt es auch Fälle, in denen die Definition vielleicht
eingeengt werden sollte.

Zum Beispiel, wenn die Firma ein Dual-Licensing-Modell fährt.
Dann ist zwar alle Software, die sie produziert, frei. Dennoch
bezieht sieh ihre Einnahmen aus proprietären Lizenzen, was
wohl nicht im Sinne der Definition ist.

Oder die Firma verwendet zwar ausschließlich freie Lizenzen,
veröffentlicht aber nicht alle Versionen ihrer Software, bzw.
verteilt diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten, jenachdem ob
man zahlender Kunde ist oder nicht. Wenn die Allgemeinheit nur
die jeweils vorletzte Softwareversion zu sehen bekommt, und
somit wichtige Security-Fixes und ähnliches nicht rechtzeitig
erhält, dann ist auch das möglicherweise nicht im Sinne der
Definition einer Freien-Software-Firma.

> Und wie sieht es mit der Nutzung aus? Darf in der Firma selbst nur freie 
> Software eingesetzt werden oder soll das keine Rolle spielen?

Das ist eine extrem schwierige Frage, denn gerade bei portabler
Software hat man oft keine Wahl. Einen komplett freien Toolchain
zum Erzeugen von Mac-Software gibt es noch nicht, obwohl man mit
einigem Aufwand schon sehr viel erreichen kann. Diesen Aufwand
kann sich aber nicht jede Firma leisten, zudem wirft einem hier
Apple rechtliche Probleme in den Weg. Für die Windows-Platform
sieht es ein wenig besser aus, dank MinGW und Cygwin, aber auch
hier beschränkt man sich dann auch die Basis-API. Zudem habe ich
es auch schon erlebt, dass irgendwelche GCC/MinGW-Compiler-Bugs
einen letztlich doch dazu zwingen, den Visual-Studio-Toolchain
zu verwenden.

> Oder hast du da schon eine Idee oder gibt es gar schon eine 
> (inoffizielle) FSFE-Position dazu? Or anyone else?
> 
> Grüße
> micu 
> -- 
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