Gruselige Einführung in das Web

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
Mi Apr 20 18:09:35 UTC 2011


Liebe Liste,

ich bin gerade auf eine Webseite gestoßen, die soweit ich weiß im
Rahmen der FSFE noch keine Beachtung fand, was ich hiermit ändern
möchte. :-)

Konkret geht es um die Startseite des freien Chromium-Browsers [1], wie
sie zumindest unter Debian im Paket "chromium-browser" voreingestellt
ist. Diese Startseite verweist gleich zu Anfang auf die folgende
ziemlich gruselige Einführung in das Web:

    "20 Things I Learned about Browsers and the Web"
    http://www.20thingsilearned.com/

Auf den ersten Blick handelt sich um ein sehr liebevoll gestaltetes
Werk - von den Illustrationen her genauso wie von typographischer
Seite aus. Der Schreibstil ist allgemeinverständlich und an Web-
Neulinge gerichtet, die Illustrationen sind sogar dezent animiert.
Man könnte fast geneigt sein, dieses seinen Eltern oder Großeltern
zum Lesen zu geben. [2]

Inhaltlich ist ebenfalls viel Richtiges dabei. Es wird grob erklärt,
wie das Internet funktioniert und welche Rolle Browser spielen. Einiges
wird konkret am Chrome erklärt, doch es werden im gleichen Atemzug auch
stets die anderen Browser erwähnt. Beim Thema Sicherheit fällt besonders
positiv auf, dass hier komplett auf das Marketing-Gelaber der Antiviren-
Industrie verzichtet wird. [3]  Auch das Thema Privatsphäre wird anhand
von Themen wie Cookies ganz gut beleuchtet, mit Vor- und Nachteilen. Ja,
man könnte hier fast eine Leseempfehlung aussprechen.

Doch schon ab Seite 7 wird klar: Wo Google draufsteht [4], ist auch
Google drin. Das Kapitel "Cloud Computing" ist alles andere aus
ausgewogen, sondern eine Lobesrede auf alle Dienste, die die eigene
Festplatte überflüssig machen wollen. Das erscheint angesichts neuster
Entwicklungen besonders absurd. [5]  Das nachfolgende Kapitel "Web Apps"
ist keinen Deut besser. In diesem beiden Kapiteln findet man, im
Gegensatz zum Rest, keine Spur einer kritischen Auseinandersetzung.
Nach diesen Kapiteln kommt dann wieder lesenswerter Inhalt.

Das ist wirklich schade, und irgendwie auch gruselig: Mitten in so
vielem Guten plötzlich so ein firmenpolitisch motivierter Dreck.
Der erste gute Eindruck täuscht hier leider gewaltig.

Ich möchte somit dazu aufrufen, diesen Text nicht weiter zu empfehlen,
vorallem nicht an Einsteiger. Und falls doch, dann mit ausdrücklichem
Hinweis auf die Probleme dieser vermeintlich hervorragenden Einführung.


Viele Grüße
Volker


[1] http://www.google.com/chrome/intl/en/welcome.html

[2] ... sofern diese der englischen Sprache mächtig sind.
    Doch vielleicht gibt es bald schon Übersetzungen davon.

[3] Stattdessen werden die wirklich wichtigen Dinge genannt,
    etwa dass man seine Software stets auf den aktuellen Stand
    halten muss.

[4] Zwar gibt es kein Google-Branding der ganzen Seite, jedoch
    auf der Titelseite erscheint dezent ein Google-Logo, und das
    Vorwort ist mit "The Google Chrome Team" unterschrieben.

[5] "Neues Feature bei Dropbox: Backdoor für US-Behörden"
    http://www.netzpolitik.org/2011/neues-feature-bei-dropbox-backdoor-fur-us-behorden/

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Volker Grabsch
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