Hallo Michael,
danke für Deine Rückmeldung. Ja, das gibt mir schon zu denken.
Kann durchaus sein, dass meine Vision unrealisierbar ist.
Noch kurz abschließend und ohne Hoffnung auf Verständnis ein paar
Antworten auf Deine Bedenken (soweit ich die verstanden habe):
Rechtsschutz für Autoren würde ja sogar noch besser, wenn Juristen
ihre Energie nicht mehr mit der Sisyphusarbeit des Bestrafens von
"Piraten" vergeuden müssen, sondern sich auf echte
Autorenrechtsverletzungen wie Plagiat, Fälschung oder Verleumdung
konzentrieren können. Kann sein, dass einige Anbieter noch eine
Zeitlang ihren Quellcode geheim halten und kompilierte Software
verkaufen, aber die haben dann keine legale Möglichkeit, gegen
Kopien vorzugehen, und sobald ein Mitarbeiter den Source-Code
leakt, ist auch dieses Spiel aus, die können ihn dann höchstens
feuern, nicht aber rechtlich gegen ihn vorgehen. Guter Wille ist
auf beiden Seiten (Entwickler wie Anwender) eigentlich
schon jetzt zur Genüge vorhanden, das liegt in der Natur des
Menschen. Mir als Entwickler macht es doch Freude, wenn der
Endbenutzer sich verstanden fühlt. Und dem Endbenutzer macht es
doch Freude, mitzudenken, wenn er denn die Möglichkeit dazu hat.
Ich funktioniere seit zwanzig Jahren erfolgreich damit. Aber eben
nur mit kleinen Betrieben. Bei den Großen geht es nicht um Wille,
sondern um Geld und Macht. Damit Freie Software auch in größeren
Betrieben professionell nutzbar wird, bedarf es starker
juristischer Personen, die die Konkurrenz von Imperien wie
Microsoft, Apple oder SAP überleben. Jeder Konkurrenzkampf ist zum
Scheitern verurteilt, solange proprietäre Software dem Entwickler
den systemischen Vorteil gibt, sein geistiges "Eigentum" als
Kapital nutzen zu können. Ich sehe keine andere Möglichkeit als
eine Änderung im System, einen Übergang vom Kopier-Recht zum
Autoren-Recht. Ich selber glaube das einfach, aber beweisen kann
ich's nicht.
Ich bin aber nur ein kleiner Anwendungsentwickler und will euch
-und mich selbst- eigentlich gar nicht weiter mit meinen Visionen
belästigen.
Luc
On 18.03.21 15:31, Dr. Michael Stehmann wrote:
Hallo Luc,
ich vermag Deine Auffassung in zweierlei Hinsicht nicht zu teilen:
1. Gerade Freie Software bedarf des Schutzes des Urheberrechts bzw.
Copyrights. Diese Erkenntnis hat sehr schnell zum "Hack" des Copylefts
geführt. Denn im Gegensatz zu allen anderen Sprachwerken kann Software,
wenn sie kompiliert verbreitet wird, nicht ohne Weiteres und
Schwierigkeiten studiert oder verändert werden, selbst wenn dies
rechtlich erlaubt wäre.
2. Mangelnder Schutz proprietärer Software führt nicht ohne Weiteres zur
Entwicklung professionell einsetzbarer Freier Software.
Hierzu ist vielmehr zweierlei nötig: seitens der Entwickler der Wille
derartige Software zu entwickeln, sich also mit den Bedürfnissen und
Arbeitsprozessen von Menschen in Berufen auseinander zu setzen, die
ihnen oft sehr fremd sind.
Und andererseits die Bereitschaft der Anwender, auch kollektiv die
Entwicklung entsprechender Software zu finanzieren, die als Freie
Software dann womöglich auch von Konkurrenten eingesetzt werden kann,
die sich an der Finanzierung der Entwicklung nicht beteiligt haben.
Um ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen, sind - trotz aller
Anstrengungen und Fortschritte - auf beiden Seiten noch "dicke Bretter
zu bohren".
Gruß
Michael
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