Empfehlung der FSF Europe: SourceForge meiden

Georg C. F. Greve greve at gnu.org
Mo Nov 12 16:00:09 UTC 2001


[ Da die deutschsprachigen Newsticker diese Geschichte scheinbar
  verschlafen haben, poste ich es auch nochmal hier. Folgediskussion
  findet sich auf Advogato.org. ]

  Die FSF Europe empfiehlt, den SourceForge Service zu vermeiden und
  stattdessen alternative Anbieter einzusetzen!


Loïc Dachary: SourceForge auf Abwegen

                                        [permanente URL dieses Textes:
               http://fsfeurope.org/news/article2001-10-20-01.de.html]

     In den letzten Monaten hat die Entwicklungsplattform SourceForge,
welche eine große Anzahl von Freie Software-Projekten beherbergt, ihre
          Politik geändert.  Möglichkeiten ein Projekt vollständig von
     SourceForge zu exportieren wurden entfernt. Die dahinter stehende
       Technik bestand früher ausschliesslich aus Freier Software; nun
     basiert sie auch auf nicht-freier Software.  Weiterhin wurden die
  Versuche von VA Linux[1] die Beiträge von externen Mitentwicklern zu
                                 kontrollieren immer undurchsichtiger.
	
SourceForge hat viel Gutes für die Freie Software-Gemeinde getan, doch
                           nun ist die Zeit gekommen sich zu befreien.


* Einsperren von Benutzern in einer Welt unfreier Software

SourceForge brachte Freier Software eine vereinheitlichte und
standardisierte Entwicklungsmethodik, aufbauend auf modernen
Werkzeugen.  Diese Werkzeuge (Fehlerdatenbank, Versionskontrolle durch
CVS, Webseiten, Benutzerunterstützung, Foren, Umfragen,
Nachrichtenkanäle, usw.) waren zwar vorher schon einzeln erhältlich,
aber wenige Entwickler nutzen sie alle zusammen, weil sie dafür die
Kombination eigenhängig aufsetzen mussten.  SourceForge machte die
Möglichkeiten, sowohl für neue und erfahrende Entwickler, leicht
zugänglich.

Wegen dieses Komforts von SourceForge ist seine Sammlung von Diensten
für viele Entwickler selbstverständlich geworden.  Sie würden nur
ungern zu den alten Verhältnisse zurückkehren.  Unglücklicherweise
bedeutet das auch, dass wenn SourceForge in die falsche Richtung geht,
es tendentiell viele Freie Software-Entwickler mit sich zieht.

Die zweite wichtige Sache, welche SoureForge ausmachte, war, dass sie
diese Umgebung ausschliesslich mit Freier Software aufbauten und zur
Verfügung stellten.  Insofern bot SourceForge der Freien
Software-Gemeinde nicht nur eine mächtige Methodik an, sondern
demonstrierte damit gleichzeitig was mit Freier Software möglich ist
und warb dafür Freie Software zu verwenden.  Und da die spezielle
Software für SourceForge frei war, konnte jeder einen ähnlichen
Service aufsetzen.  Die SourceForge-Software wurde so unwiderruflich
für Entwickler in aller Welt zugänglich. Entwickler, welche
(beispielsweise) in Indien leben und sich den Datendurchsatz zum
SourgeForge-Server nicht leisten können, wären in der angenehmen Lage
die gleichen Möglichkeiten auf ihrem Server einzurichten.

Im August 2001 vollzog VA Linux eine Kehrtwende in ihrer Politik und
fügte proprietäre Software zum SourgeForge-Server hinzu.  Mit der
Ankündigung, gibt Larry Augustin (VA Linux CEO) an, dass die Benutzer
von SourceForge.net "praktisch keinen Unterschied bemerken würden".
Das mag zwar stimmen, wenn letztere Scheuklappen aufsetzten und nur
einbezögen, was dieser eine Server ihnen bietet und wie er sich
bedienen läßt. Wenn wir jedoch über die Auswirkungen nachdenken,
stellt sich die Situation ganz anders dar.  Anstatt ein gutes Beispiel
für Freie Software zu sein, demonstriert SourceForge nun unfreie
Software. Es besteht die Gefahr, dass die vielen tausend registrierten
Menschen sich an SourceForge und damit an die mit unfreier Software
implementierten Möglichkeiten gewöhnen.

Ihnen als Entwickler Freier Software wäre es weiterhin gestattet den
SourceForge-Server ohne Entgeld zu nutzen, aber Sie würden die
Freiheit die verwendetet Software zu vervielfältigen, anzupassen, zu
studieren und weiterzugeben verlieren.  Sie wären nicht frei einen
ähnlichen Server selbst aufzusetzen oder auf Ihre Bedürfnisse
anzupassen.  Die letzte Veröffentlichung der
SourceForge-Server-Software liegt ein Jahr zurück.

Die Hinwendung zu unfreier Software war das Ergebniss einer Reihe von
Schritten mit dem Ziel die Benutzer an SourgeForge zu ketten. Es gab
nie einen Weg ein Projekt vollständig aus SourgeForge zu
extrahieren. Es gab Anstrengungen in diese Richtung deren Ergebnisse
dieses Jahr wieder entfernt wurden.  Zur Zeit ist nur der CVS-Baum und
die Fehlerdatenbank (mit /export/sf_tracker_export.php) erhältlich.
Wenige Leute wissen von letzterem, da die Methode nicht beschrieben
ist.  Die Export-Seite beschreibt wie Skripte verwendet werden, welche
schon nicht mehr existieren. Die Implementation von weiteren
Export-Möglichkeiten wurde gestoppt. Das Entwicklungsteam besteht
ausschliesslich aus Angestellten von VA Linux und ein paar wenigen
Leuten, welche den Quelltext nicht rausgeben dürfen.

Die Archive der E-Mail-Verteiler, ein Hauptangebot von SourceForge,
werden seit kurzem als nicht mehr betreut.  Wird diese Angebot durch
eine Lösung mit unfreier Software ersetzt?


* Aneignung der Arbeit Freiwilliger

Folgendes passierte mir kurz vor der Ankündigung, SourceForge würde
unfreie Software benutzen und entwickeln.  Da ich als Beitragender zur
SourceForge Software aufgeführt bin (in den Quellen und der der
Dokumentation) erhielt ich von VA Linux die Anfrage ihnen die
Nutzungsrechte zu überschreiben. Das war weder überraschend noch war
ich darüber unglücklich. Viele Freie Software-Projekte verlangen von
Entwicklern, dass sie die Nutzungrechte an ihren Änderungen an den
Hauptautor übertragen. Die Überschreibung auf einen alleinigen
Rechteinhaber ist eine Strategie um die GNU GPL effektiver verteidigen
zu können und gern hätte ich auf diese Weise kooperiert.

Als ich jedoch die Einzelheiten der Vereinbarung las, entdeckte ich
schwerwiegende Probleme. Ich wurde aufgefordert die Rechte an meinem
Werk, "welches in der jetzigen Version der SourceForge
Software-Entwicklungsplattform oder eventuell auch in einer
zukünftigen verwendet wird" zu übertragen. Die Übertragung war nicht
auf meinen Beitrag zur SourceForge-Software beschränkt, sondern bezog
sich möglichweise auf mein gesamtes, bereits erstelltes oder
zukünftiges Werk, wenn für SourceForge daran irgendwie Interesse
besteht.

Ich erwartete ausserdem die Zusage, dass mein Werk unter der der GNU
GPL herausgegeben würde, aber die Vereinbarung enthielt nichts über
Freie Software.  VA Linux wäre es erlaubt, die Software welche ich
schrieb unter einer unfreien Software-Lizenz herauszugeben und sie der
Gemeinschaft vorzuenthalten.  Zu diesem Moment war ich mir noch nicht
sicher, ob diese Sorge nicht unberechtigt war, da VA Linux
ausschliesslich Freie Software erstellte und einsetzte. Zwei Wochen
später entschieden sie unfreie Software in SourceForge einzuführen und
das warf ein anderes Licht auf die Frage.

VA Linux sagte mir, sie hätten die Vereinbarung nur an zwei Personen
geschickt, in der Hoffnung sie zu verbessern.  Wir begannen eine zwei
Monate lange Diskussion.  Ich nahm an, die Diskussion habe zum Ziel
die Vereinbarung passender für die Freie Software-Gemeinde machen,
also bemühte ich mich konstruktiv beizutragen.  Schlussendlich erhielt
ich eine Version der Nutzungsrechtsübertragung erstellt von der
Rechtabteilung. Ich zitiere es hier vollständig:

          SourceForge Copyright Assignment

	    Thank you for your interest in contributing software code
	    to SourceForge.

	    In order for us to include the code in our product, we
	    will need you to provide us with the rights to the code.

	    By signing this agreement, you, the undersigned, hereby
	    assign to VA Linux all right, title and interest in and to
	    the software code described below, and all copyright,
	    patent, proprietary information, trade secret, and other
	    intellectual property rights therein. You also agree to
	    take all actions and sign all documents (such as copyright
	    assignments or registrations) reasonably requested by VA
	    Linux to evidence and record the above assignments.

            [Anmerk. des Übersetzers: Inoffizielle Übersetzung nur zur Erläuterung ]

	  SourceForge "Copyright"-Übertragung

	    Danke für Ihr Interesse Quelltext zur SourceForge-Software
            beizusteuern.

            Damit wir den Quelltext in unserem Produkt einfügen können
	    benötigen, wir von Ihnen die Rechte am Quelltext.

	    Mit dieser Vereinbarung übertragen Sie VA Linux, durch
	    Ihre Unterschrift, alle Rechte über jedwege Nutzung oder
	    sonstige Ansprüche an dem unten beschriebenen Quelltext.
	    Im besonderen schliesst das alle Nutzungsrechte,
	    Patentansprüche und Geschäftsgeheimnisse mit ein.
	    Weiterhin stimmen Sie überein alle weiteren Handlungen
	    vorzunehmen und alle Dokumente zu unterschreiben (wie
	    Nutzungsrechtsüberschreibungen oder Registrierungen)
	    welche von VA Linux für vernünftig erachtet werden um die
	    hier getroffene Vereinbarung zu beweisen oder zu
	    dokumentieren.

Das griff nach noch mehr Rechten als der erste Entwurf.  "Sie erlauben
uns alles, wir versprechen nichts".  An diesem Punkt wusste ich, dass
die Versuche die Vereinbarung klarer abzufassen Zeitverschwendung
waren. VA Linux sammelte die Nutzungrechte offensichtlich nicht, um
damit die GNU GPL durchzusetzen.


* Wege aus der Fallgrube

Für Menschen welche Freiheit als Wert schätzen, ist nun die Zeit
gekommen, sich von SourgeForge abzuwenden. Es hat sich in eine
Teergrube verwandelt von der zu entkommen immer schwerer werden
wird. Software-Entwicklungs-Server, welche vollständig auf Freier
Sofware basieren, gibt es viele auf der ganzen Welt.  Es es möglich
einen eigenen auszusetzen, sich einem bestehenden anzuschliessen oder
die darunter liegende Software zu schreiben.  Vor einigen Monaten half
ich mit für das GNU-Projekt Savannah aufzusetzen, weil ich den Bedarf
für eine gemeinschaftlich betriebene Plattform sah. Zusammen mit
Freunden und Mitentwicklern sind wir dabei Software für verteile
Softwareentwicklungs-Server neu zu schreiben und herauszugeben. Die
Idee ist, einen SourceForge ähnlichen Dienst innerhalb weniger Stunden
aufsetzen zu können.  Savannah wird Ende des Jahres mit dieser
Software laufen.  Zu Beginn mag sie weniger Funktionalität als
SourceForge haben, aber sie hat eine strahlende Zukunft weil sie ihre
Wurzeln in einer gemeinschaftlichen Leistung von Leute hat, welche
Freie Software miteinander teilen.

SourceForge war wie Freibier, weil es von Anfang an so entworfen
wurde. Es war ein sehr teures Geschenk von sehr kurzer Haltbarkeit für
die Freie Software-Gemeinschaft.  Wir sollten wütend auf VA Linux
sein, uns ein solch vergiftetes Geschenk gemacht zu machen.  Auf der
anderen Seite denke ich, dass wir VA Linux danken sollten. Sie
brachten uns die Methodik und lehrten uns, dass eine Plattform für
Entwicklungs-Server verteilt und in gemeinschaftlicher Art und Weise
entwickelt werden muss; nicht von einem einzelnen Unternehmen, was
alles von vorne bis hinten kontrolliert.  Das bedeutet
selbstverständlich auch, das jeder ein wenig Zeit zum Entwickeln und
Pflegen solcher Angebote für Entwickler einbringen muss.  Wir haben
unser Glas ausgetrunken, es ist Zeit unsere Freiheit zu gewinnen.

Loïc Dachary

Übersetzung aus dem Englischen vom 11.11.2001: Bernhard Reiter


[1] VA Linux besitzt den SourceForge Domain Namen, stellt eigene
Hardware zur Verfügung, bezahlt den Datenverkehr und Leute welche
SourceForge pflegen.  Zu VA Linux gehören auch die meisten OSDN
Webserver, die größte Ansammlung Freier Software Informationen in der
Hand eines einzigen Unternehmen.




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