Bankkontenmodell

Lutz Horn lh at lutz-horn.de
Di Aug 28 15:59:44 UTC 2001


Hallo Reinhard und Liste,

* Reinhard Wiesemann <r.wiesemann at villa-vogelsang.de> [20010828 09:53 +0200]:
[...]
> Du hast Recht, daß viele Eigenarten der Marktwirtschaft in dem Modell
> enthalten sind.
[...]
> Markus Fleck schrieb
> > Es kann doch eigentlich niemand ernsthaft verlangen, das ein
> > "Aktiver" privat in Vorleistung geht, für Projekte, mit denen er
> > sich im Zweifelsfall gar nicht wirklich identifiziert, und dann auch
> > noch mit Dutzenden potenziellen (einmaligen) Spendern verhandeln
> > muss,
> hihi: das ist genau das, was außer reinen Auftrags-Arbeitern jeder
> normale Lieferant macht. Der Bäcker backt jeden Morgen die Brötchen,
> die er selbst gar nicht essen will und muß danach mit hunderten von
> Kunden reden.

Tja, hier stellt sich mir die Frage, ob allein die Tatsache, dass "es so
ist", dass also der Bäcker und jeder andere in dieser Form in
Vorleistung tritt, ein unhinterfragbar positive Sache ist. Ein Nachteil,
der dem Bäcker entsteht ist z.B., dass er an einem schlechten Tag am
Abend auf einem Haufen unverkaufter Brötchen sitzt, die er wegschmeißen
oder bestenfalls einer Obdachlosen-Hilfsorganisation geben kann. Besser
wäre es doch aber, wenn dieser Zustand gar nicht erst entsünde, wenn
diese, in anderen Bereichen (Agrar- oder Automobil-Produktion)
katastrophale Überprdouktion und Verschwendung von Ressourcen vermieden
würde.

Du hast natürlich recht, wenn Du sagst:

> Ich finde es gerade wichtig, daß es "Dutzende potenzieller" Spender
> gibt. Ein System, in dem irgendwer zentral die Macht hat über mich zu
> bestimmen wäre viel viel schlechter.

Ein System, in dem irgendwer zentral Macht ausübt, ist schlecht. Ich
wundere mich aber, warum Du hier und in dem von Dir kritisierten
Gremien-Prinzip die einzigen beiden denkbaren Möglichkeiten siehst.
Natürlich würden die Mitglieder eines wie auch immer bestimmten Gremiums
nicht unbedingt im Sinne aller Beteiligten entscheiden und sich schnell
durch Argument, die eigentlich nichts mit den zu entscheidenden Fragen
zu tun haben, beeinflussen lassen. In Deiner Diktion wären solche
"Argumente" z.B. "Vitamin B".

Warum aber an dieser Stelle stehen bleiben und nach der berechtigten
Kritik am Gremien-System, dass übrigens, wie andernorts in diesem Thread
vorgeschlagen, durch die Beteiligung von Figuren wie Stihl nicht besser
würde, als allein übrig bleibende Lösung die "freundliche"
Marktwirtschaft hochleben lassen?

Das besondere an der Entwicklung Freier Software ist doch, neben der
Freiheit natürlich, die Art, _wie_ sie entwickelt wird. Im besten Fall
finden sich auf selbstorganisierte, rein interessengeleitete Art
Menschen zusammen, die an einem Projekt arbeiten wollen. Das Interesse
ist dabei nicht monetärer Natur, wie es in Deinem Vorschlag in erster
Linie der Fall wäre. Vielmehr wird genau an den Dingen und Problemen so
lange gearbeitet, wie es den Beteiligten gefällt, sie einen für sich
sinnvollen Nutzen aus diesem Projekt ziehen können und keine perönlichen
oder auch fachlichen Differenzen zwischen den Beteiligten auftreten.
Wenn dabei einer auf Grund seiner Fähigkeiten ein koordinierende und
vermittelnde Rolle einnimmt, in der er von den anderen akzeptiert wird:
um so besser. Ein herausragendes Beispiel ist hier sicherlich der
Linux-Kernel, zu dem Linus ja bekanntlich auf die Frage, wie er denn die
Kontrolle über ihn behalten wolle, geantwortet hat: "I won't". Die aus
dieser Haltung heraus mögliche Form der Selbstorganisation sollte nicht
unterschätzt werden.

Mein Vorschlag wäre daher, nicht über Formen nachzudenken, wie auf einem
imaginierten Markt für Freie Software Produzenten und Kunden zusammen
kommen könnten. Für viel wichtiger halte ich die Frage, wie diese
Potenzial zur Selbstorganisation, ohne Vermittlung durch einen Markt und
ohne ein entscheidendes Gremium, aktivieren und nutzbar machen kann.

Deinen Vorschlag halte ich daher zwar für anregend, da er Anlass zur
Klärung von theoretischen, meinetwegen auch ideologischen Fragen gibt,
möchte ihn aber nicht weiter verfolgen.

Gruß
Lutz
-- 
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