Bankkontenmodell

Lutz Horn lh at lutz-horn.de
Do Aug 30 16:33:37 UTC 2001


Hallo Reinhard und Liste,

die von Dir angestoßene Diskussion halte ich für sehr interessant und
bin überrascht, wie vielfältig die Meinungen zu diesem, von Dir eher
als Ansatz zur Lösung praktischer Probleme gedachten Vorschlag, der aber
auch theoretische Bedeutung hat, sind.

* Reinhard Wiesemann <r.wiesemann at villa-vogelsang.de> [20010830 10:13 +0200]:
> > Bernhard Reiter schrieb:
> 
> > * Es wird schwer Spender ohne konkretes Ziel zu einigen.  Die
> > Menschen zahlen leichter, wenn das Produkt schon da ist. Erst dann
> > wird ihnen wirklich klar, dass sie es brauchen.
>
> ja, klar. Das ist die bisher übliche Rolle, in der 99% der Kunden sind
> (Ausnahme sind nur diejenigen, die kundenspezifisch etwas anfertigen
> lassen). Meine Idee ist ja gerade, einen etwas größeren Prozentsatz
> der Kunden aus ihrer Passivität herauszuholen.

An dieser Stelle muss ich Dir zum ersten Mal uneingeschränkt zustimmen
(auch wenn sich meine bisherige eingeschränkte Zustimmung oder Ablehnung
nicht immer in E-Mails niedergeschlagen hat). Das andernmails
angesprochene Problem der Überproduktion entsteht eben auch, weil
Bedürfnisse und Lösungskompetenzen nicht direkt vermittelt werden. Wenn
der Produzent einer Ware oder Dienstleistung nicht weiß, ob das, was er
zu produzieren gedenkt, auch einen Abnehmer findet, muss er notgedrungen
auf Vorrat produzieren. Wenn die Abnehmer dann ausbleiben kann er seine
Produkte entweder verschrotten oder versuchen, sie mit windigen
Versprechungen doch noch an den Mann zu bringen. Beides kann aber nicht
im Interesse der Beteiligten sein, da entweder Ressourcen verschwendet
werden oder Produkte hergestellt und vertrieben werden, für die
eigentlich kein echter, vor der Produktion auch artikulierbarer Bedarf
bestand.

Ein wesentlicher Aspekt der von mir so betonten Selbstorganisation ist
dabei auch, dass solche Probleme vermieden werden. Ich verstehe nämlich
unter diesem Begriff nicht das blinde Vor-sich-hin-Arbeiten der
Einzelnen sondern sehr wohl einen gesellschaftlich vermittelten Vorgang.
Die Menschen, die ein konkretes Bedürfnis haben (in Deiner Diktion die
"Kunden"), artikulieren dieses und tauschen sich mit den potenziellen
Produzenten aus, ob und wie das Bedürfnis erfüllt werden kann.

Dieser Vorgang der gesellschaftlich bewussten, reflektierten und
direkten Vermittlung von Interessen ist für mich ein wesentlicher
Bestandteil der Selbstorganisation, die damit gesellschaftliche
Selbstorganistaion ist. Dies ist mir deswegen so wichtig, weil ich die
wesentlichen Elemente dieses Vorgangs in der von Dir als Vorbild
genommenen Marktwirtschaft eben gerade nicht verwirklicht sehe. Die
behauptete Vermittlung des Marktes ist eben nicht bewusst, reflektiert
und direkt sondern im Gegenteil blind und indirekt. Die negativen Folgen
lassen sich täglich beobachten.

So sehr ich daher Deine Ideen für eine neue Form der Projektvermittlung
für Freie Software begrüße, muss ich doch davor warnen, diese an
Marktmechanismen auszurichten.

> > Die bisherigen Versuche von cosource, sourcexchange und so weiter
> > sind nicht besonders vielversprechend verlaufen.
>
> wenn's anders wäre, bräuche man nicht über ein neues Modell
> nachzudenken

Das ist ebenfalls ein sehr sympathischer Gedanke. Nur weil ein Versuch
gescheitert ist, muss noch lange nicht das Ende der Geschichte
angebrochen sein :-)

Gruß
Lutz
-- 
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