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URL: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirtschaft/?cn t=352260 Gegen die Logik der Knappheit Freie Software ist für das Oekonux-Projekt eine Keimform für ein neues Gesellschaftsmodell
[1]Prüfung eines Linux-Rechners (ap) [2]+ Prüfung eines Linux-Rechners (ap)
Frankfurter Rundschau: Führt der Erfolg von Freier Software zur Integration in die Marktwirtschaft, wird sie zum Geschäft? Oekonux: Freie Software und Kommerz sind keine Gegensätze. Freie Software unterscheidet sich von proprietärer Software unter anderem durch die Lizenzen. Sie lässt den NutzerInnen praktisch jede Freiheit. Sie darf auch weiter kopiert werden, so dass die künstliche Knappheit, die proprietäre Lizenzen durch ihr Kopierverbot erzeugen, nicht entsteht. Im Ergebnis führt dies dazu, dass Freie Software, die einmal veröffentlicht wurde, an sich nicht mehr gewinnbringend verkauft werden kann. Sie ist ein kostenloses öffentliches Gut, das allen zur Verfügung steht. Dennoch kann man mit Freier Software Geld verdienen! Ja, es gibt Geschäftsmodelle rund um Freie Software. All diese leben von einer Kombination Freier Software mit einem knappen Gut. Hierunter fallen sowohl Distributionen, bei denen Betreuung, Handbücher und die Zusammenstellung der Programmpakete bezahlt werden, als auch Services oder proprietäre Produkte rund um Freie Software. Ein weiteres Geschäftsmodell besteht darin, dass Freie Software im Kundenauftrag entwickelt wird. Ist diese Kommerzialisierung etwa von Linux gut oder schädlich? Kommerzielle Verbreitung ist eine Möglichkeit, Freie Software und ihre Ideen zu verbreiten. Von daher ist eine Kommerzialisierung nicht negativ. Etwas anders verhält es sich, wenn wir das Entwicklungsmodell betrachten. Nach einer im Projekt Oekonux verbreiteten Auffassung rührt die Qualität Freier Software vor allem daher, dass EntwicklerInnen nicht an Vorgaben des Marktes beziehungsweise der Marketing-Abteilung gebunden sind. Vielmehr können sie sich ausschließlich auf die absolute Qualität ihres Schaffens konzentrieren. Diese Qualität ist es letztlich, die Freier Software immer mehr zum Durchbruch verhilft - und nicht etwa die fehlenden Lizenzkosten. Sparen auf Gewinn zielende Firmen wie IBM oder Sun Entwicklungskosten, indem sie Leistungen von Entwicklern Freier Software verwenden?
Freie Software Ins Auge sticht zunächst, dass Freie Software nichts kostet. Zwar muss der Nutzer für Distributionen - das sind Sammlungen freier Programme, die Dienstleister wie Suse zusammenpacken und auf CD verkaufen - bezahlen, doch wird damit die Leistung des Distributors bezahlt, nicht die Software an sich. Die Kostenlosigkeit ist aber nur ein Aspekt: Es geht mehr um "Redefreiheit" als "Freibier". Wichtig dafür ist vor allem, dass der Quellcode - die "Blaupause" der Software - frei zugänglich ist. Von daher kommt auch die Bezeichnung Open Source, offene Quelle. So wird, was bei Firmen als Betriebsgeheimnis gilt (proprietäre Software), für alle nutzbar. Freie Software darf zu jedem Zweck eingesetzt werden, auch zum Geldverdienen - sofern die Quellen verfügbar gemacht werden. Dafür sorgen besondere Lizenzen. Die bekannteste ist die GNU General Public License (GPL), die der Programmierer Richard Stallman Mitte der 80-er Jahre vorstellte. Es ist erlaubt, die Quellen zu studieren und aus ihnen zu lernen. Freie Software, auch veränderte Versionen, dürfen weitergegeben werden - vorausgesetzt der Empfänger bekommt die gleichen Rechte. Tatsächlich ist das meist erwünscht, denn Fehlerbeseitigungen, Änderungen oder Erweiterungen nützen allen. Open- Source-Software und Freie Software werden oft synonym verwendet. In der Szene gilt erstere jedoch eher als eine Entwicklungsmethode, letztere als soziale Bewegung. sch
IBM und Sun, die sich die Förderung Freier Software auf die Fahnen geschrieben haben, sparen zwar gewisse Kosten durch die Leistungen der Community, sie investieren aber auch selbst nicht unerheblich in die Weiterentwicklung Freier Software, wie etwa das Büropaket Open-Office zeigt. Der Profit, den solche Firmen im Umfeld Freier Software machen, kommt tatsächlich aus den genannten Geschäftsmodellen, bei denen Services und Hardware angeboten werden. Besteht die Gefahr, dass die "Kultur" der Freien Software zerstört wird, wenn Firmen Entwicklungsziele setzen? Die Wirtschaft kann Freie Software im Auftrag entwickeln lassen, aber sie kann der Freien-Software-Bewegung keine Ziele setzen, da jede(r) EntwicklerIn, der aus eigener Motivation Software schreibt, sich seine Ziele selbst setzt. Der Teil der Wirtschaft, der auf die eine oder andere Weise auf Freie Software setzt, hätte aber auch gar nichts davon, die Kuh zu schlachten, die er gerne melken möchte. Diese Firmen haben begriffen, dass ihre Geschäftsgrundlage Freie Software genau so funktionieren muss, wie sie es tut. Scharf formuliert: Hilft die Community dem Kapitalismus? Indem Freie Software künstliche Knappheit beseitigt, unterläuft sie das System der Wertschöpfung, ohne die der Kapitalismus nicht funktionieren kann. Im Projekt Oekonux betrachten viele das Phänomen Freie Software als eine Keimform für ein neues Modell von Gesellschaft. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte bietet sich die Chance, den Kapitalismus in eine Gesellschaftsformation zu überführen, die nicht mehr nach der Logik der Knappheit funktioniert, sondern sich auf einer Logik des Reichtums für alle gründet. Ein Reichtum, der dann nicht mehr ein monetärer, sondern ein stofflicher und sozialer Reichtum ist. Besonders bemerkenswert daran ist, dass das Ganze nicht (!) als Teil eines politischen Programms geschieht. Dann kann die Art und Weise, wie Freie Software entsteht, einen Weg in eine neue Ökonomie weisen? Das ist eine der Kernfragen des Projekts Oekonux. Auf Grund der Argumente, die Oekonux dazu seit 1999 sammelt, würden viele TeilnehmerInnen diese Frage sicher bejahen. Wie könnte der Weg aussehen? Diese Frage ist im Detail nicht seriös zu beantworten. Allerdings schälen sich aus den Untersuchungen von Oekonux einige grundsätzliche Überlegungen heraus. Die Wissenschaft selbst lebt schon seit Anbeginn vom freien Fluss von Informationen. Es kann wohl als erwiesen gelten, dass dieser Freie Fluss von Gedanken, Wissen und Information die beste Art und Weise ihrer Weiterentwicklung ist. Betrachten wir heute alltägliche Produkte, so können wir feststellen, dass ihr wissenschaftlicher Anteil in Form ihres Hightech-Anteils ständig steigt. Noch deutlicher wird dies, wenn wir die Produktionsanlagen betrachten, auf denen diese Produkte hergestellt werden. Der Automatisierungsgrad der materiellen Produktion steigt ständig und Information ist ein entscheidender Faktor dieser Automatisierung. Das Zentrum der Produktion auch materieller Güter rückt also immer mehr in den Bereich der Produktion von Informationen. Was für eine Bedeutung hat dabei Freie Software? Sie ist eine Form, die diesen Zusammenhang auf höchstem technischen Niveau ganz praktisch in die Produktion nützlicher Güter einfließen lässt. Wenn aber die gesamte Güterproduktion zunehmend wissenschaftlich wird, so ist langfristig zu erwarten, dass die besten Produkte nach Prinzipien entstehen, die wir in der Freien Software heute schon beobachten können. Dazu gehört die Selbstentfaltung der ProduzentInnen als zentraler Motor für Innovation und Qualität. Diese Selbstentfaltung kann letztlich nur dann gewährleistet sein, wenn der Produktion äußerliche Interessen wie der Zwang zum Geldverdienen keine Rolle mehr spielen. Eine Abschaffung künstlicher Knappheit ist dazu eine Voraussetzung. Welche Rolle spielt das Internet dabei? Eine zentrale Rolle. In technischer Hinsicht ist das Internet die Fernkopiereinrichtung für digitale Daten schlechthin. Aber auch in sozialer Hinsicht spielt das Internet eine wichtige Rolle. Es ermöglicht globale Kooperation, die ebenfalls eine der wichtigen Prinzipien der Entwicklung Freier Software ist. Gleichzeitig macht das Internet insbesondere über Mailing-Listen eine Transparenz möglich, wie sie in anderen Medien gar nicht denkbar ist. Weiterhin ermöglicht es allen Interessierten, sich zu dem Grad in ein Projekt einzubringen, der ihnen individuell angemessen erscheint. Selbstorganisationsprozesse, ein weiteres Kennzeichen Freier Software, werden durch das Internet ebenfalls gefördert. Software ist wichtig für die Wirtschaft, aber sie ist nicht alles. Wo lassen sich Freie-Software-Prinzipien noch anwenden?
Links und Lizenz
Das Projekt findet sich im Internet unter [3]www.oekonux.de Alles über seine Tagungen steht unter [4]www.oekonux-konferenz.de Die Langfassung des "Interviews" mit der FR ist [5]hier zu lesen unter und der Einstieg in die einzelnen Beiträge [6]hier. Eine wichtige Informationsquelle für Freie Software ist die [7]Floss-Studie. Die Texte auf dieser Seite erscheinen unter den Bedingungen der [8]GNU Free Documentation License, Version 1.2, und dürfen frei verwendet, kopiert, verändert und verbreitet werden, sofern diese Lizenznotiz erscheint und Quelle und ursprüngliche Autoren genannt werden. Oekonux Oekonux entstand 1999 und ist ein vorwiegend virtuelles Projekt. Das "Oe" am Anfang des Namens - eine Kombination aus den Worten "Ökonomie" und "Linux" - ist als Hinweis darauf gedacht. Kern des Projekts ist eine Mailing-Liste, auf der die Diskussion geführt wird. Von Bedeutung ist zudem die Website, die auch Texte enthält. Zentraler Bezugspunkt der Diskussion sind Freie Software und deren (potentielle) gesellschaftliche Auswirkungen. Wer mitlesen oder etwas beitragen will, ist herzlich eingeladen. Ein Wir in dem Sinne, dass alle eine einheitliche Meinung haben müssen, gibt es nicht. An Oekonux sind nicht nur Leute aus der Software-Szene interessiert. Auch viele, die eher aus politischen Zugängen, aus der Kultur oder einer Ingenieur-Richtung kommen, fühlen sich angezogen. Das Projekt organisierte Oekonux-Konferenzen in Dortmund und Berlin. Die 3. soll im Mai in Wien stattfinden. sch
Wollen wir eine Übergangsphase betrachten, so muss dies gar nicht die zentrale Frage sein. Genauso wie die neue Produktionsweise der bürgerlichen Gesellschaft zunächst nur Teilbereiche der Gesamtgesellschaft abdecken konnte, kann auch eine Produktionsweise, die an den Prinzipien der Entwicklung Freier Software orientiert ist, zunächst nur Teile der Gesamtgesellschaft mit Produkten versorgen. Freie Software ist ein Beispiel dafür. Dennoch hat sich die industrielle Produktionsweise nach und nach durchgesetzt und nach und nach die gesamte Gesellschaft nach ihren Prinzipien geformt. Ähnliches ist für die Prinzipien der Entwicklung Freier Software denkbar, die die Industriegesellschaft nach und nach in eine Informationsgesellschaft überführt. Es scheint eine Gegenbewegung zu geben. Etwa den Versuch, Softwarepatente in der EU einzuführen, oder Vorwürfe der Firma SCO, Teile des Linux-Codes seien "geklaut". All diese Versuche können als Widerstand des Ancien Regime gedeutet werden. Der Geist, der eigentlich schon aus der Flasche ist, soll wieder in dieselbe zurückbefördert werden. Es ist zu erwarten, dass diese Versuche noch zunehmen werden. Sind die Analysen des Oekonux-Projekts jedoch richtig, so werden diese Versuche keinen dauerhaften Erfolg haben. Noch nie hat sich eine fundamentale Änderung der Produktionsweise dauerhaft verhindern lassen. Vielleicht gilt hier das alte Ghandi-Zitat: "Erst ignorieren sie dich. Dann machen sie dich lächerlich. Dann bekämpfen sie dich. Dann hast du gewonnen." Dossier: [9]Die Alternative Deutschland: [10]Skizzen für den Umbau Wirtschaft: [11]Spaß am Programmieren [ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau online 2003 Dokument erstellt am 05.12.2003 um 18:08:02 Uhr Erscheinungsdatum 06.12.2003
References
1. http://www.fr-aktuell.de/_inc/_globals/?sid=9b4b60f9d3f62023ff1145a216822e90... 2. http://www.fr-aktuell.de/_inc/_globals/?sid=9b4b60f9d3f62023ff1145a216822e90... 3. http://www.oekonux.de/ 4. http://www.oekonux-konferenz.de/ 5. http://www.oekonux.de/texte/fragen.html 6. http://www.oekonux.de/liste/archive/msg07492.html 7. http://www.infonomics.nl/FLOSS/report 8. http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html 9. http://www.fr-aktuell.de/alternative/?sid=9b4b60f9d3f62023ff1145a216822e90 10. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?sid=9... 11. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirtschaft/?sid=9b4b...