[kyrah at sim.no: Re: Doppellizensierung, Kommerz und Freie Software]

Thomas Templin templin at gnuwhv.de
Do Aug 7 20:04:14 UTC 2003


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On Thursday 07 August 2003 19:15, Karin Kosina wrote:
>  interessante Diskussion... erlaubt mir eine kurze
> Stellungnahme. Meiner Meinung nach ist Doppel-Lizenzierung eine
> gute Sache.
>
> Ich arbeite fuer Systems in Motion am von Bernhard K. erwaehnten
> Coin Projekt. Zum Hintergrund: Coin ist eine Reimplementierung
> der Open Inventor API, urspruenglich nur zum internen Gebrauch
> in SIM entwickelt. Irgendwann stellten wir dann fest, dass die
> Bibliothek wohl auch fuer andere Entwickler interessant sein
> koennte, und veroeffentlichten die Library -- von Anfang an
> sowohl unter der LGPL als auch einer proprietaeren Lizenz. Und
> das war nicht, um die enthusiastischen Tester und Nutzer aus der
> Community auszunutzen, wie Bernhard R. so charmant andeutet,
> sondern weil wir an Freie Software glauben.
>
> Warum nun die proprietare Lizenz? Nun, ganz einfach -- das
> Haupteinkommen von SIM besteht aus Projekten, die wir im Auftrag
> unserer Kunden entwickeln (die meisten davon basierend auf
> Coin). Kein einziger dieser Kunden waere bereit, sein Produkt
> als Freie Software zu veroeffentlichen. Das heisst, wir muessen
> diesen Kunden entweder die Moeglichkeit geben, Coin unter einer
> proprietaeren Lizenz zu verwenden, oder sie an die Konkurrenz
> verweisen.
Du sprichst von Kunden, plural.
Wäre es nicht ein sinnvoller Ansatz nicht jeden einzelnen dieser 
Kunden einzeln an zu sprechen sondern _die_Kunden_ ,plural, 
insgesamt.
Ich denke in Fällen in denen man es mit Kunden, genug gepluralt :), 
zu tun hat wird es interessant zu überlegen an evtl. existierende 
Interessenverbände der Kunden heran zu gehen und denen über ihren 
Verband eine gemeinsame Entwicklung vor zu schlagen.

Wir haben hier in Friesland die ersten kontakte zur Handwerkskammer 
Jever aufgebaut und vesuchen denen solch ein Modell nahe zu 
bringen. Die Kammer als Interessenverband können eine Funktion des 
Dienstleisters gegenüber ihren Mitgliedern wahrnemen der im 
Interesse ihrer Klientel die Entwicklung Freier Software fördert.

Hintergrund: Es gibt im Bereich des Handwerkes viele etablierte 
Anwendungen für die es aus dem Umfeld der Freien Software keine 
Alternative gibt. Die Anwendungen sind zum grössten Teil recht 
überschaubar, mal diplomatisch formuliert, ich könnte auch sagen 
es handelt sich um pillepalle Anwendungen.
Wen die Handwerker erst einmal einsehen das solch eine 
Vorgehensweise allen Helfen kann und nicht die Gefahr in sich 
birgt das ein einzelner dadurch Nachteile gegenüber seinen 
Mitbewerbern hat dann fangen sie an die Ohren zu spitzen.

Meines Erachtens hat solch ein Ansatz für alle Seiten Vorteile.
- - Die einzelnen Mitglieder der Kammer teilen sich die Kosten der 
Entwicklung und der Weiterentwicklung. Sie haben damit eine 
Anwendung die nicht von Heute auf Morgen eingestellt wird, nach 
dem Motto, "Hallo Kunde, wir haben gerade beschlossen unser 
produkt XYZ nicht mehr weiter anzubieten. Wir wünschen ihnen viel 
Spass, und Tschüss."
- - DIe Kammer nimmt die Funktion der Kordination und 
Projektsteuerung, aus derSicht der Kammer, wahr. Sie sammelt die 
"Lastenhefte" der Handwerker und fasst sie für die Entwickler 
zusammen. Und die Kammer kann sich positiv gegenüber ihren 
Mitgliedern profilieren.
- - Das Entwickelnde Unternehmen muss n Entwickler Bezahlen, dabei st 
egal ob ein Kunde dazu beiträgt oder ob es mehrere Kunden 
gemeinsam tun. Bisher war dies nicht ganz unproblematisch da die 
Kunden auf dem Markt als Mitbewerber auftreten. Über die Kammer 
oder eine andere Interessenvertretung ist für die einzelnen Kunden 
plausibel zu machen das nicht ein einzelner einen Vorteil erhält, 
es aber trotzden günstiger für jeden einzelnen wird.

- - Es ist Volkswirtschaftlich effektiver so Branchenspezifische 
Software zu entwickeln. Mann muss allerdings eine Menge Zeit 
investieren bis die Interessenvertretungen auf entsprechende 
Argumente eingehen. Diese Zeit wird nicht bezahlt, es gibt noch 
keine Interessenvertretung der Freien Software die als Pendant zu 
den Kammern diese Leistungen honorieren kann.

> Und auch wenn die Puristen unter euch jetzt empoert aufschreien
> werden, wir tun ersteres. Warum auch nicht? Ich muss ehrlich
> sagen, manchmal bin ich es leid, diesen Ansatz verteidigen zu
> muessen. (Ich spreche jetzt nicht von dieser konstruktiven
> Diskussion hier, sondern von Fanatikern, die glauben, die Welt
> sei schwarz-weiss, und jeden kreuzigen, der Grautoene sieht.)
Ei. ei, gute Kira, liebe Kira. Motivier, Motivier...

> Die Einnahmen aus der proprietaeren Lizenzierung erlauben uns,
> Zeit in die Entwicklung der Freien Version zu investieren. Das
> Ergebnis fuer unsere GPL-User: Bessere Software, mehr Features,
> weniger Bugs. Die proprietaere Version von Coin bringt uns das
> Geld, das wir brauchen, um die Entwicklung der Freien Version zu
> finanzieren.
Mal ne defätistische Frage am Rande, was macht ihr um von den 
Nutzern der GPLisierten Version einen finaziellen Rückfluss zu 
erreichen?

>
> Wo liegt das Problem? Ich bin persoenlich der Meinung, wenn
> jemand proprietaere Software entwickeln moechte, ist das zwar
> schade, aber ich werde ihn nicht daran hindern. In dem Fall kann
> er aber auch nicht die Rechte, die er unter der GPL haette,
> beanspruchen. Und er muss (nicht "soll" -- falls er die
> Notwendigkeit sieht) bezahlen -- um, wenn er schon seinen Code
> nicht der Community zur Verfuegung stellt, mit seinem Geld zur
> Weiterentwicklung beizutragen. (Ich halte es fuer einen grossen
> Schwachpunkt der LGPL, dass die Integration in nicht-Freie
> Software so leicht moeglich ist. Darum ist Coin auch seit
> Version 2.0 unter der GPL statt der LGPL.)
Ich bin der Meinung dies könnte in vielen Fällen anders aussehen 
wenn den die Entwickler mehr Wert auf eine "Vermarktung" ihrer 
Leistungen legen würden. Teilweise hab ich bei einigen den 
Eindruck sie sitzen den lieben langen Tag in der verdunkelten 
Bude, hacken vor sich hin und sind dann angepisst wenn keiner ihre 
Leistung honoriert...

> Nochmals: Realistisch betrachtet waere in den meisten Faellen
> die Alternative zu einer Doppel-Lizenz _nicht_, dass es keine
> proprietaere Version gibt sondern dass es keine Freie Version
> gibt.
>
> Um ehrlich zu sein, ich finde, viele enthusiastische Verfechter
> Freier Software sehen die Dinge zu idealistisch, um nicht zu
> sagen blauaeugig. Es wird noch lange proprietaere
> Software-Entwicklung geben -- wenn wir dabei als "Nebeneffekt"
> mehr Freie Software bekommen, sehe ich das als etwas sehr Gutes.
ACK, aber es braucht die Wadenbeisser um die zähe, annähernd 
nichtnewtonsche Flüssigkeit Volkswirtschaft in Bewegung zu 
bringen.
Feuer von oben und von unten ergibt den besten Kuchen. *grins*

Tschüss,
Thomas
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