Frei Software

Lutz Horn lh at lutz-horn.de
So Sep 30 14:23:49 UTC 2001


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Sehr geehrte Linux Enterprise-Redaktion,

auch wenn mir bekannt ist, dass sich Ihre Publikation in erster Linie
der kommerziellen Nutzung von so genannter "Open Source"-Software
widmet, möchte ich Sie trotzdem auf einige Fehler hinweisen, die Ihnen
im Zusammenhang mit diesem Begriff, vor allem aber mit dem der Freien
Software unterlaufen sind.

Wie Sie sicher wissen, ist der Begriff der Freien Software geprägt von
der Free Software Foundation (FSF). Eine Software, die unter ihn fallen
soll, muss insgesamt vier Freiheiten gewährleisten, die unter

  The Free Software Definition
  http://www.gnu.org/philosophy/free-sw.html

nachzulesen sind. Wesentlich für das Selbstverständnis der FSF und der
Bewegung für Freie Software ist außerdem, dass sie nicht den, primär zu
Marketing-Zwecken 1998 entwickelten, Begriff "Open Source" verwenden.
Eine Begründung hierzu findet sich z.B. unter

  Why ``Free Software'' is better than ``Open Source''
  http://www.gnu.org/philosophy/free-software-for-freedom.html

aber auch jede Äußerung von Richard M. Stallman lässt keine Zweifel an
seiner Haltung zu "Open Source".

Nach dieser Vorrede nun drei Punkte im Heft 10/2001, die mir aufgefallen
sind und die so nicht unkommentiert stehen bleiben können.


1. Im Artikel "Wenig spektakulär" auf Seite 6 berichten Sie über die
O'Reilly Open Source Convention. Auf dieser Veranstaltung ist auch die
FSF mit einem Vorschlag an Craig Mundie von Microsoft heran getreten,
den Sie folgendermaßen schildern:

  "... Damit wollen die Open Source Puristen rund um Richard Stallman
  dem Microsoft-Strategen die Philosophie hinter Open Source näher
  bringen."

Dies ist falsch. Die Vertreter der Bewegung für Freie Software sind
weder Puristen des "Open Source" noch wollen sie die "dahinter" liegende
Philosophie vermitteln. Richtig ist, dass die Bewegung für Freie Software
nichts mit der "Open Source"-Bewegung zu tun hat, vielmehr eine eigene,
eben die für Freie Software, ist. Die durch sie vermittelbare
Philosophie kann daher nur die der Freien Software sein, wie sie etwa
unter

  Philosophy of the GNU Project
  http://www.gnu.org/philosophy/philosophy.html

nachgelesen werden kann.

Weiterhin kommentieren Sie im selben Absatz:

  "Es ist kein Geheimnis, dass diese Puristen ... Open Source
  Companies für halbherzig halten: Schließlich ist die Maxime eins jeden
  Unternehmens, möglichst viel Geld zu verdienen, und dies gelingt auch
  einigen Open Source Unternehmen, die dann ebenfalls ihre Macht spielen
  lassen."

In diesen Sätzen vermitteln Sie den Eindruck, die Bewegung für Freie
Software hätte etwas gegen "viel Geld zu verdienen". Das ist falsch.
Richtig ist, dass es ihr um die Freiheit von Software geht. Das
Gegenteil von Freiheit für Software und damit deren Benutzer ist aber
nicht, wie fälschlich auch von Ihnen immer wieder behauptet wird,
Software, mit der Geld verdient werden kann, sog. kommerzielle Software.
Ebenso falsch wäre es, zu behaupten, kostenlose Software wäre
automatisch Freie Software. Das Gegenteil von Freier Software ist
vielmehr proprietäre Software, also solche, die dem Benutzer nicht die
genannten vier Freiheiten einräumt.  Das Gegensatzpaar "kostenlos" und
"kostenpflichtig" oder "kommerziell" hat mit der Einschätzung, ob
Software Frei oder proprietär ist, nichts zu tun. Sehr wohl kann
proprietäre Software kostenlos sein, ebenso kann aber auch Freie
Software kostenpflichtig und kommerziell sein. Näheres findet sich in
einem Text von Richard M.  Stallman unter

  Selling Free Software
  http://www.gnu.org/philosophy/selling.html


2. Im Artikel "Rundum sorglos" auf Seite 25 schreiben Sie, die Software
VShop der Intradat AG stünde "als Open Source Variante zur Verfügung".
Dies mag richtig sein, zeigt aber nur wieder einmal, dass "Open Source"
und die damit assoziierte Möglichkeit zum "Hineinblicken" in den
Quellcode allein eben nicht ausreicht, Software zu Freier Software zu
machen.

Die "inraDat Public License"
(http://www.vshop.org/download/ipl_1.0.0.txt), ist nämlich keine Lizenz
für Freie Software, auch wenn sie aus Sicht der "Open Source"-Vertreter
vielleicht den "Open Source"-Richtlinien genügen mag.


3. Im Artikel "Gegen das Vergessen" auf den Seiten 72 bis 74 stellen Sie
die Software BitKeeper vor. Sie behaupten, die Lizenz dieser Software,
die sog. "BitKeeper License" (http://www.bitkeeper.com/4.4.2.htm)

  "... orientiert sich zwar weitestgehend an der GPL, da es sich jedoch
  bei BitKeeper um eine kommerzielle Software handelt, sind einige
  Besonderheiten zu beachten."

Zunächst ist daruf hinzuweisen, dass Freie Software und deren
kommerzielle Verwendung und Entwicklung in keinem Gegensatz stehen. Wie
oben bereits dargestellt, kann Freie Software, gerade auch solche unter
der GNU GPL stehende, sehr wohl kommerziell sein.

Tatsächlich ist aber auch die BKL keine Lizenz für Freie Software,
widerspricht daher auch bei noch so sehr behaupteter Nähe den Freiheiten,
die durch die GNU GPL für Freie Software verwirklicht werden sollen. So
fordert etwa die BKL, dass jede abgeleitete Arbeit eine sog. "Conforming
Software" ist, also Software, die bestimmten durch den Hersteller
BitMover festzulegenden technischen Bedingungen entspricht.


Es würde mich freuen, wenn Sie in Ihrer weiteren redaktionellen
Tätigkeit meine Hinweise berücksichtigen und insbesondere die korrekten
Begriffe verwenden würden: nennen Sie bitte "Open Source" was "Open
Source"-Software, Frei was Freie Software, proprietär was proprietär und
kommerziell was kommerziell ist. Auch im Bereich der Software ist
Klarheit der verwendeten Begriff sinnvoll.

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Horn
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Comment: Weitere Infos: siehe http://www.gnupg.org

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