Patentierbarkeit von Ideen/Erfindungen (was: FSFE Newsletter - Dezember 2010)

olafBuddenhagen at gmx.net olafBuddenhagen at gmx.net
Di Jan 4 14:09:48 UTC 2011


Hallo,

On Thu, Dec 30, 2010 at 02:11:45PM +0100, Matthias Kirschner wrote:
> * olafBuddenhagen at gmx.net <olafBuddenhagen at gmx.net> [2010-12-23
> 03:59:40 +0100]:

> Bevor wir nachher mit den Begriffen durcheinander kommen, stimmst du
> zu, dass jede Erfindung auch eine Idee ist?

Nein, nicht wirklich. Sicherlich wird jeder Erfindung irgendwo eine Idee
zugrunde liegen; aber die Idee muss weder bahnbrechend noch neu sein --
das ist nicht, was eine Erfindung ausmacht. Zu einer Erfindung wird es
erst, wenn man einen nutzbaren Apparat oder ein nutzbares Verfahren oder
so entwickelt. (Was vermutlich den Einsatz weiterer Ideen erfordert.)

> > Eine Idee kann jeder haben; das erfordert keine Investition. Eine
> > nutzbare Erfindung erfordert hingegen Entwicklungsarbeit -- und
> > diese ist es, was ein Patent entlohnen soll.
> 
> Warum erfordert eie nutzbare Erfindung Entwicklungsarbeit und eine
> Idee nicht? Ich seh noch nicht wirklich einen Unterschied.

Eine Idee ist an sich nichts besonderes. Sie kann natürlich beim Versuch
aufkommen, ein bestimmtes Problem zu lösen (und dabei manchmal sogar
einen Durchbruch bringen); aber Ideen können auch nebenbei anfallen,
während man an etwas ganz Anderem arbeitet, oder gar durch den Park
spazieren geht. Jeder hat tausende von Ideen im Verlaufe seines Lebens;
und die allermeisten Ideen hatten auch schon tausende von anderen Leuten
vorher... Eine Erfindung dagegen erfordert nicht nur Ideen, sondern vor
allem Entwürfe, Prototypen, Experimente.

Niemand setzt sich hin, mit der Absicht eine einzigartige Idee zu haben.
Leute setzen sich hin mit der Absicht, Lösungen für bestimmte Probleme
auszuarbeiten.

> > Um bei Deinem Beispiel zu bleiben, wäre eine hypothetische
> > Patentanmeldung zum Beispiel ein "Verfahren zum Erzeugen gewisser
> > Gefühlszustände beim Hörer durch abgestimmten Einsatz von
> > Streichinstrumenten und Blasinstrumenten"...
> 
> Warum ist die Idee einer Kombination von Streich- und Blasinstrumenten
> nicht auch etwas, was Entwicklungsarbeit kostet? 

Weil man auf Ideen nicht gezielt hinarbeiten kann. Eine Idee kommt, oder
sie kommt nicht. Gezielt hinarbeiten kann man nur auf Lösungen konkreter
Probleme.

> Was ist an deinem Beispiel anders (in Bezug auf Softwarepatente) als
> bei dem Beispiel aus dem Newsletter einfach nur Blas- und
> Streichinstrumente zu kombinieren?

Der Unterschied ist, dass "einfach nur" irgendwelche Instrumente zu
verbinden, an sich nix Besonderes ist, und noch lange kein brauchbares
Resultat liefert. Dafür ist es nötig auszuarbeiten, *wie* man die
Instrumente verbinden muss, und was es konkret bewirkt.

> > Was Patente auf Software (Algorithmen oder deren Anwendung),
> > Kochrezepte, mathematische Formeln, Spielregeln,
> > Kompositionstechniken etc. von gültigen Patenten unterscheidet, ist
> > die fehlende Technizität -- solche Erfindungen beschreiben lediglich
> > mehr oder weniger abstrakte Gedankenvorgänge; keine technischen
> > Verfahren. Und auf Gedanken sollte es keine Monopole geben.
> 
> Wie erklärst du Technizität?

Das habe ich im Prinzip gerade beschrieben... Viel mehr kann ich dazu
nicht sagen. Der Technizitäts-Begriff ist nicht umsonst so umstritten in
der Softwarepatent-Debatte.

Eine konkretere Antwort kann ich nur geben, wenn man bestimmte Felder
betrachtet. Im Computer-Bereich zum Beispiel liegt die Unterscheidung
zwischen Signalübertragung (Technik), und Datenverarbeitung
(Mathematik).

Der BGH hat früher als eins der Patentierbarkeitskriterien angeführt,
dass "eine neue Lehre über die Nutzung von Naturkräften" geliefert
werden muss. (Oder so ähnlich... Weiß die exakte Formulierung nicht
mehr.) Dieses Kriterium wird vom FFII unterstützt -- oder zumindest
wurde es das, als ich die Debatten vor ein paar Jahren intensiver
verfolgt hatte.

-antrik-



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