Doppellizensierung, Kommerz und Freie Software

Bernhard Kaindl bernhard.kaindl at gmx.de
Do Aug 7 12:45:14 UTC 2003


Hallo Bernhard,

ich möchte zuerst klarstellen, dass ich nicht für MySQL arbeite,
aber ich arbeite im Bereich der Linux-Distriubutoren und habe nicht
nur daher eine andere Sicht auf die Dinge.

Zu:
http://www.pro-linux.de/cgi-bin/NB2/nb2.cgi?send-edit.5812.3010.21002810032.

> Sofern MySQL den Klienten Wert bringt, sollten diese den Wert in eigenem
> Interesse auch für eine Freie Software bezahlen.

Natürlich sollten sie in eigenem Interesse für freie Software Zahlen, aber
jede Firma wird sagen: "Wieso ich? Ich kann das Geld für eigene Projekte
besser benutzen".

Ich glaube also dass keine Firma freiwillig für eine Software die unter
LGPL steht, jemand etwas zahlen wird. Jede Firma hat ein Budget, und wenn
sie keinen "Buisness-Case" darin sieht dafür zu bezahlen wird sie in ihrem
Budget keinen Posten dafuer machen, ergo kein Geld.

Ausserdem, an wen sollte eine Firma dieses Geld überweisen wenn die Software
von der Community von vielen Hunderten programmiert wird. Wie sollte man
dieses Geld verteilen?

Ich würde dafür natuerlich die FSF vorschlagen, aber sollte es die FSF
sein, oder die FSF-Europe, oder die FSF-Germany - wem gehört das Geld
und wie soll es verwendet werden?

> Selbstverständlich ist es ein begrüßendswerter Fortschritt, wenn von einer
> nicht-freien Software nun eine GNU GPL Version als Zweitlizenz hinzukommt.

Klar, ein weiters gutes Beispiel neben Qt ist Coin3D, es ist das Produkt
von sehr vielen Mannjahren, und ist jetzt auch unter GPL als Zweitlizenz
releast: http://www.coin3d.org/

Der Vorteil für Qt/Coint3D ist, dass die Software, die kommerziell
entwickelt wird, durch die Veröffentlichung unter der GPL, User/Tester
im Open Source-Bereich bekommt, was gut für Open Source ist und gut
für die Firma, da sie die Möglichkeit hat, Tester zu bekommen auf
die sie sonst keinen Zugriff hätte.

> Sofern von einer Freien Software aber eine proprietäre Lizensierung
> hinzukommt, ist es ein Rückschritt.

Das sehe ich auch so, aber nur wenn die Software von eine grosse
freie Entwicklerbasis hat, und die durch die proprietäre Lizensierung
ausgeschlossen würden. Das wäre sehr schlecht.

Aber ich meine es gibt zwei Arten von Free Software/Open Source Projekten:

a) Projekte wie der Linux Kernel oder Gnome die von hunderten/tausenden
   entwicklern vorangetrieben werden, wo zwar kommerzielle Firmen auch
   ihren Beitrag liefern, aber wo man sagen kann das das Projekt keineswegs
   nur von einer Firma vorangetrieben wird.

b) Projekte wie Qt, Coin3D und SAP DB

   Das sind eigentlich kommerzielle Projekte, die, auch wenn sie unter
   einer freien Lizenz stehen, trotzdem von der Art der Entwicklung
   kommerzielle Projekte sind.

Qt wird von Troll Tech entwickelt sie dürfte meines Wissens der einzige
echte Copyright-Owner der kommerziellen Codebasis sein und Troll kann
die Weiterentwicklung der gemeinsame Codebasis dadurch finanzieren.

Das heisst auch, dass die Weiterentwicklung von Qt sehr start von den
Kommerzellen Wünschen von Qt abhängt und damit andere Dinge die eigenlich
auch gut wären(z.B. Internationalierung) ins Hintertreffen geraten können.

Aber das ist die Natur von kommerzieller Softwareentwicklung. Es ist gut
dass Troll Qt auch unter einer freien Lizenz zur Verfügung stellt, aber
Troll ist auch eine Firma, die Entwickler bezahlen muss und was bei dem
kommerziellen Projekt rauskommt, bekommt die Open Source Community auch,
also für alle eine gute Situation.

Das heisst nicht, dass das Modell von Qt besser ist als Gnome, es stecken
aber grundverschiedene Entwicklungsmodelle dahinter.

Bei Coin3D vs. FreeWRML ist es genauso, nur ist Coin3D nicht so bekannt.

Genauso ist es meiner Meinung nach mit SAP DB. SAP DB war wie Coin3D
viele viele Jahre lang ein rein kommerzielles Projekt das einmal
unter eine freie Lizenz gestellt wurde .Aber bei SAP DB war auch
klar, dass, weil es keine freien Programmierer fuer die SAP DB gibt
und sich niemand, der den Code nicht kennt damit wird abgeben wollen,
ist es für mich voellig aussichtslos dass sicht die SAP DB von der
Free Software Community übernommen wird und Entwicklung dafür gestartet
wird. SAP DB wird von seiner Geschichte her auch nur im kommerziellen
Umfeld benutzt und welcher freie SQL-Datenbankentwickler wird von
Postgres/MySQL zur SAP DB schwenken wenn es bei dem eigenen Projekt
viel mehr Entwickler gibt. Die anderen Alternativen leben und SAP
DB ist meiner Meinung nach als Free Software einfach tot. Um es
wieder zum leben zu erwecken müsste sich eine Firma, die die Möglichkeit
hat, SAP DB kommerziell zu verkaufen und damit Entwicklung zu bezahlen,
der Sache annehmen und genau das scheint zu passieren.

Ich muss sagen dass ich SAP DB nicht genau recheriert habe, aber
das ist die Sicht die ich habe, wenn ich mit den Informationen die
ich aktuell habe, auf die Sache schaue.

Wenn jede Verquicklung von freier Software mit kommerziellen Interressen
schlecht wäre, dann wäre es auch schlecht Distributoren wie RedHat und
SuSE zu haben, die sind für die echten Cracks zwar unnötig, aber
sie fördern die Anwendung von freier Software.

Bernhard
--
BTW, die Abstimmung über die Einführung von Softwarepatenten ist am
1. September:
http://wiki.ael.be/index.php/ManifAgainstSoftwarePatents
--
"The exclusive right to invention [is] given not of natural right,
but for the benefit of society." -- Thomas Jefferson
--
Quote: "The civilisation advances not by thinking what we are doing,
        but by being able to do things whithout thinking about them"
Free Software:    The most effective way put the above into practice.
Software patents: Owning ideas for 20 years helps lawers, not the society





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