FoeBud nutzt proprietäre Software (Re: "Basisdemokratie und Ehrenamt sind keine Allheilmittel. " von Leena.de)

micu micuintus at gmx.de
Do Apr 21 01:39:38 UTC 2011


Hi Leena, hi alle,

On Wednesday 20 April 2011 11:54:40 Leena wrote:
> Was ich an dieser Diskussion etwas traurig finde ist, dass es sofort
> wieder darum geht, dass der FoeBuD FS nicht unterstützt und das dann
> leider auch noch ziemlich spekulativ.

ist ja nicht *nur* spekulativ. Es gab da auch recht unreflektierte 
Aussagen seitens des FoeBuD, wie der folgende Twitter-Flamewar zeigt: 
Der FoeBuD stellte im Oktober 2009 auf Twitter eine Anfrage, wie man XY 
mit dem iPhone macht und ob es eine App dafür gebe.

Daraufhin /me:
> @foebud Das iPhone stinkt, denn es macht genau das, was ihr bekämpfen
> wollt: Die Freiheit in der digitalen Welt einschränken. Use #FOSS!
<https://identi.ca/notice/11743466>

Antwort von FoeBuD:
> @micuintus Leider ist das iPhone das erste Handy, das macht, was wir
> von einem Handy erwarten ;-) Welt mit #iPhone UND #Privacy ist
> möglich.
<https://identi.ca/notice/11746039>

/me:
> @foebud Wollt ihr lieber noch warten, bis euch 1984 vom iPhone
> gelöscht wird? :P #DRM sucks.
<https://identi.ca/notice/11806725>

Wenn man das z.B. damit <http://www.golem.de/1104/82955.html> 
vergleicht… (Tweets anscheinend in unserem Land nicht mehr verfügbar, 
deswegen die Identi.ca-Doubles.)

Im Ernst (das oberhalb bitte nicht zu ernst nehmen!): Leena, es ist 
erfreulich und löblich, dass du dich für den FoeBuD so in die Bresche 
schlägst. Aber der FoeBuD ist da ja kein Einzelfall, ich denke, dass ist 
ein viel allgemeineres Problem.

Wart ihr mal auf einem der letzten Chaos Communication Congresse? Dort 
erstickt man inzwischen geradezu in einem Meer von MacBooks und 
sonstigem iHasteNichtGesehen. Gut; da könnte man jetzt sagen, dass 
diejenigen, die dort mit ihrem proprietären Kram auf dem Kongress 
aufschlagen, ja nicht unbedingt zum inneren Kern des CCC gehören müssen, 
sondern auch irgendwelche Journalisten oder Interessierte aus dem 
Dunstkreis sein können. Dass sie --- genauso wie die ganzen Microsofties 
und Macies auf irgendwelchen Bloggerkonferenzen, Piratenparteitreffen, 
etc. --- einfach noch nicht so direkt auf das Thema freie Software 
gestoßen sind und noch nicht erkannt haben, welche Bedeutung der freien 
Software für eine freie digitale Gesellschaft zukommt. 

Aber es gibt ja auch Leute, von denen man weiß, dass sie ganze genau 
wissen, was freie Software ist und warum sie wichtig ist, die trotzdem 
diese proprietären Hardware-Software-Bundles nutzen (und bei all ihren 
Vorträgen ziemlich unverhohlen mit dem Obstlogo Werbung für unfreie 
Software machen): Volker Grassmuck, Lawrence Lessig, Julian Assange, 
Constanze Kurz, Frank Rieger, Tim Pritlove, Andy Müller-Maguhn — um nur 
mal ein paar Beispiele von Netzcelebreties zu nennen; weitere Beispiele 
aus dem Bekanntenkreis sollten viele hier zu genüge kennen.

Da stelle ich mir schon öfter mal die Fragen: Bin ich schon so 
Stockholm-verstrahlt, dass ich gar nicht mehr bemerke, welche Qual es 
ist GNU/Linux zu verwenden? Klar: Gerade dieses Mac-Gedöhns ist für den 
Anwender ziemlich einfach und bequem in der Benutzung und funktioniert 
sehr fehlerarm: Man schließt einen Beamer an und es geht einfach. (Ja, 
ich weiß, dafür gibt es auch Gründe: Das OSX läuft legal nur auf dem 
bisschen Hardware von Apple selbst, die Hersteller rücken oft die Specs 
an die FS-Devs nicht raus, usw.) Es wurde ewig lang an der Oberfläche 
gelutscht, bis der »Workflow« einfach nur flutscht. Dann kommt noch 
dazu, dass die Hardware und Software von denen bis zum Get-no auf 
Design, Stil, Image und Coolness getrimmt ist. Außerdem, dass man auch 
unter dem Mac die Unix-Shell bekommt. … Aber ist die Verwendung einer 
modernen GNU/Linux-Distro denn auch heute noch wirklich i.Allg. so viel 
mühsamer, dass man so viel unproduktiver wäre damit, wenn man es 
tatsächlich im Alltag einsetzen will? Oder sind diese Leute einfach 
dermaßen bequem, dass sie das bisschen eventuellen Mehraufwand (oder 
auch nur den Verlust an Coolness) für die Freiheit nicht auf sich nehmen 
wollen? Haben diese Leute das mit der freien Software vielleicht doch 
noch nicht so 100%ig verstanden oder bewerten sie die Argumente einfach 
weniger gewichtig? Oder bewerte ich das mit der freien Software über und 
bin da schon total ideologisch verbohrt?

Anyways: Das ist ein recht verbreitetes Problem und man sollte das 
keinesfalls auf den FoeBuD reduzieren und diesen auf die Anklagebank 
setzen. Im Gegenteil --- was du ja auch schon angesprochen hast: Unsere 
Frage sollte vielmehr lauten, wie wir diesem Problem beikommen können. 
Da ist es natürlich super, jemanden wie dich zu haben, die bei uns wie 
auch in einem solchen Verein (in dem Fall dem FoeBuD) aktiv ist, und auf 
beiden Seiten bei einer besseren Kooperation helfen kann bzw. schon ganz 
kräftig hilft. 

Im Übrigen glaube ich, dass wir sowieso recht stark auf die Parteien und 
Parlamente fokussiert sind. Ggf. ist da bei den anderen NGOs (angefangen 
von der Humanistischen Union, über Greenpeace bis hin zu Amnesty) in 
Sachen Überzeugungsarbeit für freie Software sogar noch einiges zu 
holen!? Was meint ihr? Hat da schon jemand Erfahrung?


> Es gibt da einige vielversprechende Projekte,
> aber mich damit jetzt abkämpfen zu müssen würde entweder
> verursachen, dass ich nicht zum Schneiden komme, oder dass ich einen
> mords Hass auf FS bekomme. FS um jeden Preis ist eine Philosophie,
> die ich nicht vertrete, da sie Menschen auch von der Freien Software
> vertreiben kann. Ich behalte die Schnittsoftwareprojekte im Blick
> und werde umsteigen, sobald davon etwas zumindest annähernd an
> Premiere heranreicht.

Das ist eine durchaus legitime und imho nicht unvernünftige Herangehens- 
und Sichtweise.

Allerdings: Vorsicht vor der teuflischen Bannkraft *gg* der proprietären 
Software --- gerade was Apple betrifft :P. Wenn du einmal an-gefixt 
bist, kommst du davon nicht mehr runter :D. Dazu eine Anekdote: Ein 
Bekannter von mir, ein (eigentlich) jahrelanger und überzeugter FS-
Unterstützer und Linuxer, hat sich vor einigen Monaten ein MacBook 
gekauft, weil er »die Hardware so toll findet.« Er wolle sich GNU darauf 
installieren, aber »natürlich schon die Gelegenheit nutzen, OSX auch mal 
im Selbstversuch auszuprobieren«. Vor kurzem habe ich ihn einmal wieder 
getroffen. Das GNU/Linux hat er wohl schon runtergeschmissen. Zumindest 
nutzt er quasi nur noch OSX. Auch ein iPad hat er inzwischen. Nee, ein 
iPhone habe er nicht. Kurz darauf klingelte das iPhone… ;)

 
> Der FoeBuD ist ein sehr kleiner Verein und kann sich nicht die ganze
> Zeit mit unterschiedlichen Formaten usw. rum schlagen.

Oh. Bitte Vorsicht mit dieser Argumentation. Das klingt schon verdächtig 
nach »Standardsoftware aus einer Hand, die die »gängigen De-facto-
Marktstandards« spricht. Dass eine proprietäre Software ihre eignen 
proprietären Standards am besten spricht, ist ja bestimmt kein Argumente 
für diese Software — im Gegenteil.


Schöne Grüße,
micu
-- 
GnuPG:		https://www1.inf.tu-dresden.de/~s3418892/micuintus.asc
Fingerprint:	1A15 A480 1F8B 07F6 9D12 3426 CEFE 7455 E4CB 4E80

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