Bankkontenmodell

Reinhard Wiesemann r.wiesemann at villa-vogelsang.de
Di Aug 28 07:53:32 UTC 2001


Markus Fleck schrieb
> Dieses "Bankkontenmodell" sieht für mich so aus wie eine
> ganz gewöhnliche kommerzielle Freiberufler-Börse - mit dem
> zusätzlichen Nachteil, daß Arbeitsauftrag und -grundlage
> sich willkürlich im Laufe der Zeit ändern können.
Grundgedanke ist, eine etwas "freundlichere" Marktwirtschaft nachzubilden,
bei der die Kunden einbezogen und mit in die Pflicht genommen werden.
Normalerweise ist der Kunde ja völlig passiv und entscheidet erst ganz zum
Schluß, wer sein Geld bekommt. Du hast Recht, daß viele Eigenarten der
Marktwirtschaft in dem Modell enthalten sind. Wenn eine Firma 1 Jahr lang
ein Produkt entwickelt, das sie dann auf dem freien Markt verkaufen will,
dann hat sich dieser während der Entwicklung auch schon wieder geändert. Sie
muß den Markt also beobachten während sie arbeitet. Genauso ginge es auch in
dem vorgeschlagenen Bankkontenmodell. Die Förderer verpflichten sich nur,
die eingezahlten Beträge innerhalb von 5 Jahren an irgendeinen Aktiven zu
zahlen (oder die Zahlung erfolgt wie beschrieben automatisch). Die
Kriterien, nach denen die Förderer entscheiden, bleiben ihre Sache. Doch
genauso, wie der "richtige" Markt für Varianten offen ist, ist es auch
dieser: Es hindert den Aktiven niemand, einen (oder mehrere) der namentlich
bekannten Förderer anzusprechen und mit ihm eine Vereinbarung zu treffen,
unter welchen Bedingungen _er_ einen festgelegten Betrag bekommt. Das ist ja
gerade das tolle an dem Modell, daß es eigentlich nur einen Rahmen für ganz
viele mögliche Individual-Lösungen darstellt.

> 
> Es kann doch eigentlich niemand ernsthaft verlangen, das
> ein "Aktiver" privat in Vorleistung geht, für Projekte,
> mit denen er sich im Zweifelsfall gar nicht wirklich
> identifiziert, und dann auch noch mit Dutzenden potenziellen
> (einmaligen) Spendern verhandeln muss,
hihi: das ist genau das, was außer reinen Auftrags-Arbeitern jeder normale
Lieferant macht. Der Bäcker backt jeden Morgen die Brötchen, die er selbst
gar nicht essen will und muß danach mit hunderten von Kunden reden. Und
verhandelt dürfen die neuerdings auch. Demjenigen, der die Fabrik aufbaute,
in der Dein Computer geboren wurde, geht's nicht anders. Ich finde es gerade
wichtig, daß es "Dutzende potenzieller" Spender gibt. Ein System, in dem
irgendwer zentral die Macht hat über mich zu bestimmen wäre viel viel
schlechter. Gerade dadurch, daß ich die Möglichkeit bekomme, mir die
Förderer auszusuchen, mit denen ich auf einer Wellenlänge liege (und
umgekehrt) bleiben alle Beteiligten frei. Solche Strukturen, in denen es auf
"Vitamin-B" ankommt, werden vermieden. Machtkonzentration wird vermieden.

Dieses zentrale "Gremienprinzip" halte ich für viel schlechter:

Eigentlich läuft es in den Gremien doch immer so, daß namhafte Personen, die
irgendeine Beziehung zu den Geldgebern haben, die Macht von 1000 Förderern
auf sich konzentrieren, sich in die Rolle eines Richters begeben und Urteile
über andere Menschen sprechen. Die Gremienmitglieder sind abgehoben,
"neutral" und "hoch angesehen". Ihr Urteil entscheidet über die Entlohnung
der Aktiven. Die Aktiven kommen in die Rolle von Bittstellern,
Antragstellern. Genau das wird vermieden, wenn viele Aktive mit vielen
Förderern zusammengebracht werden. Dann ist der Aktive nämlich nicht mehr
darauf angewiesen, sich den Vorstellungen _eines_ Förderers zu beugen.


>um seine Arbeit (die
> zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit ja schon zur Verfügung
> steht) gnädigerweise nachträglich bezahlt zu bekommen?
Eigentlich muß die Arbeit zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht unter der GPL
stehen. Man könnte das Prinzip in der Richtung erweitern, daß der
Programmierer sein Werk zunächst behält, erst mit den Förderern verhandelt
und bis zur Annahme des Geldes frei ist, sein Programm auch anders zu
verwenden. Die Förderer würden die Leistung praktisch einkaufen für die
Allgemeinheit. 

Darüber müßte man noch nachdenken.

Viele Grüße
Reinhard





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