Re: [Fwd: [Berlin] Website für freies Lizenzieren von Nicht-Software Werken]

Ximian Walk ximianwalk at googlemail.com
Di Mär 18 15:04:07 UTC 2008


Hey guys!


>  > Dazu sage ich: Jeder kann sein Zeug so lizenzieren wie es ihr beliebt.
>  > Aber wenn zB. Modifikation ausgeschlossen ist, dann sollte das ganze
>  > nicht unter dem Banner freies Wissen/Kultur laufen.

Dem kann ich zu 100% zustimmen. Jeder soll seine Werke lizenzieren
dürfen, wie er möchte - auch proprietär. Jedoch bin ich für eine
Abänderung des Urheberrechts (Starke Kürzung der Ablauffristen,
Einführung von Fair Use auch in der EU, ...), aber das ist ein anderes
Thema.

Was Creative Commons angeht, verfolgen sie aber einen etwas anderen
Ansatz als die freie Kulturszene. Sie gehen von der "normativen Kraft
des Faktischen" aus, sprich: Digitale Inhalte lassen sich quasi
kostenlos verlustfrei kopieren und dies wird auch gemacht - ob es nun
erlaubt ist, oder nicht ("Piraterie!!!!"). Sie sagen sich also: "Lasst
uns diese Tatsache akzeptieren und die Potentiale statt der Gefahren
darin erkennen und für uns nutzen, anstatt etwas zu verteufeln, das
sich sowieso nicht verhindern lässt."

Damit mich niemand falsch versteht: Ich finde es gut, dass es diese
NC- und ND-Lizenzmodelle gibt. Aber so lizenzierte Inhalte haben mit
"Free Content" und freier Kultur nur sehr wenig zu tun und sie sollten
sich nicht mit dem Erfolg der freien Kultur schmücken. Besonders die
NC-Inhalte sehe ich sehr problematisch, da es hier entweder um eine
Werbeverbreitung proprietärer Inhalte geht (wunderbar, aber hat mit
freier Kultur nichts zu tun) oder es sich um reine Hobby-Werke (nicht
als Beschimpfung anzusehen) wie z.B. das Blog netzpolitik.org handelt.

Aus den folgenden Gründen kann ich NC-lizenzierte Inhalte beim besten
Willen einfach nicht als frei betrachten:

   1. Eines der faszinierendsten Dinge an FOSS, welches letztendlich
auch maßgeblich deren Erfolg begründet, ist meiner Meinung nach der
inzwischen fließende Übergang von bezahlten, "professionellen"
Entwicklern und welchen, die das "nur mal so" als Hobby tun bzw.
kompetenten Usern, die einen nervenden Bug oder ein Sicherheitsleck in
einer Software einfach selbst entfernen können. Daher ist die -
aufgrund ihrer Essenzialität von Stallman mit 0 nummerierte -
Verwendungsfreiheit die Basis für eine freie Wissensgesellschaft, die
über von der Kostenlos-Mentalität geprägte Communitys hinausreicht.

   2. NC ist eine Einbahnstraße: Einmal als NC lizensiert und oft
genug remixed kann der Inhalt nie wieder kommerziell verwertbar
werden, da es quasi unmöglich ist, die ganzen Urheber zwecks einer
Relizensierung ausfindig zu machen. Geniale Projekte wie POV-Ray
stehen zur Zeit genau vor diesem Problem. Insofern halte ich CC-ND-
und CC-ND-NC-Lizenzen für unproblematischer als CC-NC und CC-NC-SA.
Das frappante an der ganzen Geschichte ist, dass eine NC-Lizensierung
sogar dem ursprünglichen Urheber selbst auf die Füße fallen könnte,
wenn er mit oft remixten Inhalten von sich Geld verdienen möchte.

   3. "Kommerzielle Nutzung" ist schwammig: Selbst ein einziger
Werbebanner auf meinem Blog macht mir die legale Einbindung von
NC-Inhalten unmöglich. Ein gemeinnütziger Verein zum Beispiel, der
durch den Verkauf einer CD mit freien Inhalten Spenden sammeln will,
kann das nie tun, wenn dort NC-Inhalte darauf sind. Das NC-Attribut
schränkt somit die Verbreitung der Inhalte massiv ein - was wohl in
der Regel nicht im Sinne des Urhebers sein sollte.

   4. NC-Inhalte können nie den Weg auf eine "Truely Open
Source"-Distribution finden, die z.B. den
Debian-Free-Software-Guidelines unterliegt.

   5. Ausbeutung quasi nicht möglich: Wohl einer der Hauptgründe, die
Nutzer zu einer NC-Lizensierung treibt, ist vermutlich die Angst vor
kommerzieller Ausnutzung ihrer Inhalte. Doch warum würde jemand für
etwas Geld bezahlen, das er auch kostenlos vom ursprünglichen Urheber
bekommen könnte, wenn der Verwerter den Inhalt nicht - in welcher Form
auch immer, sei es durch Dienstleistung oder zusätzliche Beigaben -
entsprechend aufgewertet, veredelt hätte? Hat er das getan, ist es
dann nicht auch legtim, wenn er dafür etwas bekommt - zumal er damit
ja auch für den ursprünglichen Inhalt Werbung macht?

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Artikel von Erik Möller
verweisen, in dem die "NC-Problematik" umfassend erläutert ist:
http://www.opensourcejahrbuch.de/download/jb2006/chapter_06/osjb2006-06-01-moeller


>  Aber warum sollte es bei Werken
>  der persönlichen Meinung oder Erfahrung notwendig sein, dass
>  modifizierte Versionen gemacht werden können?  Wörtliches Kopieren und
>  nicht-kommerzielle Weiterverbreitung reichen hier doch.

Mag sein, aber das hat, wie oben dargelegt, eben mit freier Kultur nur
sehr wenig zu tun.

Schöne Grüße,
ximian

PS: Ein Teil dieses Beitrags kommt aus unserem Blog:
http://bitgewitter.blogger.de/stories/878008/





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