Offener Brief an Stallman, und FSF versus FSFE

Henry Jensen hjensen at gmx.de
Mo Apr 25 05:47:18 UTC 2011


Hallo,

On Sun, 24 Apr 2011 13:47:39 +0200
Volker Grabsch <vog at notjusthosting.com> wrote:

> euch ist wahrscheinlich auch schon Open Letter an Stallman aufgefallen:
> 
>     http://alexeymk.com/dear-dr-stallman-an-open-letter
> 
> Ich finde es interessant, dass dort ein Amerikaner genau die Dinge
> kritisiert, die wir an der FSF ebenfalls kritisieren und die meines
> Erachtens nach bei uns in der FSFE deutlich besser laufen.

Ich kannte den Open Letter noch nicht. Ich sehe in ihm eigentlich auch
weniger fundierte Kritik als das übliche Stallman-Bashing.

Richard Stallman ist kein Diplomat und kein Technokrat, er ist ein
Visionär. Seine Idee, und die Idee der FSF, ist eine Welt in der es
keine proprietäre Software mehr gibt. Klingt verrückt, nicht wahr? Vor
etwa 2000 Jahren gab es einen ähnlichen Spinner, der sagte "Liebe deine
Feinde". Vor über 100 Jahren gab es ein paar verrückte Weiber, die
meinten, Frauen stünde ein Wahlrecht zu.

OK, genug der Analogien. Was ich damit sagen will ist, dass Ideen die
sich nicht nach dem Mainstream richten und erstmal unrealistisch
erscheinen immer verrückt klingen. Heute, da GNU/Linux eine Realität
ist, klingen die Aussagen von RMS radikal. Wie haben seine Aussagen
wohl vor 25 Jahren geklungen? Da gab es so gut wie keine freie Software
und niemand hat RMS zugehört, bis auf eine Handvoll Hacker, die am GCC,
an der libc und emacs bastelten. Hätte RMS nicht so eisern an seinen
Prinzipien festgehalten und hätte weniger dogmatisch und mehr
pragmatisch gedacht, hätten wir heute kaum freie komplette
Betriebssysteme, sondern allenfalls ein paar freie Tools und Programme.

> Ich staunte nicht schlecht, als ich so einige interessierte Nachfragen
> erhielt, unter anderem auch ob ein Amerikaner, der mit der FSF
> unzufrieden ist, stattdessen der FSFE beitreten könne.

Ich kann nur davor warnen, die FSFE als die "bessere FSF" oder die
"pragmatischere" FSF darzustellen.  In jeder größeren
gesellschaftlichen oder politischen Bewegung gibt es unterschiedliche
Ausrichtungen bzw. Akzentuierungen. Im Umfeld der US-amerikanischen FSF
mag es Leute geben, die gerne einen pragmatischeren Kurs hätten. Ich
dagegen z. B. finde, die FSFE könnte ruhig im Stile der FSF etwas mehr
Microsoft und proprietäre Software im allgemeinen aufs Korn nehmen.

Oft wird ja Kritik an den "Negativ-Kampagnen" geäußert. Persönlich fand
ich "Badvista" und finde ich "Windows7Sins" eigentlich recht gut -
nicht so sehr als Seite für den durchschnittlichen Windows-User, der
dort zufällig vorbeikommt, mehr als geballte Argumentationssammlung die
man in der täglichen Diskussion gebrauchen kann.

Ich denke im Endeffekt gehört beides zusammen. FSFE und FSF auseinander
zu dividieren halte ich für keine gute Idee.

Gruß,
Henry




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