Elopocalypse: Warum der Nokia-Microsoft-Deal ein herber Rückschlag für freie Software i.a. ist
micu
micuintus at gmx.de
Mo Feb 28 01:04:32 UTC 2011
Hallo Olaf,
Am Donnerstag, 17. Februar 2011, 11:53:53 schrieb
olafBuddenhagen at gmx.net:
> Android bieten kein übergreifendes Ökosystem zwischen klassischen PCs
> und Smartphones/Tablets -- aber ist das wirklich so relevant?
ja, denn --- ohne jetzt die hervorragende Arbeit der vielen FS-
EntwicklerInnen schlecht machen zu wollen: GNU/Linux auf dem Desktop
könnte einen Boost gebrauchen. Wenn der Erfolg von großen Firmen davon
abhängt, dass Komponenten, die auch auf dem GNU/Linux-Desktop verwendet
werden (Qt z.B.), gut sind und funktionieren, dann profitiert dieser
(der GNU/Linux-Desktop) auch davon.
Aber ich bin auch ganz generell davon überzeugt, dass ein
einheitlicheres Device-übergreifendes freies Software-Ökosystem der
freien Software insgesamt sehr gut tun würde. Im Kernel-Bereich haben
wir ja genau ein solches Ökosystem und man sieht, dass dies zu einem
ganz erstaunlichen, extrem skalierbaren und portablen und sehr
ausgereiften Stück Software geführt hat: dem Linux-Kern (mal ganz
abgesehen davon, dass er monolithisch ist,... :D).
Ein Grund für Apples Erfolg aus softwaretechnischer Sicht ist ganz klar
deren ziemliche große einheitliche Codebase (auf allen Ebenen des
Stacks!) für iPhone, den Desktop, iPad, AppleTV,... Das sorgt dafür,
dass sie viel Code wiederverwenden können und anstatt die Energie dafür
zu verschwenden, das Rad neu zu erfinden, können sie sie dafür
aufwenden, an diesen Komponenten zu feilen. Und es macht Apple flexibel
und ist ein Grund dafür, dass Apple "mal eben" das iPhone und danach das
iPad aus dem Ärmel schütteln (übertrieben, ich weiß) konnte.
Genau eine solche große einheitliche Codebase, ein solches "Software-
Ökosystem", fehlt Microsoft übrigens: Da gibt es Windows 7, das nur auf
X86 (gut) läuft und dessen GUI sich anscheinend nicht für Tablets
sinnvoll anpassen lässt. Dann ist da inzwischen Windows Phone 7, das mit
seinem CE-Kern wohl nur anständig auf ARM läuft --- sicher einer der
Gründe, warum intel MeeGo (und Android) haben will: Ihr Vorteil bei
Netbooks, dass auf ARM kein Desktop-Windows läuft, ist ihr Nachteil im
Smartphone- und Tablet-Sektor, in den sie nun rein möchten. Und jetzt
soll da noch irgendwie ein Tablet-Windows dazukommen, das es für ARM und
X86 gibt,... Auch Microsoft ist natürlich dabei, diesem Problem
beizukommen und ihre Codebase zu vereinheitlichen (.NET-Stuff usw.).
Das klassische Desktop-OS wird für den Endbenutzer zunehmend
unbedeutender. Es wird nicht verschwinden und z.B. im Büro auch auf
lange Sicht noch einen wichtigen Stand haben. Es kommen aber immer mehr
Device-Kategorien hinzu: Smartphones, Netbooks, Tablets,... Da ist es
wichtig, ein flexible Codebase zu haben, wenn man erfolgreich sein
möchte. Gerade die freie Software hätte hier eigentlich sehr gute
Chancen.
> Für kleine Touchscreens braucht man nun Mal andere Programme als für
> klassische PCs mit großem Bildschirm und richtiger Tastatur.
Das stimmt natürlich. Aber ausgerechnet das Beispiel Qt zeigt doch, dass
das oben gesagte doch auch für die UI-Komponenten gilt? Was
Trolltech/Nokia da aus dem Desktop-Framework für mobile Geräte gezaubert
hat, ist ziemlich cool, finde ich.
Es kommt noch hinzu, dass mir an Android momentan etwas gar nicht gut
gefällt: Es führt die Freie Software in gewisser Weise ad absurdum. Ich
habe nichts grundsätzlich gegen Android. Es ist sehr schick und
konkurrenzfähig und es steht weitestgehend unter einer freien Lizenz.
Das entscheidende Argument für freie Software ist für mich aber, dass
Software von der Allgemeinheit kontrolliert werden sollte und nicht von
einzelnen großen Firmen. Freie-Software-Lizenzen bzw. die vier
Freiheiten sind dafür eine notwendige, aber wohl anscheinend leider per
se keine hinreichende Bedingung. Die Entwicklung von Android sieht vom
Prinzip her leider so aus, dass Google jedes halbe Jahr ein neues
Release als einen einzigen Batzen in die Welt setzt. Auch Nokia hat
seine MeeGo UX leider im Stillen entwickelt, aber immerhin basierte
diese wohl auf der öffentlich entwickelten MeeGo Handset UX. Vor allem
aber besteht MeeGo im Gegensatz zu Android aus viel mehr bereits zuvor
im Einsatz befindlichen und von anderen entwickelten Standard-FS-
Komponenten als nur dem Linux-Kern. Des weiteren wird MeeGo unter dem
Dach der Linux Foundation entwickelt (was man von Android bezüglich der
Handset Alliance so wohl nicht behaupten kann).
Nun ja, mal sehen, wie das ganze noch weitergehen wird.
Grüße
micu
--
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