Hallo Liste,
ich frage mich, warum der Verfasser meint, "Verkauf von Support" stehe im "Konflikt mit dem Ziel die bestmögliche Freie Software zu bekommen".Ich glaube, da unterschätzt jemand, welche Bedeutung (kostenpflichtiger) Support im Unternehmensumfeld hat. Nur große Unternehmen mit entsprechend besetzter IT-Abteilung können Support selbst stemmen und auch die lagern es häufig aus.
Aus der schleswig-holsteinischen Landesregierung höre ich, daß es generell schwierig sei, FLOSS-Anbieter mit ausreichenden Support-Kapazitäten zu finden. Und auch von Limux (München) munkelt man, daß es beim Support geknirscht hat (abgesehen von den bekannten politschen Problemen).
Alle im Artikel angesprochenen Finanzierungsvarianten können nur Beiwerk sein. Wer FLOSS im Unternehmensbereich etablieren will, muß sich ein Projekt suchen, gegebenenfalls forken, die Verantwortung übernehmen und den Support verkaufen. So wie es Luc Saffre mit Lino beschrieben hat.
Der Artikel beschreibt eine ziemlich komplizierte Konstruktion, bei der (mir) unklar ist, wer die Verantwortung trägt. Den Unternehmer interessiert nur "wen rufe ich an, wenns hakt", "wie schnell kommt der" und "was kostet das".
Ich kenne mehrere Freiberufler im medizinisch-sozialen Bereich, die sich mit Cortana ausgesprochen unwohl fühlen, aber keinen geeigneten FLOSS-Anbieter finden, der die Leistung und Abrechnung im Gesundheitswesen kompetent begleitet. Es ist schon schwierig, Hardware mit Linux-Unterstützung zu finden ("die Zertifizierung ist uns zu teuer"). Wenn die Branchensoftware nur unter MS-Win läuft, dann wird der ganze Desktop bei MS bleiben. Nach der Branchensoftware kommt das Buchhaltungssystem (Datev = MS-Win!).
Aus meiner Sicht geht der Artikel an den tatsächlichen Problemen im Unternehmensbereich völlig vorbei. Das ganze Modell sieht aus wie eine komplizierte Konstruktion zur Verschleierung der Verantwortung (= Haftung!). Tatsächlich fehlt es an IT-Unternehmern, die bereit und in der Lage sind, mit vollem unternehmerischen Risiko auf FLOSS zu setzen, vor allem im Bereich von Branchensoftware. Und natürlich gibt es das Henne/Ei-Problem. Auch das ist nur mit risikobereitem Unternehmertum zu lösen. Auch FLOSS-geneigte Länderinitiativen wie in SH werden scheitern, wenn sich keine Anbieter finden.
Das Hauptproblem, das FLOSS und Linux auf dem Desktop insgesamt obsolet machen könnte, sehe ich im Bereich staatlicher Schnittstellen, und dort ist dringend Lobby-Arbeit nötig. Schön zu sehen bei der Steuerverwaltung (ELSTER-Schnittstelle), die FLOSS kategorisch ausschließt. Wenn berufliche Abrechnungs- und Kommunikationssysteme (Personalausweis, Gesundheitskarte und anderes) - rechtlich oder tatsächlich - nur für MS-Win unterstützt werden, wird in Zukunft niemand mehr freie Betriebssysteme auf dem Desktop nutzen können.
Kritik war gefragt, hier habt Ihr sie :-) Ilu