Johannes Näder johannesnaeder@gawab.com schrieb:
Am Dienstag 13 April 2010 18:00:10 schrieb Bernhard Reiter:
Die Zusammenfassung mag den Stand der Diskussion wiedergeben. Ich schliesse mich den Ratschlägen jedoch nicht an.
ich verstehe den Text nicht als Zusammenfassung, sondern in erster Linie als Volkers Positionsbeschreibung. Aber Volker hat ja auch angekündigt, sein Text werde persönlich gefärbt sein, und eine "Entfärbung" würde seiner Arbeit wirklich Gewalt antun.
Meinst du? Ich habe versucht, alle Kritik zu berücksichtigen, die ich verstanden hatte. Die Einarbeitung der übrigen Kritik sollten besser diejenigen vornehmen, die diese verstehen.
Wir haben versucht, zwischen Freier Software und sonstigen Freien Inhalten anhand der gesellschaftlichen Relevanz ihrer Freiheit zu differenzieren. Ein weiteres Kriterium ist, dass es sich hier zum Teil um eine kategorial unterschiedliche Art von "Inhalten" handeln kann: Bei Nicht-Software werden wir es sehr oft mit "Werken" zu tun haben, bei denen Ästhetisches im Vordergrund steht, nicht Funktionales, Informatives oder Deskriptives; mit Kunst im weitesten Sinne also.
Mit böser Zunge würde ich behaupten, dass dies auch bei vielen Softwareprojekten der Fall ist. ;-)
Und damit meine ich nicht nur Demos oder IOCCC-Beiträge, sondern auch übermäßig komplexe Software, die konzeptuell auf dem Stand von vor zwei Jahrzehnten ist.
Kunst widerstrebt aber ihrer Funktionalisierung und lässt sich nicht anhand des gesellschaftlichen Nutzwerts ihrer Verfügbarkeit auf die eine oder andere Weise beurteilen. Kunst vermag Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in kritischer Distanz zu reflektieren - solange ihr eine völlig andere Freiheit zugestanden wird, die sich nicht durch die Prädikate "CC-BY" oder "CC-BY-NC" beschreiben lässt. Druck oder Zwang in Richtung diesen oder jenen Publikationsmodells schränken die Kunstfreiheit ein. Mehr noch: Sie ersetzen (im Extremfall) das Konzept des individuellen Werks durch das des kollektiven Samples
Ohne Massenmedien-Monopol wäre das überhaupt kein Problem. Selbst wenn nur eine Minderheit das ursprüngliche Werk zu schätzen weiß, und die "Masse" auf Remixe abfährt, dann wird das ursprüngliche Werk doch nicht "verdrängt". Es ist nach wie vor genauso verfügbar.
Außerdem: Einen Remix weiß man i.d.R. erst dann wirklich zu genießen, wenn man die Einzelstücke vorher kennt. Ich sehe da keinen Widerspruch.
- das sind Eingriffe enormer Tragweite, mit denen Autor- und
Werkbegriff, aber auch die ästhetische Reflexivität in Frage stehen.
Ich fürchte, ich kann deinen Kritik in diesem Punkt nicht mehr folgen. Kannst du das nochmal einfacher ausdrücken?
Ich bin dafür, hier auf keinen Fall unzureichend überlegte Schritte auf fremdes Terrain zu gehen. Wir plädieren für Freie Software (und freie Standards). In diesem Bereich haben wir Kompetenz, wohlüberlegte theoretische Positionen und einen erheblichen praktischen Erfahrungsschatz. Wir können sicher und fundiert argumentieren. Dies ist unser gemeinsame Nenner.
Nunja, bei Nicht-Software scheint die Frage der bezahlten Arbeit das einzige große Problem zu sein. Auf diesem Gebiet sind wir bei Freier Software zwar weiter, aber wirklich fundiert argumentieren können wir auch bei Software noch nicht.
Ich meine, weder die FSF noch die FSFE können konkrete Listen von erprobten, bewährten Geschäftsmodellen mit Freier Software vorweisen. Die allermeisten Unternehmen, die sich im Bereich der Freien Software engagieren, haben ihr Haupt-Einkommen immer noch im proprietären Bereich.
Das beste Geschäftsmodellen, was wir kennen, ist das Doppellizensierungs- Modell, und selbst das ist noch lange nicht perfektioniert, wie z.B. die Probleme der ExtJS-Bibliothek oder die der MySQL-Datenbank zeigen.
Welche Freiheiten im Kontext digitaler Nicht-Software-Inhalte notwendig oder sinnvoll sind und wo dort möglichweise Verwerfungen durch kollidierende Freiheiten auftreten, bedarf einer tieferen und breiteren gesellschaftlichen Debatte, die wir hier aus meiner Sicht nicht leisten können.
Unter allen Gruppierungen, die ich so kenne, ist die FSF/FSFE noch am besten aufgestellt, weil hier Expertise über die Lizenzen vorhanden ist, und weil das Wissen über den Freie-Software-Bereich ein sehr guter Indikator ist für das, was in den anderen Bereichen kommen wird.
Der Großteil der Leute im Creative-Commons-Umfeld hat keine Ahnung von Software, und ist sich der enormen Möglichkeiten der Kooperation gar nicht bewusst. Die meisten können sich unter Wiederverwendung nur Remixes vorstellen, und entsprechende Diskussionen laufen in völlig falsche Richtungen. Das ist auch klar, weil die entsprechden Werkzeuge entweder noch nicht geschaffen wurden, sauteuer sind, oder noch nicht benutzerfreundlich genug. Doch wer sich mit Software beschäftigt, der kennt die große Vielfalt an Möglichkeiten oder Inspiration, Kooperation und Wiederverwendung auf allen Ebenen.
Daher denke ich, dass die FSFE und nahe Organisationen die Lage immer noch am besten beurteilen können, und somit einer der besten Orte für eine solche Zukunftsdebatte ist.
Gruß,
Volker