[Fwd: [Berlin] Website für freies Lizenzieren von Nicht-Software Werken]
Hannes Hauswedell
hannes at fsfe.org
Mo Mär 24 12:30:31 UTC 2008
Hallo!
So dann will ich auch mal meine Meinung zu dem Thema kundtun:
Ich finde die Unterteilung in funktionale Werke, "Meinungswerke" und
Unterhaltungswerke / ästethische Werke nicht vollst. logisch. Dennoch
glaube ich, dass es für ein Organ wie die FSFE richtig ist, nach außen
diese Ansicht zu vertreten, da es für unterschiedliche Kämpfe
unterschiedliche Verbündete gibt und es unter den gegebenen Umständen
m.E. sinnvoller, also effektiver ist, Freiheiten Schritt für Schritt zu
erkämpfen, als zum "Frontalangriff" zu blasen (also auf jeden Fall für
Lobbyorganisationen wie die FSFE).
Warum die Unterteilung der Werke oder zumindest das Anwenden
unterschiedlicher Regeln auf sie m.E. falsch ist:
Alle diese Werke haben die Gemeinsamkeit durch Information representiert
zu werden, d.h. Reproduzierbarkeit und Veränderbarkeit ist heutzutage
ohne Kosten möglich. Da wir in einer Gesellschaft leben, die auf der
ausbeutirschen Produktion von Waren und deren Konsum aufbaut, muss der
Information ein warenförmiger Charakter aufgzwungen werden. Das
passiert durch rechtliche und/oder technische Einschränkungen (DRM) der
Verbreitung oder Veränderung.
So kann man dann die nicht frei angebotenen Möglichkeiten, dann noch als
Quasi-Produkte veräußern. Eine der Gesellschaft eigentlich zur
Verfügung stehende Resource, die Information, wird künstlich verknappt,
um an der Nachfrage verdienen zu können.
Betrachten wir die Unterscheidung funktionelle Information <->
ästhetische Information:
Auf den ersten Blick mag das logisch klingen, ein Programm macht
irgendwas, ein Bild kann man nur angucken. Aber in den meisten Fällen
ist die Unterscheidung doch garnicht so einfach. Betrachten wir eine
Geschichte, die eine Großmutter ihrer Enkelin erzählt. Für das Kind mag
die Geschichte unterhaltender Natur sein, die Großmutter will dem Kind
aber vielleicht durch die Geschichte etwas beibringen, womit die
Geschichte ein lehrendes Werk, ähnlich einem Schulbuch und damit
funktional wäre, oder nicht?
Sollte die Gesellschaft diese Unterscheidung nun machen? Oder sagt die
Gesellschaft: Geschichten sind Unterhaltung und vergibt das Recht
Geschichten mit -nc-nd zu versehen? Wäre das wünschenswert? Dann darf
diese Geschichte nur im Wortlaut verlesen werden und auch nicht von der
Babysitterin, denn die verdient schließlich Geld!
Es gibt viele Beispiele die Subjektivität dieser Unterscheidung
zeigen... vielleicht ist ja für einen Mathematiker ein Algorithmus
wesentlich ästethischer als ein Bild von Picasso oder ein Lied von
Rammstein....
Zurück zu einem Beispiel von vielleicht momentan größere Bedeutung:
Warum sollte eine Band -nc-nd auf ihr Werk vergeben können? Warum genau
ist die "Gitarrenspur" heiliger als ein Algorithmus in meinem Programm?
Warum profitiert die Gesellschaft nicht von Remixen von Musik? Warum
darf es nur einen Director's Cut von einem Film geben und nicht auch
einen Hannes' Cut? Vielleicht wäre der ja besser!?
> Wenn ich z.B. eine schöne Geschichte schreibe und sie unter eine
> "wörtliches Kopieren" / "ND" Lizenz stelle. Der Leser, kann sich die
> Geschichte auch umschreiben und den coolen Namen Spider Jerusalem
> überall in Kübelböck umändern. Nur darf er es danach so nicht weiter
> verbreiten. Warum sollte das nicht legitim sein? Ich will nicht,
> dass meine coole Hauptperson Kübelböck heißt. Und was hätte es mit
> freier Kultur zu tun, dass jemand den Namen meiner Hauptperson
> umändern darf?
Genausowenig wie //du// die Software von jemand anderem veränderst,
ändert //er// den Namen //deiner// Hauptperson! Er erstellt wenn dann
ein derivates Werk von deinem, indem die Hauptperson Kübelbock heißt.
Die Spider Jerusalem-Story wird es ja danach genauso von deiner
Homepage zum runterladen geben. Ob auf www.dieTollstenGechichten.de
dann deine Geschichte oder seine Platz1 wird hat ja nur damit zu tun
was in der Gesellschaft (oder besser gesagt im Nutzerkreis der Seit)
besser ankommt. Vielleicht wird seine Geschichte ja auch beliebter und
du bekommst nur alle drei Wochen Fanpost, während bei dem
Kübelbockautor die Frauen schlange stehen... Tja, so ist das halt. Die
Gesellschaft hat von deiner Geschichte trotzdem mehr profitiert, als
wenn sie -nd gewesen wäre.
> Oder ich habe einen Anti-Kriegs-Film gedreht und jemand ändert
> einfach den Schluss und auf einmal wird mit dem Film der Krieg
> verherrlicht.
Oder du adaptierst einen Kriegsverrlichenden Film zu einem
Anti-Kriegsfilm...
Das ist doch genauso wie mit Software. Wenn ich ein SIcherheitstool
schreibe, damit sich die Bürger gegen Staatsüberwachung schützen
können, kann es auch sein, dass das Militär das nimmt um seine Soldaten
in seinen Angriffskriegen vor "feindlicher" Spionage zu schützen.
> Oder ich habe mit meiner Band einen Song gemacht gegen Rassismus,
> jemand ersetzt die Tonspur mit gewaltverherrlichendem Text.
s.o. Gerade bei solchen Werken muss einem doch die Funktionalität des
ästhethischen ins Auge springen, oder nicht?
Zuletzt will ich noch auf die Meinungswerke eingehen:
Das einzige Problem was ich bis jetzt ausmachen konnte ist die
Kenntlichmachung von Veränderungen um eine Verwechslung zu verhindern.
Hier gilt im Prinzip schon, was ich geschrieben habe: Wenn du einen
politischen Diskurs führst, wird es deine Version eines Textes
immernoch auf deiner Seite geben, alles andere wird von der
attribution-klausel in Kombination mit der im internationelen
Urheberrecht implizit verankerten non-advertisement-klausel geregelt.
Im Endeffekt, muss unter jeden Derivat dann drunterstehen, dass es Teile
von dir enthält, ohne dass mit deinem Namen gegen deinen Willen für das
Derivat geworben werden darf.
Dass irgendjemand den Sinn verfremden kann, indem er in einem Aufsatz
immer das Wort "Nazi" durch "Astronaut" ersetzt und alle Satzzeichen
weglässt, ist klar, aber hat das wirklich negative Folgen für eine
Gesellschaft wenn Verwechslung mit den Originalautor ausgeschlossen
wird?
Und was die nicht eindeutige Zuordbarkeit angeht, könnte ich Frage was
denn nun ein Film wie Blood Diamond z.B. ist. Ein typischer
(spannender) Hollywood FIlm, also Unterhaltung, oder wegen seiner
Gesellschaftskritik, ein poltisches, also Meinungswerk?
Aber wie gesagt, der Kampf um Freiheit in Musik/Filmen ist nicht Aufgabe
von FSFE, das würde den Kampf um Freiheit in Software sehr beschädigen.
--
Solidarische Grüße
Hannes
P.S: Matze, ich könnte ja mal provokativ fragen, wie du es rechtfertigst
Künstlern technische Möglichkeiten (DRM) zum Durchsetzen von -nd zu
verweigern, wenn du ihnen die rechtliche Möglichkeit zubilligst?
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