Bankkontenmodell

Eike Lange eike.lange at uni-essen.de
Di Aug 28 10:41:01 UTC 2001


Hallo zusammen!

Grundsätzlich bin ich dem Projekt positiv zugewand, alleine schon,
weil es aus einer guten Absicht besteht und etwas Neues in die
Landschaft der Förderprogramme bringt. Vielleicht sollte man es
einfach mal probieren. 
Ein Paar nicht zerstreute Zweifel hege ich aber dennoch.

On Tue, Aug 28, 2001 at 09:53:17AM +0200, Reinhard Wiesemann wrote:
> >Ralf Mühlberger schrieb:
> > Kann man nicht ein Konto eröffnen für Freie Software allgemein -
> > mit einer einfachen Nummer : 111 111 (z.B. ist die
> > Gebühreneinzugszentrale) und dafür bei mehreren Banken und
> > vielleicht auch bei solchen, die es in fünf Jahren (bei Projektende)
> > noch geben wird ?
> Ich finde es besser, ein Konto pro Thema zu machen, weil es handhabbarer und
> übersichtlicher wird. Außerdem finde ich den "Jackpot-Effekt" wichtig. Die
> Programmierer, die an Branchensoftware z.B. für Ärzte arbeiten, sollen immer
> wieder sehen, wieviel Geld dafür zur Zeit ausgelobt ist (und garantiert
> bezahlt werden wird)

Normalerweise findet man keine Bank, die 100 Konten kostenlos
bereitstellt. Ansonsten fallen auch hier Gebühren an zwischen 500DM und
1000DM, wie ich kürzlich erfahren musste, als ich ein kostenloses
Mietkonto mit einem Eingang von mehr als 2000DM/Monat für meine WG
eröffnen wollte.
Lediglich die Allbank war dazu bereit. Die Argumentation der einzelnen
Banken war immer gleich und beinhaltete irgendwo das Wort "Gehalteingang".
Erst ab 2000DM Eingang war die Allbank dazu bereit.

> 1/4s in der ct kostet 1.325 Euro und wir bräuchten sie nur alle 3 Monate.
> Ich gehöre nicht zu den Menschen, die der Devise "Nicht kleckern, sondern
> klotzen" anhängen und bin überzeugt davon, daß eine solche Aktion sehr gut
> mit kleinen, billigen Anzeigen gestartet werden kann.

Ok, wir sind bis hierher bei Kosten von 10.000DM für Anzeigen
und 6.000DM - 12.000DM für Kontoführungen (bei 100 Projekten).
Lassen wir es mal bei 10.000DM, so ist das immer noch mehr, als ich
im Jahr spenden _könnte_. Aber ich bin ja auch keine Firma.
Trotzdem sind das Verwaltungsausgaben, die erstmal im Vordergrund stehen.
 
> > Warum sollen die zusammen soviel Geld zahlen - vielleicht zahlt
> > jeder nur einen Solidaritätsbeitrag von DM 60 auf das Konto ein und
> > das deckt dann gerade mal die Kosten für die Anzeigen in einem
> > Jahr....
> hier bewegen wir uns - solange keine Erfahrungen vorliegen - im Bereich der
> Spekulation. Ich meine, daß es eine Menge Leute gibt, denen man nur den Pfad
> öffnen muß, auf dem sie sich engagieren können. Du meinst vielleicht
> anderes. Sollte die Sache zum Start kommen, wissen wir Ende 2002, wer von
> uns beiden die Wirklichkeit besser eingeschätzt hat.

Das würde ich unter einigen Umständen auch eher abwarten...

> > Außerdem klingt das so als hätten die 5 Typen hinterher ne goldene
> > Nase und die Welt geht leer aus??
> Genau das finde ich richtig! Wenn bei dem System fünf richtig gute
> Ärzte-Programme als freie Software herauskommen, dann haben die
> Programmierer dafür auch richtig viel Geld _verdient_.

Dazu ja das allgemeine "Topfmodell" (nach 5? Jahren). 
Nach meiner persönlichen Lebensauffassung könnte
man aber noch weitergehen. Warum sollte man nur diejenigen entscheiden
lassen, die über das nötige Geld verfügen? Letztlich läuft es doch darauf
hinaus, dass in der Welt der Software über dieses Modell eine Art von
Lohndumping eingeführt wird. Selbstverständlich haben alle Programmierer,
die etwas zustande bringen Geld verdient, aber eben in dem Maße, wie
es ihrem Arbeitsaufwand entspricht. Kein normaler Programmierer würde bei
einem Topf von 5.000DM anfangen, eine Branchensoftware zu entwickeln, dazu
müsste dieser schon hinreichend verückt sein, wo er doch selbiges in einer
propietär arbeitenden Firma für das 10-fache machen kann. Vom Standpunkt des
Geldes aus ist dieses Modell nicht Nutzbringend. 
Angenehmer fände ich es, wenn jeder (sagen wir mal auf dieser Liste)
darüber abstimmen könnte, wozu man das Geld benötigt. Notfalls eben auf
einer Art von "Spenderliste" oder dergleichen und gemeinsam abstimmt, wer
einen kleinen Obulus für seine viele Arbeit bekommt. Damit wären wir aber
wieder beim Gremium und die zentrale Idee Deines Modelles wäre untergraben.

Auch wäre es denkbar, eine Art von Abstimmung unter den Spendern
einzuführen. Jeder Spender hat genau eine Stimme und die Auszahlungen wären
im Rahmen des Verhältnisses der Stimmen für Projekte möglich. Damit
könnten auch weniger populäre Projekte fair gesponsort werden (wer spendet
schon für langweilige Statistiksoftware, wenn er ein 3D-Ballerspiel
bekommen kann).

> Der Rest der (Programmierer-) Welt geht aber trotzdem nicht leer aus, denn
> die fünf Quellen-Programmierer können ihr System ja nicht in
> ich-weiß-nicht-wievielen deutschen Arztpraxen installieren. Die ganze Gruppe
> der Fachleute für freie Software wird einen Auftragsschub erleben, wenn es
> nämlich darum geht, diejenigen Programme konkret zu installieren und zu
> pflegen, die "den Jackpot abgeschossen haben".

Nun, ich könnte mir vorstellen, dass diejenigen Ärzte, die gespendet haben,
daraus natürlich auch das Recht ableiten, das entickelte System kostenlos
gewartet auf ihren Systemen installiert zu bekommen... Kann aber auch
Spekulation sein.
 
> > Genau das ist nicht gut. Sollte man nicht viel lieber versuchen ein
> > erfahrenes Gremium zu gewinnen??
> "Erfahrenes Gremium" = 10 etablierte Professoren, die der Geldgeber für gut
> hält und die eine Machtkonzentration bilden, der ich mich als Aktiver zu
> beugen habe? Siehe meine andere Mail.

Ehrlich gesagt, so schlecht finde ich ein Gremium gar nicht, solange es aus
Leuten besteht, denen ich mein Urvertrauen schenke, wie der FSFE. Etablierte
Professoren würden da nicht hineinfallen ;-)

Ich halte diese Diskussion für sehr wichtig, weil sie die Frage auswirft,
wie und was gespendet werden kann; im kleinen Kreise werden auch hier
modellhaft Verteilungskämpfe geführt. Leider hat sie viel mit dem schnöden
Mammon zu tun, und weniger mit einer "romantischen Sicht" des freien
Software-Entwicklers.

Eike
 




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