Hallo,
Sorry für leichtes off-topic, aber ich denke, dass diese Angelegenheit die gesamte Freie Software Gemeinschaft betrifft, weil das Ansehen der freien Software dadurch Schaden nehmen könnte.
Wie ich eben auf der Trisquel-Mailingliste gelesen habe, hat Richard Stallman geplante Vorträge an israelischen Universitäten abgesagt, und zwar auf Druck der palästinensischen Autonomiebehörde.
Die Palästinenser sponsern die Reise von Stallman. Als sie erfuhren, dass RMS außer in den palästinensischen Gebieten auch an israelischen Universiäten sprechen will, sagten sie, dass sie die Reise nicht bezahlen werden, wenn er daran festhält.
Darauf hin hat RMS die Vorträge in Israel abgesagt und will nun nur in den palästinensischen Gebieten sprechen. Die Israelis sind darüber natürlich nicht erbaut und werfen Stallman nun vor, die Redefreiheit dem Geld der Palästinenser geopfert zu haben.
Die Sache kocht in den Medien ziemlich hoch und nimmt eine unschöne politische Dimension an.
Quellen (u. a.): http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/free-software-campaigner-richa...
http://hamakor.org.il/pipermail/discussions/2011-May/002978.html
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Auf der israelischen Mailingliste wird nun diskutiert, das palästinensische Sponsoring durch ein eigenes zu ersetzen, wobei RMS frei gestellt werden soll, auch weiterhin in den palästinensischen gebieten zu sprechen. Das wäre m. E. die beste Lösung.
Hi,
Am Montag, den 30.05.2011, 10:52 +0200 schrieb Henry Jensen:
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Da halte ich dagegen: Mal die Vorzeichen Israel/Palästina ausgeblendet, finde ich es durchaus in Ordnung wenn Gruppe A, welche die Kosten trägt, auch nicht möchte, dass Gruppe B sich daran bedient.
Imho würde die Sache auch nicht so einen Wirbel verursachen, wenn nicht die Nahostproblematik involviert wäre.
Auf der israelischen Mailingliste wird nun diskutiert, das palästinensische Sponsoring durch ein eigenes zu ersetzen, wobei RMS frei gestellt werden soll, auch weiterhin in den palästinensischen gebieten zu sprechen. Das wäre m. E. die beste Lösung.
ACK. Das wäre nur fair gegenüber den Palästinensern und würde RMS aus der Schusslinie nehmen. Blöd nur, dass es dafür jetzt vermutlich schon zu spät ist bzw. das Kind "öffentliche Wahrnehmung" jetzt schon im Brunnen liegt.
Gruß, vinz.
Hallo,
On Mon, 30 May 2011 11:34:49 +0200 Vinzenz Vietzke vinzv@fsfe.org wrote:
Am Montag, den 30.05.2011, 10:52 +0200 schrieb Henry Jensen:
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Da halte ich dagegen: Mal die Vorzeichen Israel/Palästina ausgeblendet, finde ich es durchaus in Ordnung wenn Gruppe A, welche die Kosten trägt, auch nicht möchte, dass Gruppe B sich daran bedient.
Das widerspricht m. E. eben dem Grundgedanken der freien Software. Gruppe A sagt, "ich gebe dir was, aber nur unter der Bedingung, dass Gruppe B davon nicht profitiert." Das ist so, als ob in einer Software-Lizenzklausel drin steht, dass nur eine bestimmte Gruppe die Software frei benutzen darf bzw. eine bestimmte Gruppe davon ausgeschlossen ist, die Software frei zu benutzen.
Es gab in der Vergangenheit schon solche Freeware-Lizenzen, die z. B. ausschlossen, dass Software nicht vom Militär benutzt werden darf. Damit ist diese Software aber keine freie Software mehr, da Freiheit 0 "The freedom to run the program, for any purpose" nicht mehr gegeben ist. Und RMS betont selbst oft genug, dass in diesem Fall die Software abzulehnen ist. Übertragen auf die jetzige Situation hätte Stallman damit das Sponsoring der Palästinenser ablehnen und komplett auf die Reise verzichten müssen.
Am Montag, den 30.05.2011, 12:01 +0200 schrieb Henry Jensen:
Das widerspricht m. E. eben dem Grundgedanken der freien Software.
Richtig. Es bleibt halt die Frage, ob es "taktisch" klug ist das auf Biegen und Brechen durchzudrücken. Aber damit bewegen wir uns (wie du eingangs schon erwähnt hast) in's offtopic. "Politik" und Freie Software haben zwar oft mit einander zu tun. Hier geht es aber imho weniger um Freie Software als um Verhältnisse und Beziehungen zwischen Staaten. Deshalb halte ich es für gefährlich, sich hier zu positionieren - selbst wenn es mit dem (positiven) Hintergedanken der Verbreitung Freier Software geschieht.
Gruß, vinz.
Hallo,
On Mon, May 30, 2011 at 12:01:08PM +0200, Henry Jensen wrote:
Das widerspricht m. E. eben dem Grundgedanken der freien Software. Gruppe A sagt, "ich gebe dir was, aber nur unter der Bedingung, dass Gruppe B davon nicht profitiert." Das ist so, als ob in einer Software-Lizenzklausel drin steht, dass nur eine bestimmte Gruppe die Software frei benutzen darf bzw. eine bestimmte Gruppe davon ausgeschlossen ist, die Software frei zu benutzen.
Ich finde es vollkommen richtig, dass RMS sich hier pragmatisch verhält. Das Ganze hat nichts mit freier Software zu tun -- man muss nicht versuchen, den "Gedanken freier Software" auf Biegen und Brechen überall reinzuinterpretieren. Damit würde er sich IMHO nur lächerlich machen. Und der Verbreitung freier Software wäre damit garantiert nicht geholfen.
-antrik-
Hallo,
On Mon, May 30, 2011 at 11:34:49AM +0200, Vinzenz Vietzke wrote:
ACK. Das wäre nur fair gegenüber den Palästinensern und würde RMS aus der Schusslinie nehmen. Blöd nur, dass es dafür jetzt vermutlich schon zu spät ist bzw. das Kind "öffentliche Wahrnehmung" jetzt schon im Brunnen liegt.
Ich denke in der öffentlichen Wahrnehmung ist das vor allem ein typischer Israel/Palestina-Konflikt. Wenn es dagegen tatsächlich Leute gibt, die RMS zum Vorwurf machen, dass er sich hier nicht politisch positioniert hat, sind die IMHO eh ein hoffnungsloser Fall...
-antrik-
/signed, die zwei Lösungen hätte ich auch bevorzugt. Alles andere ist meiner Meinung nach einfach nicht in Ordnung, er ist ja schon in der Gegend, ist doch Schwachsinn... Die 2, Lösung finde ich interessant und dann würde ich das in dem Vortrag auch noch mal erwähnen und das gleich im Zusammenhang mit freier Software erklären ;) Nen bisschen "subtil" mit der Moralkeule schwingen ;) Gerade freie Software ist etwas, das keine Grenzen kennen sollte...
Am 30.05.2011 10:52, schrieb Henry Jensen:
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Auf der israelischen Mailingliste wird nun diskutiert, das palästinensische Sponsoring durch ein eigenes zu ersetzen, wobei RMS frei gestellt werden soll, auch weiterhin in den palästinensischen gebieten zu sprechen. Das wäre m. E. die beste Lösung.
Moin,
Am 30.05.2011 10:52, schrieb Henry Jensen:
Hallo,
ich hab mal auf die Liste: fsf-community-team@gnu.org eine kl. Nachfrage gesand. mal sehn was RMS selbst dazu sagt. ich habe auch angeboten ein paar Euro in den Topf zu werfen damit RMS Haifa besuchen kann.... ;)
Ahoi Michael
Hallo,
On Mon, May 30, 2011 at 10:52:11AM +0200, Henry Jensen wrote:
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Er hätte also die Palästinenser boykottieren sollen, um nicht den Anschein zu erwecken, Isreal zu boykottieren?... Da passt was nicht :-)
-antrik-
olafBuddenhagen@gmx.net schrieb:
On Mon, May 30, 2011 at 10:52:11AM +0200, Henry Jensen wrote:
Persönlich denke ich, Stallman hätte hier konsequenter sein und die gesamte Reise absagen sollen. So bekommt das ganze nun den Anschein, als würde RMS Israel boykottieren.
Er hätte also die Palästinenser boykottieren sollen, um nicht den Anschein zu erwecken, Isreal zu boykottieren?... Da passt was nicht :-)
Das passt in meinen Augen ganz gut. Es bedeutet, mal ganz salopp ausgedrückt: Werdet euch erst einmal einig, und lasst mich mit eurem "Kindergarten" [1] zufrieden.
Nicht nur aus politischer Sicht, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ist das sinnvoll. Beispiel: Eine Softwarefirma wird von einem Unternehmen beauftragt, kann aber keine klaren Anforderungen für die zukünftige Software zusammentragen, weil sich zwei wichtige Abteilungen nicht einig werden. In diesem Fall sollte sie den Auftrag besser absagen.
Im konkreten Fall Stallman denke ich zwar nicht, dass das die bessere Lösung wäre, aber _grundsätzlich_ ist das eine verantwortungsbewusste, sinnvolle Reakation. Deiner Aussage "Da passt was nicht" kann ich daher absolut nicht zustimmen.
Bei Stallman liegen die Dinge jedoch anders, weil hier klare Verhältnisse darüber bestehen, welche Seite ihn beauftragt und seine Reise finanziert hat. In obiger Analogie hat ihn nicht das ganze Unternehmen, sondern eine der Abteilungen beauftragt.
Oder, vielleicht als bessere Analogie: Wenn mir ein Auftraggeber ne Geschäftsreise nach Paris finanziert, und ich nach erledigtem Auftrag dort noch Urlaub machen möchte, dann ist es doch vollkommen verständlich, wenn er mir sagt: "Gut, aber dann zahlen Sie die Rückfahrt selbst." Und wenn ich in Paris _keinen_ Urlaub mache, sondern stattdessen dort noch einen anderen Auftrag erledige, für einen ganz anderen Kunden, dann wird die Sache natürlich noch schwieriger. Egal, ob sich diese beiden Kunden gut verstehen oder nicht: Es ist doch völlig klar, dass ich das entweder mit beiden koordiniere, oder mich ganz nach demjenigen richte, der das finanziert.
Daher sehe ich hier den Fehler eher in Stallmans Planung, und nicht in seiner konkreten Reaktion, als das Problem zu Tage trat.
Gruß Volker
[1] Hier meine ich "Kindergarten" im umgangssprachlichen Sinn, also dass zwei Parteien ihren Konflikt über eine dritte Patei austragen. Mir ist leider kein besseres Wort dafür eingefallen. Für Hinweise wäre ich dankbar.
Mir fallen noch andere schlecht passende Worte aus der Nazizeit ein, aber _ganz_ so verzweifelt bin ich in meiner Wortwahl dann doch nicht. ;-) (Ja, da war ein Wink mit dem Zaunpfahl!)