Libre vs. Open

RA Stehmann anwalt at rechtsanwalt-stehmann.de
Fr Feb 11 09:37:14 UTC 2011


Thilo Pfennig schrieb:
> Am 10.02.2011 13:15, schrieb RA Stehmann:
> 
>> Bei denen scheint der Fork nämlich nicht so gut aufgenommen worden zu
>> sein (s.
>> http://www.pro-linux.de/news/1/16674/comm/1/show-all-comments.html
>> Thread "User").
>>
> 
> Also ich weiß ja nicht wie ihr das seht, aber ich sehe die Sache als
> Verlängerung des ganzen Ärgers das es seit Jahrzehnten bei allen Freie
> Software Projekten mit Sun gab, dass ja Oracle dann gekauft hat.
> 
> Die ganze Java-Sache z.B. - der Schaden ist trotz oder gerade wegen der
> Bedeutung von OpenOffice.org als größtes Freie Software-Projekt der Welt.

Gerade die Java-Geschichte ist für Deine Argumentation ein schlechtes
Beispiel, denn Oracle hat sich genau so verhalten, wie SUN zuvor.

Außerdem ist es ihnen gelungen IBM "in ihr Lager zu ziehen".

> 
> Ich weiß das Red Hat seit Jahren darüber grummelt und viele darauf
> gedrängt haben, dass Sun eine freie Foundation wie die Mozilla
> Foundation gründen würde. Aber es passierte nie. Oracle verliert doch
> gerade in fast allen FS-Projekten von Bedeutung massiv Vertrauen.

Oracle ist durch den Kauf von SUN quasi über Nacht größter Hersteller
Freier Software geworden. Die werden sich dabei was gedacht haben.

Natürlich ist es von beiden Seiten (SUN und Oracle) erst einmal ein
"Kulturschock". Für die Communities ist solch eine Übergangsphase
natürlich nervig (für manche Angestellten sicherlich auch).

Wer hier aber glaubt, schon genau zu wissen, wohin der Hase läuft, muss
eine gute Glaskugel haben.

> 
> Vielleicht ist dieser Split die schlechteste aller Alternativen. Aber
> ich habe dazu auch keine Alternative gesehen.

Ich schon, andere nicht. Der Zug ist abgefahren, müßig das Ganze noch
einmal nachzukarten.
> 
> Ich sehe das so, dass Oracle durch ihr Verhalten bereits die Kontrolle
> verloren hat und OO.org in absehbarer Zeit ein totes Projekt ist. Das
> Firmen ihr Commitment zu FS-Projekten zusichern hat oft keine lange
> Halbwertszeit. Oracle würde ich kein Stück glauben.

Naja die neuen Eigentümer von Novell müssen sich aber auch ihr Standing
in der Freien-Software-Welt erst einmal erarbeiten.

Ich habe ja auch nichts gegen einen Plan B und einen Plan C. Ich finde
nur die Spaltung der Community und die Vorgänge, die zu ihr geführt
haben, schlecht.


> Ich denke das Strukturen bei Freie Software auch wichtig sind. D.h.
> Freie Software alleine ist ja lieb und schön - aber wie siehts mit der
> Perspektive aus? OO.org bedeutet ja, dass alle Firmen und Programmierer
> ihren Code Oracle schenken sollten, zusätzlich zur freien Lizenz. Das
> hat schon länger nicht richtig funktioniert und das hat das Projekt
> enorm ausgebremst und für Frust gesorgt in der Community.

Auch das kann man von zwei Seiten sehen. Oracle (und davor SUN)
unterhält mit viel Aufwand die ehemalige "StarDivision" in Hamburg. Das
können sie gegenüber ihren Anteileignern nur rechtfertigen, wenn sie
auch hieraus Gewinn erwirtschaften. Das sind die Spielregeln und das
waren sie immer. Das wäre auch bei einer Foundation, die sich an der
Entwicklung beteiligt, nicht anders, es denn, die Foundation wäre
nachhaltig in der Lage, die laufenden Kosten für Hamburg zu
erwirtschaften. Den Business-Plan habe ich allerdings noch nicht gesehen.

Man sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass SUN mit dem
"Schenken" angefangen hat, als es den StarOffice-Code unter eine Freie
Lizenz stellte.

Auch LibreOffice lebt von diesem "Geschenk".
> 
> Ich denke schon, dass es da verschiedene Stufen von Freiheit gibt und
> das man darüber reden muss. Es geht nicht im wesentlichen darum, ob
> irgendwer mit Freier Software Geld verdient. Es geht darum, wie frei die
> Organisierung der Codeentwicklung wirklich ist.

Das ist jetzt eine sehr fundamentale Diskussion mit dem Thema "Freie
Software als Hebel zur Änderung der Sozial- und Wirtschaftordnung".

Kann man führen diese Diskussion - hat dann aber nur noch am Rande mit
der Situation von OpenOffice.org und LibreOffice zu tun.

 D.h. ist es eher ein
> Projekt das irgendwie allen gehört, oder will da eine große Firma nur
> die Arbeitskraft vieler Programmierer und Firmen für sich alleine
> ausbeuten. 

Die Diktion kenne ich schon aus dem 19. Jahrhundert. Heute würde ich
aber eher die Gefahr der "Selbstausbeutung" und die soziale Unsicherheit
bei kleineren Unternehmen und Einzelkämpfern thematisieren.

Oracle und Sun wollten denke ich letzteres. Und LibreOffice
> ist der Ausweg den Freie Software bietet um diesem Dilemma zu entgehen.
> Geld verdienen ist bit FS möglich aber eben auch Forks, wenn Firmen ein
> Projekt nicht frei genug organisiert ist.
> 
> FS bedeutet doch eben genau das: Das wir nicht von Oracle abhängen. Wenn
> wir jetzt rumjammern, dass der Fork den freie Office Suites schadet,
> dann sagen wir doch praktisch: Freiheit schön und gut, aber es solls
> sich einem höheren Ziel (der besseren Akzeptanz und Homogenität)
> unterordnen? Finde ich nicht gut.
> 
Freiheit bei Freier Software ist die Freiheit des Anwenders, der auch
ein ausbeuterischer Kapitalist sein kann. Nirgends in den
Kriterienkatalogen für Freie Software wird die soziale Lage der
Entwickler thematisiert (außer dass sie in der Lage sein sollen,
voneinander zu lernen).

Auch wenn ich der Ansicht bin, dass Freie Software und Freies Wissen,
Freie Kulturgüter zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen können, bin
ich davon überzeugt, dass wir scheitern werden, wenn wir uns in
Kapitalistenknechte und Genossen spalten.

Lass' uns lieber überlegen, was wir zur Verbreitung Freier Software
gemeinsam tun können.

Gruß
Michael

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