Gutes mit Gutem vergelten, macht erfolgreicher
Joachim Jakobs
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So Sep 10 22:10:55 UTC 2006
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HANDELSBLATT, Montag, 4. September 2006, 07:00 Uhr
"Auge um Auge, Zahn um Zahn"
Rache ist nicht süß, sondern macht arm und arbeitslos
Von Norbert Häring
Menschen, die stark dazu neigen, Gutes mit Gutem zu vergelten, verdienen im
Durchschnitt mehr als solche, dazu weniger neigen – das zeigt eine neue
Studie. Wer sich gerne im Schlechten revanchiert, ist dagegen häufiger
arbeitslos und verdienen weniger.
Der alttestamentarische Grundsatz, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, ist
nicht in jedem Fall ein guter Leitfaden für beruflichen und sozialen Erfolg.
Hilfreich ist er nur im Sinne von Gutes mit Gutem vergelten – das Prinzip
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ dagegen erweist sich in aller Regel als
Bumerang.
Wer stark dazu neigt, Gutes mit Gutem zu vergelten, verdient im Durchschnitt
mehr als jemand, der dazu weniger neigen – das hat eine Gruppe von
Wissenschaftlern um Armin Falk, den Forschungsdirektor des Instituts zur
Zukunft der Arbeit (IZA), herausgefunden. Menschen, die sich gerne im
Schlechten revanchieren, sind dagegen häufiger arbeitslos und verdienen
weniger als andere.
Die Bonner Studie ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass das klassische
Menschenbild der Ökonomie sehr realitätsfremd ist. Im Zentrum traditioneller
Modelle steht der eigensüchtige „Homo oeconomicus“ – zahlreiche
Laborexperimente und zunehmend auch Feldstudien zeigen allerdings: Menschen
sind soziale Wesen, denen Altruismus nicht fremd ist, die einen Gefallen
erwidern und sich für erlittene Unbill revanchieren – selbst wenn dies ihnen
selbst Nachteile verursacht.
Allerdings: Im wirklichen Leben scheint es längst nicht nur den einen „Homo
reziprocans“ zu geben, der stets Gleiches mit Gleichem vergilt, zeigt die
jetzt veröffentlichte Studie der Bonner Forscher.
In der Realität lassen sich Menschen in drei verschiedene Gruppen einordnen:
Erstens gibt es diejenigen, die vor allem im Positiven Gleiches mit Gleichem
vergelten – dieses Verhaltensmuster ist am weitesten verbreitet. Zweitens
gibt es Menschen, die sich hauptsächlich im Negativen reziprok verhalten –
sie sind allerdings in der Minderheit. Drittens gibt es eine Gruppe, für die
beides gilt.
Grundlage für diese Erkenntnisse sind die Antworten von 21 000 Teilnehmern des
Sozioökonomischen Panels, einer Befragung, die als repräsentativ für die
erwachsene deutsche Bevölkerung gilt. Die Teilnehmer wurden gefragt, wie sehr
Aussagen über ihre Neigung zu positiver und negativer Reziprozität auf sie
zutreffen.
Tatsächlich scheint der „Homo oeconomicus“, der sich weder im Positiven noch
im Negativen revanchiert, fast nicht vorzukommen. Viele Befragte berichteten
von einem starken Hang zu positiver Reziprozität, die meisten haben zudem nur
eine geringe Rache-Neigung.
Im Durchschnitt kamen die Befragten bei den Fragen zur positiver Reziprozität
auf einer Skala von 1 („trifft nicht zu“) bis 7 („trifft voll zu“) auf einen
Wert von 5,8. Bei den negativen lag das Mittel dagegen nur bei 3,1. Frauen
neigen deutlich stärker zu positiver und deutlich weniger zu negativer
Reziprozität als Männer. Mit zunehmendem Alter nimmt ebenfalls die Neigung
zur positiven Reziprozität zu und die Neigung zur negativen Variante ab.
Eindeutig ist zudem ein weiterer Befund: Wer nach den Prinzipien der
alttestamentarischen Rächer lebt, muss in aller Regel erhebliche
wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen – weil er größere Schwierigkeiten
hat, soziale Bindungen einzugehen und aufrechtzuerhalten, vermuten die
Wissenschafter.
Zudem dürften solche Menschen dazu neigen, auf Zumutungen durch Vorgesetzte
oder Kollegen auf eine Weise zu reagieren, die ihnen selbst schadet. Zu
diesen Reaktionen scheint auch Blaumachen zu gehören – denn Menschen, die
eine starke Neigung zu negativer Reziprozität angeben, haben zugleich
überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten.
Menschen, die im positiven Sinne Gleiches mit Gleichem vergelten, machen
dagegen mehr Überstunden und verdienen auch überdurchschnittlich gut.
Allerdings: Durch die längere Arbeitszeit ist ihr Stundenlohn nicht höher als
von anderen Menschen. Diese Beobachtungen sind möglicherweise ein Baustein
für die Erklärung von Arbeitslosigkeit. Denn die Ergebnisse von Falk und Co.
legen den Schluss nahe: Unternehmen haben Anreize, ihren Beschäftigten
freiwillig höhere Löhne zu zahlen, als es das Spiel von Angebot und Nachfrage
eigentlich erfordern würde – weil sie dafür vom „Homo reziprocans“ im
Gegenzug mehr Engagement erwarten können.
Auch für andere wirtschaftspolitische Felder haben die Erkenntnisse der Bonner
Ökonomen einige Bedeutung – zum Beispiel mit Blick auf das Steuersystem. Wer
Steuerhinterziehung vermindern möchte, sollte mehr Gewicht darauf legen, dass
die Menschen die Steuergesetze und ihre Durchsetzung als fair empfinden,
schreiben die Autoren.
In der Sozialpolitik sprechen die Erkenntnisse nach Ansicht der
Wissenschaftler dafür, Hilfsbedürftige nur dann relativ großzügig zu
unterstützen, wenn sie sich bemühen, im Gegenzug eine Leistung für die
Gesellschaft zu erbringen. Dann sei mit breiter Unterstützung in der
Bevölkerung auch für relativ großzügige Hilfen zu rechnen. Für
Personalabteilungen von Unternehmen stellt sich die Frage, ob und wie man bei
Neueinstellungen die verschiedenen Verhaltenstypen unterscheiden kann. Dabei
allerdings tappt die Wirtschaftswissenschaft noch weitgehend im Dunkeln.
-------------- nächster Teil --------------
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