Freiheit bei anderen Werken (was: Re: Created with Free Software Stempel)

Johannes Näder johannesnaeder at gawab.com
Do Apr 1 15:30:06 UTC 2010


Volker Grabsch <vog at notjusthosting.com> wrote on 1 Apr 2010, 03:22 AM:
>Mir ist immer noch nicht klar, was du mit "nicht abändern" meinst.
>Eine Abänderung ist auch nichts weiter als ein neues Werk. Schließlich
>ist die ursprüngliche Version nach wie vor verfügbar.

Ganz so einfach ist es nicht. Was ein Werk ist, darüber gibt es nicht erst 
seit gestern sehr differenzierte Meinungen und Debatten. Diese verlieren mit 
dem medialen Umbruch nicht automatisch an Gültigkeit, im Gegenteil. (Wo sie 
das tun, müsste man schon sehr im Einzelnen begründen.)

Eine davon ist, dass ein Text / Bild / Musikstück etc. eine gewisse 
Schöpfungshöhe haben muss, ein Maß an Individualität also, damit es z.B. als 
Werk gelten kann. Das lässt sich, bezogen auf Derivate, freilich nicht gut am 
Umfang der Änderungen festmachen. Kopiere ich einen langen theoretischen CC-BY 
Text aus deinem in mein Blog, füge einen recht nebensächlichen oder sogar 
unpassenden Gedanken und ein paar Füllwoerter hinzu, schreibe meinen Namen 
gleichberechtigt neben deinen und verstecke den Link zum Original weit unten 
auf der Seite, so ist gewiss kein neues Werk entstanden, der Leser wird im 
Regelfall aber denken, er habe es da mit zwei gleichermaßen tollen Hechten zu 
tun. Vielleicht bekomme ich es sogar hin, den Text in einer Fachzeitschrift 
unterzubringen und damit Prestige zu ernten.

Stellst du hingegen die Verse eines bekannten Gedichtes ein wenig um, so dass 
sich ein neuer, möglicherweise kritischer oder lustiger neuer Sinn ergibt, 
ohne dass du nur ein Wort hinzugefügt hättest, wird dir wohl einjeder die 
nötige Schöpfungshöhe bestätigen.
Natürlich ist es nicht immer so eindeutig, klar. Festzuhalten ist aber, dass 
CC-BY zu beidem taugt: dazu, Werke zu plagiieren, zu entstellen, fremde 
Lorbeeren zu ernten; aber eben auch dazu, einen ästhetischen Mehrwert zu 
schaffen. Wer das erste Risiko zu tragen bereit ist, um anderen die zweite 
Möglichkeit offen zu halten, der ist bei CC-BY genau richtig.
Wer das nicht möchte, mag sich der weniger "freien" CC-Lizenzen bedienen oder 
auf einen Beitrag zur digitalen Allmende in Form von CC auch ganz verzichten.

Wie auch immer gearteter Druck in die eine oder andere Richtung wird aber 
stets ideologisch motiviert und deswegen destruktiv sein: Denn die 
Einschätzung, ob die Menschen eher verantwortungsbewusst oder eher 
verantwortungslos zu handeln neigen, kann jeder nur für sich selbst treffen.

Beste Gruesse
Johannes



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