AppStores

Volker Grabsch vog at notjusthosting.com
So Apr 3 03:51:49 UTC 2011


olafBuddenhagen at gmx.net schrieb:
> On Fri, Apr 01, 2011 at 08:05:41PM +0200, Theo Schmidt wrote:
> >
> > Die neuen AppStores sind für mich ein Abklatsch der
> > Linux-Paketmanager, nur realisiert es niemand. Der einzige Vorzug der
> > AppStores scheint eine Art Bezahlsystem zu sein.
> 
> Das stimmt absolut nicht. Keine der mir bekannten Distributionen bietet
> Drittanbietern die Möglichkeit, selbst Pakete zur Verfügung zu stellen,
> die in einer gemeinsamen Übersicht angezeigt werden, und mit minimalem
> Aufwand installiert werden können.

Also, dem muss ich entschieden widersprechen, und damit Theo
Recht geben. Olaf, Du tust hier ja so, als wären die Distributionen
abgeschottet von der Außenwelt, was sie aber im Gegensatz zum
AppStore gerade _nicht_ sind.


1) Man kann in allen gängigen Distributionen weitere Paketquellen
   hinzufügen. Diese müssen in keiner Weise von der Distribution
   "zertifiziert" oder sonstwas sein, und die enthaltenen Pakete
   erscheinen dann vollkommen gleichberechtigt in der gemeinsamen
   Übersicht des Paketmanagers. Installation und Upgrades laufen
   ebenfalls gleichermaßen einheitlich ab, wie man sich das wünscht.

   Sogar Individual-Lizenzen sind hier machbar, indem die URL zum
   Repository einen kundenspezifischen Benutzernamen und Passwort
   erhält, z.B. einfach via SSL und HTTP-Auth:

   deb https://KUNDE:PASSWORT@drittanbieter.example.com/debian squeeze non-free

   Für den Benutzer ist dieser Konfigurations-Eintrag natürlich
   eine Hürde, aber im Gegensatz zum AppStore hat er wenigstens
   überhaupt diese Möglichkeit! Zudem verlangen die Distributionen
   keinen absurden Wegzoll dafür.


2) Zumindest in Debian kann man eigene Pakete auch in die offizielle
   Distribution aufnehmen lassen. Man muss zwar die richtige Mailingliste
   anschreiben und sich an gewisse technische Vorgaben halten, aber das
   ist beim AppStore ja genauso, wenn nicht sogar deutlich extremer. [1]

   Selbst unfreie Software kann man in Debian einpflegen. Die landet
   zwar im Bereich "non-free" und erhält weniger Unterstützung durch
   das Debian-Projekt. Doch aus Sicht des Nutzers ist sie vollkommen
   gleichberechtigt, sofern er den "non-free"-Bereich bei sich
   aktiviert hat.

   In anderen Distributionen wie Ubuntu und OpenSUSE dürfte das
   ähnlich aussehen, aber dazu müssten sich am besten mal andere
   Leute äußern, die da Erfahrung haben.


> Dieser sehr direkte Weg vom Anbieter
> zum Anwender ist was den Erfolg von AppStore ausmacht.

Wie kommst Du denn darauf? Ich finde immer wieder Berichte,
die das genaue Gegenteil aussagen: Der Weg in den AppStore ist
alles andere als "direkt", der Approval-Prozess frisst Zeit und
raubt den Anbietern den letzten Nerv. Und auch wenn die App endlich
drin ist, sind die Wartezeiten für Upgrades zum Teil so hoch, dass
wichtige Bugfixes in den Stores einfach fehlen. [2]  Zudem obliegt
es der puren Willkür von Apple, die App jederzeit aus dem Store
wieder zu entfernen, ohne Angabe von Gründen und ohne Vorwarnung
an den Anbieter der App.

Was auch immer den Erfolg des AppStores ausmacht, es hat ganz
sicher nichts mit Anbieterfreundlichkeit zu tun.

In meinen Augen begründet sich der Erfolg des AppStores einfach
darin, dass es der einzige Weg ist, auf einer sehr beliebten
Platform Software anzubieten. [3]  Wäre das iPhone nicht so extrem
weit verbreitet in einem kommerziell attraktivem Publikum, dann
könnte sich Apple gegenüber den Anbietern niemals so verhalten,
wie sie es derzeit tun. [4]  Dieses Verhalten ist übrigens nicht
AppStore-spezifisch. So verhält sich Apple anscheinend auf allen
Platformen, die sie unter Kontrolle haben. [5]

Klar, auch mit den Distributionen hat man als Entwickler manchmal
etwas Stress. Aber das ist überhaupt kein Vergleich zu dem, was
einen Entwickler erwartet, der etwas im AppStore anbieten möchte.

> Natürlich hat das auch eine Kehrseite. Wir versuchen seit Jahren den
> Leuten einzutrichtern, dass der Weg über die Distribution besser ist, da
> so dafür gesorgt wird, dass alles tatsächlich gut zusammenspielt
> Wobei ich aber immer mehr zu dem Schluss gelange, dass hier
> teilweise über das Ziel hinausgeschossen wird...

... im Gegensatz zum AppStore?

Obiger Absatz klingt auf mich sehr danach, als würdest Du hier mit
zweierlei Maß messen.


Abgesehen vom "fehlenden" Bezahlsystem müssen sich die gängigen
Distributionen mit ihren Paketmanagern in keiner Weise hinter dem
AppStore verstecken! Der Erfolg des AppStores hat in meinen Augen
wiegesagt ganz andere Ursachen.


Gruß
Volker


[1] Es spricht schon Bände, dass es eine "großartige Neuigkeit" war,
    als Apple vor einigen Monaten gnädigerweise aufgehört hat, den
    AppStore-Anbietern die zu verwendene Programmiersprache und das
    zu verwendene Framework vorzuschreiben. Siehe auch:

    http://www.mobilecrunch.com/2010/09/09/apple-opens-app-store-to-other-development-platforms-publishes-review-guidelines/

[2] Man könnte zwar lästern, dies sei ja wie in Debian/Stable.
    Aber in Debian/Stable werden wenigstens wichtige Bugfixes und
    Security-Sachen zeitnah übernommen. Zudem hat dort der Benutzer
    jederzeit die Möglichkeit, Backports zu verwenden oder auf
    Debian/Testing umzuschalten. Er ist nicht darauf angewiesen,
    zu warten, bis ihm Apple freundlicherweise endlich die neuste
    Version im AppStore anbietet. (die bis dahin womöglich auch
    schon wieder veraltet ist)

[3] ... abgesehen von irgendwelchen Jailbreaking-Aktionen, aber das
    macht ja nur ein sehr kleiner Teil der iPhone-Besitzer. Und ein
    Anbieter dürfte ohnehin schnell in Probleme geraten, wenn er
    seine Kunden offiziell zum Jailbreaking auffordert.

[4] Siehe auch:

    http://techcrunch.com/2009/11/11/joe-hewitt-developer-of-facebooks-massively-popular-iphone-app-quits-the-project/
    http://techcrunch.com/2010/02/19/apple-ban-sex/

[5] Zum Beispiel auch beim iTunes-Store. Siehe auch:

    http://sivers.org/itunes


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Volker Grabsch
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