Am 26.09.2012 10:29, schrieb Bernhard Reiter:
Hallo Freunde Freier Software,
für einen öffentlichen Auftraggeber ist es manchmal sinnvoll mit geringem bürokratischen Aufwand einen Auftrag vergeben zu können. Für Software-Unternehmen hat das große Vorteile, wenn es dazu kommt. Angebot und Leistung lassen sich beispielsweise besser gemeinsam mit dem Auftraggeber ausarbeiten, das erhöht meist die Chancen auf ein erfolgreiches Projekt. Mehr Geld geht in das Projektergebnis; weniger in den Papierkrieg.
Wenn nicht EU-weit agiert werden muss, gibt es die "freihändige Vergabe" (https://de.wikipedia.org/wiki/Freih%C3%A4ndige_Vergabe#Freih.C3.A4ndige_Verg...) welche eine gute Begründung erfordert.
Gut wirksam ist hier: Das Unternehmen Y hat eine Quasimonopolstellung, kann also als einziger Anbieter fachlich das Projekt umsetzen. Aus meiner Erfahrung heraus ist das auch die stärkste, teilweise die einzig akzeptierte Begründung für eine freihändige Vergabe. Das freut den proprietären Anbeiter, denn er kann seine fachliche "Quasimonopolstellung" leicht begründen: Er ist der einzige der tief in die Software schauen und ändern darf.
Bei Freier Software wäre eine ähnliche Begründung sicherlich auch mal passend, z.B. wenn es sich um einen Anbieter handelt, welcher 80% der Haupstromentwicklung durchführt und in der Freie Software-Initiative des Produkts mit deutlichem Abstand führt.
Sobald aber die Vergabestelle das mit der freien Software ansatzweise verstanden hat, wird sie sagen: Eine Monolstellung kann es hier ja quasi nicht geben. Und sie hätte Recht!
Dieser schöne Vorteil freier Software - Wettbewerbsfreiheit zu erhalten - verkehrt sich für die Anbieter ins Gegenteil und damit auch für die Auftraggeber. Beide leiden darunter, keine freihändige Vergabe nutzen zu können. Das Instrument gibt es auf gutem Grund, wir können es auch nicht so einfach abschaffen, denn das hätte wieder andere Nachteile.
Hier kann die Vergabepraxis verbessert werden. Ein Schritt wäre es, deutlich werden zu lassen, wie andere Begründungen die "Quasimonostellung" auch mit Freier Software erfüllen lassen können. Durch Vorbilder und Beispiele.
Wie Matthias unter Berufung auf ein ital. Gericht bereits zutreffend festgestellt hat, ist Freie Software kein bestimmtes Produkt, sondern eine rechtliche Eigenschaft,
https://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Interoperabilitaet_St...
S. 5 Fn. 9
"Daher ist es legitim, dass eine ausschreibende Behörde zur Sicherung ihrer Souveränität bei der Beschaffung diese rechtlichen Eigenschaften ausschreibt." (Kirschner a.a.O.)
Eine gutwillige Behörde hätte es daher in der Hand, durch entsprechende Gestaltung der Leistungsbeschreibung Freie Software zu bevorzugen, zumal wohl kein Vertreiber proprietärer Software willens oder in der Lage sein dürfte, der Behörde entsprechende Rechte einzuräumen. Man muss nur die EDV-Lösung einmal ganzheitlich und nicht nur als einzukaufendes Produkt betrachten.
Gruß Michael