FoeBud nutzt proprietäre Software (Re: "Basisdemokratie und Ehrenamt sind keine Allheilmittel. " von Leena.de)

Henry Jensen hjensen at gmx.de
Mi Apr 20 14:28:52 UTC 2011


Hallo Leena,

ich wollte mit dem Vorwurf die Arbeit des FoeBuD nicht diskreditieren, nur u. a. (wenn auch etwas sehr direkt, das gebe ich zu) darauf hinweisen, dass es m. E. inkonsequent ist, einerseits für die Freiheit im Netz zu kämpfen und auf der anderen Seite unfreie Software zu benutzen. Diesen Vorwurf kann man sicherlich nicht nur dem FoeBuD machen, sondern auch anderen netzpolitischen Organisationen.

On Wed, 20 Apr 2011 11:54:40 +0200 Leena <listen at leena.de> wrote:

> Ich finde es bezeichnend, wenn man über ein anderes gemeinsames Thema sprechen 
> will und sofort wieder den Vorwurf bekommt, der noch dazu unbegründet ist. Das 
> ist höchst unproduktiv und lässt uns FS-Aktivisten in einem fragwürdigen Licht 
> darstehen.

Sehe ich nicht so. Ich sehe den FoeBuD als eine Organisation, die dem Gedanken der freien Software relativ nahe steht. Das ist etwas anderes, als wenn ich in eine Firma reingehe und dort versuche freie Software anzubieten, da würde ich auch nicht verlangen, dass alles sofort umgestellt wird sondern muss froh sein, wenn die Umstellung sukzessive in kleinen Schritten erfolgt.

Beim FoeBuD gehe ich davon aus, dass die meisten Leute wissen, wieso freie Software wichtig ist, d. h. man muss eigentlich nichts mehr großartig erklären - vielleicht ist das auch eine Fehleinschätzung. Hinzu kommt, dass der FoeBuD von Spendengeldern lebt. Mutmaßlich stammen diese Spenden zu einem nicht unbeträchtlichem Teil von Leuten auf dem FS-Umfeld. Wenn dann davon unfreie Software lizenziert wird fehlt mir allerdings das Verständnis dafür. Das ist so, als würde ich an eine pazifistische Initiative spenden und diese würde sich davon Waffen kaufen.

> FS um jeden Preis ist eine Philosophie, die ich nicht vertrete, da sie Menschen 
> auch von der Freien Software vertreiben kann. 

Der Satz hört sich seltsam an. "Freiheit um jeden Preis ist eine Philosophie, die ich nicht vertrete, da sie Menschen auch von der Freiheit vertreiben kann". In welchem Fall wäre denn Unfreiheit der Freiheit vorzuziehen? OK, man kann sich auch auf dem Standpunkt stellen, dass Sklaverei gegenüber der Freiheit Vorteile hat: Man ist in der Regel versorgt mit Arbeit und Unterkunft, muss sich nicht selbst Arbeit suchen, muss keine Entscheidungen für das eigene Leben treffen, kurzum: alle anstrengenden Aspekte der Freiheit fallen weg. Unfreiheit ist bequemer, irgendwo kann ich das nachvollziehen. Verständnis dafür habe ich aber trotzdem nicht.

> Also werden sie 
> pragmatisch und nutzen auch diese Programme, die ja auch (darauf hat Roland ja 
> auch schon hingewiesen) tatsächlich ziemlich gut sind. 

Ob sie technisch gut sind kann ich nicht beurteilen, da sie ja unfrei sind. Ethisch sind sie 
auf keinen Fall "gut".

Zum "pragmatischen Blick" hat Richard Stallman in der von mir angeführten Rede (sinngemäß) gesagt:
"Vor vielen Jahren war es für unerfahrene Benutzer kaum möglich freie Software zu benutzen. Heute ist das möglich, es gibt nur die eine oder andere kleine Unbequemlichkeit. Wenn Sie wegen dieser Unbequemlichkeiten lieber proprietäre Software benutzen bedeutet das, dass Sie den Wert der Freiheit nicht besonders hoch einschätzen".

Ich weiß, dass die FSFE teilweise einen "pragmatischeren" Blick hat, als Stallman und die FSF. (Persönlich liege ich eher auf FSF-Linie). Aber auch die FSFE hat Prügel bezogen mit dem Vorwurf, alles zu "ideologisch" zu sehen, z. B. bei der Aktion gegen die Verlinkungen unfreier PDF-Reader auf Regierungsseiten.

> Mit CiviCRM gibt es im FoeBuD seit Anfang des Jahres (seitdem es implementiert 
> wird) sehr viel Ärger und Stress. Die Umstellung darauf legt gerade fast den 
> ganzen FoeBuD lahm. Dennoch sehen die Leute hier es für wichtig, darauf 
> umzustellen 

Das ist sehr löblich. Doch ich frage mich in diesem Zusammenhang: Wieso holt ihr euch nicht jemand, der sich mit dem freien System auskennt und vernünftig einrichtet, bezahlt ihn dafür und unterstützt damit freie Software? Stattdessen wird von dem Geld lieber proprietäre Software lizenziert. Von wegen "Freunde statt Feinde bezahlen".

> Die Frage sollte eher lauten: Warum nutzen Organisationen wie der FoeBuD, die 
> die Relevanz von FS verstanden haben dennoch lieber proprietäre Software? 

Mir fällt eigentlich nur eine Antwort ein: Weil sie es doch immer noch nicht verstanden haben, wieso es wichtig ist, freie Software zu benutzen. Das ist kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Die Konsequenz daraus ist: Weiter Aufklärung betreiben.

> Warum bedeutet es denn so viel Ärger auf FS umzustellen?

Dieser "Ärger" ist nichts im Vergleich zum Gewinn der Freiheit. Wenn der Ärger bei einer Software-Umstellung subjektiv groß ist, dann ist nach meiner Erfahrung etwas falsch gelaufen. Ob bei der Planung des Projektes, der Evaluation, der Kommunikation oder der Umsetzung kann ich natürlich nicht sagen.
Da sollte der Projektverantwortliche gefragt werden. 

> Ich würde mich sehr freuen, wenn die FSFE und der 
> FoeBuD enger zusammenarbeiten würden. Das funktioniert aber nicht, wenn man 
> sich gleich so (unfundierte) Vorwürfe macht.

Hier muss ich sagen, dass ich natürlich nicht für die FSFE spreche, sondern nur meine persönliche Meinung wiedergebe. Wenn der FoeBuD offen ist für Aufklärung begrüße ich das natürlich außerordentlich.

Viele Grüße,

Henry



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